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Submarine Hangstäbilität

Im sedimentären Porenraum fungiert Gashydrat wie Zement, indem es den Meeresboden verdichtet und stabilisiert. Bildet es sich allerdings in (noch) unkonsolidierten Sedimenten, verhindert Gashydrat die übliche Zunahme der Verdichtung infolge der Zunahme des lithostatischen Drucks.
Weiterhin kann sich Gashydrat in den Porenräumen bei einer Temperatur-Zunahme und/oder Druckabnahme zersetzen. In diesem Fall nimmt die Meeresboden-Kompaktion ab, was zu submarinen Hangrutschungen führen kann. Seismische, bathymetrische und side-scan sonar Kartierungen des Meeresbodens zeigten, dass Hangrutschungen verschiedener Größenordnungen alle Kontinentalränder kennzeichnen.

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Mächtigkeit der Gashydratstabilitätszone im Meeresboden (unter Annahme eines geothermischen Gradienten von 30°C/km) in Abhängigkeit von der Wassertiefe (dicke Linie). Die Balkendiagramme zeigen die ebenfalls tiefenabhängige Volumenzunahme (Zahl = Faktor der Volumenzunahme) eines festen Volumenanteils von Gashydrat bei seiner Zersetzung (nach Paull et al. 2000).

Wenngleich einige Hinweise existieren, lässt sich ein eindeutiger Beleg für Hang-Rutschungen, die durch Gashydratzersetzung ausgelöst wurden, nur schwer finden. So sind im Umfeld der Abrisskanten von Rutschungskörpern fast immer Spuren von Gas- und Fluidtransport zu erkennen, die entlang seismisch registrierter Bahnen im Sediment aufsteigen. Auf der Meeresbodenoberfläche selbst zeigen sich fluidaustritt-dokumentierende Merkmale, wie trichterähnliche Vertiefungen, so genannte Pockmarks, oder Muschel- und Bakterienfelder. Am oberen Kontinentalrand sind außerdem vergleichsweise starke Hangneigungen von > 4 Grad zu verzeichnen, so dass bei Stabilitätsverlusten, wie sie durch Gashydratfreisetzung verursacht werden können, ein gravitativer Transport einsetzen kann. Die zunehmende Ausdehnung der während der Gashydratzersetzung freiwerdenden Gasmenge bei abnehmender Wassertiefe scheint hierbei eine große Rolle zu spielen. So ist bei einer Gashydrat-Zersetzung in ca. 650 m Wassertiefe das Volumen an freiwerdendem Gas und Wasser fast dreimal höher als das eigentliche Gashydrat-Volumen. Der mit der Gashydratzersetzung am oberen Kontinentalrand verbundene enorme Porendruck führt zu einer massiven Abnahme der Festigkeit und der vorhandene große Porenraum zu einer hohen Deformierbarkeit. Ein weiterer potenzieller Faktor zur Auslösung submariner Rutschungen sind boden-simulierende Reflektoren (engl. 'bottom simulating reflectors, BSR'), die bei Gashydratzersetzung aufgrund ihrer mit dem Hang einfallenden Richtung hangparallele Schwächezonen darstellen.

Gashydratzersetzung am oberen Kontinentalrand kann im Zuge einer Druckverminderung wie etwa durch Meeresspiegelabsenkung erfolgen. So lag der Meeresspiegel während der Hochphase der letzten Vereisung vor etwa 18.000 Jahren global etwa 120 m tiefer als heute. Dies sollte zu einer erhöhten Instabilität des oberen Hanges infolge Gashydrat-Zersetzung geführt haben. In der Tat sind viele Rutschungs-Ereignisse in dieser Zeit und danach erfolgt. Jedoch könnten sie ebenfalls durch die erhöhten Sedimentationsraten am Kontinentalhang verursacht worden sein.

Die Annahme, dass Rutschungen und Massenbewegungen von Sedimentpaketen durch Gashydratzerfall verursacht wurden, wird durch neuere Indizien erhärtet. Über die kurzzeitig freiwerdenden Energien, die Methan-Mengen, sowie die langfristigen Auswirkungen auf den Lebensraum lässt sich gegenwärtig jedoch nur spekulieren. Von der Storegga-Rutschung am Kontinentalhang vor Südnorwegen ist eine Flutwelle durch Ablagerungen in norwegischen Fjorden bekannt.
 
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Die Storegga-Rutschmasse ist mit einem Gesamtvolumen von 5.608 km3 die größte bisher bekannte Rutschung. Sie erfolgte in mehreren Phasen vor ca. 7.000 Jahren und danach, wobei die größte Masse bereits während des ersten Rutschungs-Ereignisses transportiert wurde und eine Flutwelle auslöste. Je nach Küstenmorphologie und Dichte der Bevölkerung könnten derartige Tsunamis heute erheblichen Schaden anrichten.