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Erdbeben mobilisierte Treibhausgase

25.07.2013
Meteor
Nördlicher Indischer Ozean vor Pakistan: Das Tauchfahrzeug MARUM-QUEST geht am Heck des Forschungsschiffs METEOR zu Wasser. An Deck der Kontroll-Container, von dem aus die Tauchgänge ferngesteuert werden.
Foto: V. Diekamp, MARUM, Universität Bremen

Neue Nature Geoscience-Studie zu Methanaustritten in der Tiefsee

Erdbeben könnten bei der Freisetzung von Treibhausgasen wie etwa Methan eine größere Rolle spielen als bislang gedacht. In einer Studie, die am 28. Juli vorab online in Nature Geoscience erscheint, untersuchte ein internationales Wissenschaftler-Team die Folgen eines Erdbebens der Stärke 8,1, das sich 1945 vor der Küste Pakistans ereignete. Aufgrund des Bebens traten umgerechnet sieben Millionen Kubikmeter Methan aus dem Meeresboden aus. 62 Jahre nach dem Beben, 2007, gewannen die Wissenschaftler in diesem Gebiet mehrere Sedimentkerne. Eine dieser Proben vom Meeresboden enthielt Methanhydrat, eine eisartige Verbindung aus Methan und Wasser. Die Analysen des Kerns zeigen: zwischen dem Erdbeben von 1945 und den Methanaustritten besteht offenbar ein Zusammenhang.

Das Team aus Geowissenschaftlern des MARUM, Universität Bremen, des Alfred-Wegener-Instituts Bremerhaven, sowie der ETH Zürich führt zwei Indizien für ihren Befund an: „Zunächst haben wir das Porenwasser des Sedimentkerns untersucht, d.h. das Wasser in den winzigen Hohlräumen des Kerns“, sagt Erstautor Dr. David Fischer vom MARUM. „An Kernen von zwei verschiedenen Lokationen – eine mit, die andere ohne Methanhydrate im Untergrund – fanden wir ungewöhnliche Sulfat-Profile“. Diese Messreihen ließen auf eine erhebliche Zunahme des Methanflusses aus tieferen Schichten des Ozeangrunds Richtung Meeresbodenoberfläche schließen.“

Anreicherungen des Minerals Baryt im Meeresboden lieferten den Forschern ein weiteres Indiz. Ihren Analysen zufolge muss dieser Prozess zwischen 1916 und 1962 eingesetzt haben. „Sulfat- und Barytwerte sagten uns, dass irgendein Mechanismus den Fluss des Methans im Meeresboden verstärkt haben musste. Daraufhin haben wir die geowissenschaftliche Literatur durchgesehen und sind auf ein Erdbeben der Stärke 8,1 auf der Richter-Skala gestoßen, das sich 1945 in der Region in ereignet hatte“, erklärt David Fischer. „Die nähere Beschäftigung mit diesem Beben führte uns zu der Annahme, dass es Risse und Spalten am Meeresboden verursachte. So konnte freies Methan, das zuvor unter den Methanhydrat-Schichten gefangen war, in den Ozean entweichen.“

Vorsichtigen Schätzungen zufolge sind seit dem Erdbeben – umgerechnet auf die Druckverhältnisse an der Meeresoberfläche – etwa 7,4 Millionen Kubikmeter Methan aus dem Meeresboden in den Ozean geströmt; nicht eingerechnet jene Methanmengen, die als unmittelbare Folge des 1945er Bebens freigesetzt wurden. Das entspricht etwa der Ladung von zehn großen Gastankern. „Wahrscheinlich gibt es im nördlichen Indischen Ozean noch weit mehr Gebiete, in denen sich das damaligen Erdbeben ähnlich ausgewirkt hat“, erläutert David Fischer.

Die jetzige Nature Geoscience-Studie beleuchtet einen bislang weitgehend unbekannten natürlichen Mechanismus, durch den Treibhausgase am Meeresboden freigesetzt werden. „Nur, wenn alle Quellen bekannt sind, lässt sich der globale Kohlenstoffhaushalt genauer abschätzen“, sagt David Fischer. „Der Weltklimabeirat (IPCC) versucht, alle Quellen zu erfassen, aus denen Treibhausgase in die Atmosphäre gelangen. Unsere Ergebnisse tragen dazu hoffentlich bei.“


Informationen zum Thema Methan:
Methan, eine Verbindung aus Wasserstoff und Kohlenstoff, ist eines der stärksten Treibhausgase, da es die von der Erdoberfläche Richtung Weltall reflektierte infrarote Strahlung effektiver absorbiert als Kohlenstoffdioxid. Und dies, obwohl es in der Atmosphäre geringer konzentriert ist als Kohlenstoffdioxid (CO2). Im Meeresboden lagern große Mengen an Methan in Form von Methanhydraten. Die eisartige Substanz ist indes nur unter hohem, durch die Auflast des Meerwassers verursachten Druck sowie in einem bestimmten, niedrigen Temperaturbereich stabil. Solange diese beiden Bedingungen gegeben sind, verhindern die Hydrate, dass das Methan ausgast und in den Ozean und – möglicherweise – in die Atmosphäre austritt.



Publikation:
Nature Geoscience 6/2013, 647-651:
Subduction zone earthquake as potential trigger of submarine hydrocarbon seepage
David Fischer(1), José M. Mogollón(2), Michael Strasser(3), Thomas Pape(1), Gerhard Bohrmann(1), Noemi Fekete(1), Volkhard Spiess(1), and Sabine Kasten(2)
(1)MARUM—Center for Marine Environmental Sciences, University of Bremen, Leobener Straße, D-28359 Bremen, Germany
(2)Alfred Wegener Institute Helmholtz Centre for Polar and Marine Research, Am Handelshafen 12, D-27570 Bremerhaven, Germany
(3)Geological Institute, ETH Zürich,Sonneggstraße 5, CH-8092 Zürich, Switzerland




Weitere Informationen / Interviews / Fotos:
Albert Gerdes
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Foto: Maya Schulte
Dr. David Fischer, Erstautor des Nature Geoscience-Artikels. Foto: Maya Schulte

Foto: MARUM, Universität Bremen
Der Meeresboden vor der pakistanischen Küste in 2.861 Meter Tiefe. Rechts oben einer der Greifarme des MARUM-QUEST. Das Tauchfahrzeug hat gerade einen Temperatursensor ausgesetzt (unten rechts). Damit werden Temperaturprofile des Meeresbodens erstellt.
Foto: MARUM, Universität Bremen

Foto: MARUM, Universität Bremen
Ein Greifarm des MARUM-QUEST hält einen Trichter. Aus dem Meeresboden steigen Gasblasen auf. Es handelt sich um Methan, das mit dem Trichter eingefangen wird. Dort lagert es sich als feste Substanz, als sog. Methanhydrat ab.
Foto: MARUM, Universität Bremen