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Ship's Log METEOR 151

Die Reise M151 des deutschen Forschungsschiffs METEOR trägt den Expeditionsnamen ATHENA („Atlantische Zwischenwasser- und Ökosystemdynamik während natürlicher Klimaveränderungen - Tiefseeberge im Subtropischen Ostatlantik“). Ab dem 6. Oktober suchen Biologen, Geologen und Umweltphysiker an Tiefseebergen südlich der Azoren nach Korallenvorkommen. Sie wollen herausfinden, wo und unter welchen Umweltbedingungen heute dort Korallen leben. Die Forschenden suchen auch nach fossilen Korallen der vergangenen 20.000 Jahre. Sie wollen untersuchen, wie diese Korallen in der Vergangenheit auf Klimaänderungen reagiert haben. Eingesetzt werden dafür vor allem der Tiefseeroboter MARUM-SQUID und ein Leitfähigkeits-Temperatur-Tiefen Sensor (CTD).

An Bord sind insgesamt 27 Forschende folgender Institute: Institut für Umweltphysik der Universität Heidelberg (Fahrtleitung Prof. Dr. Norbert Frank), MARUM – Zentrum für Marien Umweltwissenschaften der Universität Bremen (Co-Fahrtleiter Prof. Dr. Dierk Hebbeln), Senckenberg am Meer Wilhelmshaven (Co-Fahrtleiter Prof. Dr. André Freiwald), Institut für Geowissenschaften (GEOW) der Universität Heidelberg, ETH Zürich, Goethe-Universität FrankfurtIFREMER (Frankreich), IMAR (Azoren), IPMA (Portugal) und die Universität Freiburg (Schweiz).

Hier berichten die Forscherinnen und Forscher in einem Logbuch vom Leben und Arbeiten an Bord.

Logo der Expedition M151
Logo der Expedition M151
Auf der Fahrt wird das ROV MARUM-Squid eingesetzt. Foto: MARUM - Zentrum für Marine Umweltwissenschaften, Universität Bremen, D. Hebbeln
Auf der Fahrt wird das ROV MARUM-Squid eingesetzt. Foto: MARUM - Zentrum für Marine Umweltwissenschaften, Universität Bremen, D. Hebbeln
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9. November: Der Forscher mit dem Gespür für Korallen

Die Sensation am Kleinen Meteor Tiefseeberg: lebende Madrepora oculata. Foto: MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften, Universität Bremen; V. Diekamp
Die Sensation am Kleinen Meteor Tiefseeberg: lebende Madrepora oculata. Foto: MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften, Universität Bremen; V. Diekamp

Am letzten Stationstag unserer Expedition endet unsere ATHENA-Mission mit einem letzten, kurzen Blick in die Unterwasserwelt des Kleinen Meteor Seebergs. Der kleine Bruder des Großen Meteor Seebergs bot uns eine kleine Sensation. Wir waren aufgebrochen, um an den Flanken der Tiefseeberge fossile Riffe bzw. Kaltwasserkorallenvorkommen insbesondere der Arten Lophelia pertusa und Madrepora oculata zu suchen, die uns über die ozeanographischen Bedingungen in der Vergangenheit Auskunft geben sollen. Natürlich galt es auch zu klären, ob es derzeit aktives Riffwachstum dieser Arten gibt; wo und in welchen Wassertiefen und unter welchen Bedingungen.

Im Norden des Kleinen Meteor Tiefseeberges machten wir sie dann – die Entdeckung. Mit unserem letzten und gleichzeitig einzigen Tauchgang an diesem Seeberg gelang es, den Randbereich einer riffartigen lebenden Madrepora oculata-Ansiedlung zu dokumentieren.

Wir hatten nur eine Option, einen letzten Tauchgang.

Ja, es war das ‚Gespür für Korallen‘, das unseren Co-Fahrtleiter André Freiwald dazu bewegte, genau diese Tauchlokation auszusuchen.

Der Kleine Meteor Seeberg war bisher in der Korallenwelt noch „terra incognita“, und es war, als hätte Poseidon gemerkt, dass wir wohlgesonnen sind und die Vielfalt seiner Gärten dokumentieren, bewundern und sie mit dem Wissen über ihre Einzigartigkeit schützen wollen. Er ließ uns kurz durch seine nur angelehnte Gartenpforte spähen und sprach mit dem Anblick, der sich uns bot, die Aufforderung  zum Wiederkommen und Weiterforschen aus.

Danach mussten wir zum Transit nach Funchal aufbrechen, der knapp drei Tage dauern sollte und der das Ende unserer Reise bedeutete. Eine tiefe CTD auf 5000 Metern fuhren wir noch während des Transits – ansonsten wurde fleißig gepackt, dokumentiert, Berichte geschrieben und natürlich ein Labor nach dem anderen gereinigt, sodass die Kolleginnen und Kollegen der folgenden Reise gleich mit ihren Arbeiten beginnen können.

