Logo Universitat Bremen

Korallen als Klimaarchive

23.05.2022
Was uns 40 Millionen Jahre alte tropische Riffkorallen über Klimaveränderungen verraten
Skelettstruktur der tropischen Riffkorallen unter 20-facher Vergrößerung. Eine Wachstumsunterbrechung ungefähr in Bild-mitte gut erkennbar, geht auf ein partielles Absterben der Korallenkolonie zurück und könnte auf eine Korallenbleiche zurückgehen. Foto:
Skelettstruktur der tropischen Riffkorallen unter 20-facher Vergrößerung. Eine Wachstumsunterbrechung ungefähr in Bild-mitte gut erkennbar, geht auf ein partielles Absterben der Korallenkolonie zurück und könnte auf eine Korallenbleiche zurückgehen. Foto: Prof. Dr. Thomas Brachert

Ungewöhnlich gut erhaltene Riffkorallen aus der Geologisch-paläontologischen Sammlung der Universität Leipzig bergen ein großes Geheimnis: Sie lassen uns weit in die Vergangenheit reisen und die klimatischen Verhältnisse in unseren Breiten rekonstruieren. Das ist Forschenden der Universitäten Leipzig, Bremen und Greifswald und der Hochschule LaSalle in Beauvais nun gelungen: Anhand chemischer Analysen konnten sie saisonale Temperaturschwankungen dieser Zeit modellieren und erstmals zeigen, dass Korallen schon vor 40 Millionen Jahren in einer Symbiose mit Algen lebten. Ihre Ergebnisse, die auch aktuelle Klimaprognosen verbessern können, sind in der renommierten Fachzeitschrift Science Advances erschienen.

Im Mittleren Eozän, vor etwa 40 Millionen Jahren, herrschte in unseren Breiten tropisches Klima: Es war warm und feucht, wie beispielsweise Fossilien aus dem Geiseltalsee bei Halle bezeugen. Es war sogar so warm, dass sich Korallenriffe weit nach Norden ausdehnten – bis etwa zum 45. Breitengrad, also ungefähr auf die Höhe des heutigen Südfrankreichs. Einige dieser tropischen Riffkorallen sind als Fossilien Teil der Geologisch-paläontologischen Sammlung der Universität Leipzig. Sie stammen aus dem Pariser Becken, einer großen Meeresbucht, die in das heutige Frankreich hineinreichte. Unter diesen Fossilien fanden Professor Thomas Brachert und sein Team einige ganz besondere Korallen: Sie waren nicht wie viele andere versteinert, sondern konnten sich diesem Prozess entziehen. „Sie sind damit ein wunderbares Umweltarchiv. Ein Korallenskelett wächst jedes Jahr ähnlich wie ein Baum. Das Besondere daran ist aber, dass quasi im Skelett mehrere hunderte bis zu 1.000 Jahre Klimageschichte archiviert sind“, sagt Prof. Dr. Thomas Brachert vom Institut für Geophysik und Geologie der Universität Leipzig.

Skelett offenbart geringe jahreszeitliche Temperaturschwankungen
Der Geologe und sein Team entnahmen dem Kalkskelett der Korallen Proben und analysierten das Material mithilfe geochemischer Methoden. Aufgrund der chemischen Eigenschaften konnten die Wissenschafter:innen auf die Temperatur des Wassers schließen, in dem Korallen gelebt haben. Das Verhältnis der Sauerstoffisotope in den Proben zeigte, dass die jahreszeitlichen Temperaturunterschiede sehr klein waren für diese geografische Breite. Sie entsprechen etwa der Hälfte unserer heutigen Gegebenheiten von 15 Grad Celsius Unterschied zwischen den Jahreszeiten. „Damit bestätigen wir mit unserer Studie, was man zwar erwartet hatte, aber nie so gut messen konnte: nämlich sehr kleine jahreszeitliche Unterschiede in den globalen Warmzeiten“, so Brachert.

Solche einzigartigen Korallenarchive sind auch Thema des neuen Schwerpunktprogramms „Tropische Klimavariabilität und Korallenriffe“ (SPP 2299), das von Mitautor Dr. Thomas Felis vom MARUM - Zentrum für Marine Umweltwissenschaften an der Universität Bremen koordiniert wird. In dem Verbundvorhaben, das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) in den kommenden Jahren gefördert wird, wollen Forscher:innen verschiedener deutscher Universitäten sowie Helmholtz-Zentren, Max-Planck- sowie Leibniz-Institute eine ultrahochauflösende Perspektive von der Vergangenheit in die Zukunft auf aktuelle Änderungsraten liefern, um zu projizieren wie sich tropische Klimavariabilität und Korallenriff-Ökosysteme in einer sich erwärmenden Welt verändern werden, beschreibt sagt Felis.

Studiendaten können aktuelle Klimaberechnungen verbessern
Die aktuellen Daten des Forschungsteams lassen aber nicht nur Schlüsse über das Klima im Mittleren Eozän zu, sie können auch jetzige Klimamodelle verbessern. „Unsere neuen Erkenntnisse über extreme Warmzeiten können wir als Vergleichsbeispiel für die Zukunft nehmen. Unsere heutigen Computermodellierungen gehen von Annahmen aus, die nicht notwendigerweise alle richtig sind. Auf der Grundlage unserer Daten können wir Abschätzungen vornehmen, inwieweit diese Modelle dienliche Ergebnisse liefern“, fasst Prof. Dr. Thomas Brachert zusammen. Hier knüpft auch das Schwerpunktprogramm der DFG an.

 

Kontakt:

Dr. Thomas Felis
MARUM – Zentrum für marine Umweltwissenschaften der Universität Bremen
Telefon: 0421 - 218 65751
E-Mail: [Bitte aktivieren Sie Javascript]

Originalveröffentlichung:

"Slow-growing reef corals as climate archives: A case study of the Middle Eocene Climatic Optimum 40 Ma ago", DOI: 10.1126/sciadv.abm3875

 

Mehr Informationen:

Schwerpunktprogramm „Tropische Klimavariabilität und Korallenriffe“ (SPP 2299)

 

Prof. Dr. Thomas Brachert hat die besonderen tropischen Riffkorallen in der Geologisch-paläontologischen Sammlung der Universität Leipzig entdeckt. Foto: Stefan Krüger
Prof. Dr. Thomas Brachert hat die besonderen tropischen Riffkorallen in der Geologisch-paläontologischen Sammlung der Universität Leipzig entdeckt. Foto: Stefan Krüger