Unser kleiner Planet METEOR im 360° Blick. Foto: MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften, Universität Bremen; V. Diekamp
Unser kleiner Planet Meteor im 360° Blick. Foto: MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften, Universität Bremen; V. Diekamp
Die wichtigsten Männer an Bord sorgen für unser leibliches Wohl. Foto: MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften, Universität Bremen; V. Diekamp
Die wichtigsten Männer an Bord sorgen für unser leibliches Wohl. Foto: MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften, Universität Bremen; V. Diekamp

Trotz widriger Wetterbedingungen und technischer Herausforderungen war die Mission der ATHENA sehr erfolgreich. Das verdanken wir vor allem Kapitän Rainer Hammacher und der gesamten Crew der METEOR, dem Wissen und dem großen Einsatz der wissenschaftlichen Besatzung und natürlich der Forschungsförderung, die unsere Arbeiten erst möglich macht. Dafür möchten wir uns hier noch einmal ganz herzlich bedanken!

Mit diesem Eintrag schließen wir das Logbuch der ATHENA-Mission und hoffen, dass wir Euch, unseren Lesern daheim, unsere Begeisterung für unsere Arbeit an Bord und ihre Wichtigkeit für die Erforschung und den Schutz der Meere nahebringen konnten.

Und sobald wir die Landkrankheit (das Schwanken auf festem Grund) wieder hinter uns haben, geht es in den Heimatinstituten eifrig an die weitere Untersuchung der Proben.

Ahoi und bis zum nächsten Mal!

Eine erfolgreiche Mann- und Frauschaft. Foto: MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften, Universität Bremen; V. Diekamp
Eine erfolgreiche Mann- und Frauschaft. Foto: MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften, Universität Bremen; V. Diekamp

1. November: Unser kleiner blauer Freund

Zurück vom Meeresgrund: Der Backengreifer wird wieder an Deck geholt. Foto: MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften, Universität Bremen; V. DiekampZurück vom Meeresgrund: Der Backengreifer wird wieder an Deck geholt. Foto: MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften, Universität Bremen; V. Diekamp
Zurück vom Meeresgrund: Der Backengreifer wird wieder an Deck geholt. Foto: MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften, Universität Bremen; V. Diekamp

Was wären wir nur ohne ihn? Unser kleines blaues Metallwunder – es leistet uns auf dieser Fahrt einen echten Treuedienst. Auf ihn können wir uns immer verlassen – selbst wenn Wirbelstürme aufziehen oder es draußen dunkel wird. Unseren Backengreifer haben wir wirklich zu schätzen gelernt.

„Deck und Labor – auf Station!“, schallt es durch die Lautsprecher. Wissenschaftlerinnen, Wissenschaftler und Crew machen sich bereit, Helme und Handschuhe werden angezogen. Der Backengreifer wird erwartungsvoll zu Wasser gelassen. Wie eine Baggerschaufel gräbt er sich wenig später in den unbekannten Meeresboden und versucht, ein Stück davon festzuhalten. Alle Hoffnungen liegen auf ihm, dass er die heiß ersehnten Korallenstücke mit sich nach oben bringt.

Zurück an Deck gesellt sich eine Traube von Menschen um ihn herum – bereits durch das Geräusch beim Öffnen versuchen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, einen ersten Eindruck zu erhaschen. Ein Krachen und Knirschen – das ist es, was alle hören wollen. Selbst von der Ferne kann man an den Mienen des Teams erkennen, was der Backengreifer zu Tage befördert haben mag.

Die Wanne voller Wasser und Probenmaterial wird in Richtung Achtern gebracht. Alle stecken die Köpfe zusammen, wenn das Wasser abgelassen wird. Kommen Korallenstücke zum Vorschein?

Manchmal ist die Enttäuschung groß, wenn nichts als ein paar Sandkörner ihren Weg nach oben gefunden haben. Umso größer ist die Freude dagegen, wenn nicht nur Korallen, sondern auch weitere Meeresbewohner vom Backengreifer ausgespuckt werden. Die Lupe wird ausgepackt, und alles was kreucht und fleucht direkt bestimmt. „Eine Madrepora zusammen mit einem Schlangenstern!“ Jedes kleine Detail wird beschrieben, fotografiert und fein säuberlich dokumentiert. Die lebenden Tiere werden in Dosen und Eimern mit extra bereit gestelltem Meerwasser sortiert und wandern anschließend direkt ins Biolabor zur weitergehenden Untersuchung.

Derweil fischen beim Schlämmen an Deck unterschiedlich engmaschigen Siebe weitere spannende Objekte aus dem Sediment. Alle Proben werden sicher verstaut, Wanne und Arbeitsmaterialien sauber gemacht und wieder auf ihrem angestammten Platz gebracht. An Deck warten alle auf die nächste Durchsage von der Brücke, bevor ein weiterer Backengreifer zu Wasser gehen kann. Die Arbeit in den Laboren dagegen läuft auf Hochtouren weiter. Tagelang werden Detailaufnahmen gemacht, exakt die Arten bestimmt und die Proben für weitere Untersuchungen an Land konserviert.

Tja, was wären wir ohne unseren kleinen blauen Freund – selbst wenn Wind und Wellen uns im Stich lassen und wir andere Geräte nicht mehr einsetzen können. Zuverlässig erfüllt er seinen Arbeitsauftrag und versorgt uns mit Probenmaterial aus den Tiefen des Meeres.

Der Backengreifer war erfolgreich – die Wanne ist voll! Foto: MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften, Universität Bremen; V. Diekamp
Der Backengreifer war erfolgreich – die Wanne ist voll! Foto: MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften, Universität Bremen; V. Diekamp
Die Forscherinnen und Forscher diskutieren einen Fund. Foto: MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften, Universität Bremen; V. Diekamp
Die Forscherinnen und Forscher diskutieren einen Fund. Foto: MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften, Universität Bremen; V. Diekamp
Die gewonnene Ausbeute wird von den Wissenschaftlerinnen unter die Lupe genommen. Foto: MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften, Universität Bremen; V. Diekamp
Die gewonnene Ausbeute wird von den Wissenschaftlerinnen unter die Lupe genommen. Foto: MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften, Universität Bremen; V. Diekamp
Detailbilder der Proben werden aufgenommen. Foto: MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften, Universität Bremen; V. Diekamp
Detailbilder der Proben werden aufgenommen. Foto: MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften, Universität Bremen; V. Diekamp

26. Oktober: To boldly go where no one went before…

Das ROV Team im Kontrollraum. Foto: MARUM - Zentrum für Marine Umweltwissenschaften, Universität Bremen, V. Diekamp
Das ROV Team im Kontrollraum. Foto: MARUM - Zentrum für Marine Umweltwissenschaften, Universität Bremen, V. Diekamp

 

Nur sanft wiegt das Schiff in der leichten Dünung. Die Sonne gleißt über das Deck, während das ROV-Team voller Konzentration seiner Arbeit nachgeht. Heute ist Tag eins am Great Meteor Seamount – der erste Tauchgang des Tauchroboters MARUM-SQUID in unserem lang ersehnten Arbeitsgebiet beginnt. Endlich sollen die steilen Hänge des untermeerischen Kolosses ihr Geheimnis lüften.

Das Vermessungsteam hatte die ganze Nacht unter Hochdruck gearbeitet, um eine hochpräzise Karte des nördlichsten Sporns zu erstellen – die Zielregion für heute. Endlich können die leitenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die genaue Route festlegen. Überall an Bord herrscht eine erwartungsvolle Stimmung.

Vom Arbeitsdeck aus wird das ROV ausgesetzt. Foto: MARUM - Zentrum für Marine Umweltwissenschaften, Universität Bremen, V. Diekamp
Vom Arbeitsdeck aus wird das ROV ausgesetzt. Foto: MARUM - Zentrum für Marine Umweltwissenschaften, Universität Bremen, V. Diekamp

Das ROV – so die Kurzform des remotely operated vehicle – wird zu Wasser gelassen. Am Grund angekommen, finden die letzten Feineinstellungen statt, bevor die Erkundungsfahrt startet. Vor einer Wand aus Bildschirmen sitzen die beiden ROV-Piloten und steuern den Tauchroboter. Direkt dahinter im engen Raum sitzen drei Wissenschaftler und verfolgen die Livebilder vom Meeresgrund – immer auf der Ausschau nach Tiefseekorallen und anderen Unterwasserlebewesen.

Währenddessen kümmert sich an Deck das eingespielte Team um das Weitere, damit rund um den Tauchroboter alles läuft. Dazu gehört der Windenfahrer, der aufmerksam das kilometerlange Kabel, welches das ROV wie eine Nabelschnur mit dem Schiff verbindet, stets im Blick hat und behutsam fiert und hievt. Auch der Techniker, der sich um die genaue Positionierung über USBL kümmert und ein Mann, der für den reibungslosen Ablauf der Liveübertragung des Videomaterials in den Konferenzraum verantwortlich ist, werden gebraucht. Denn hier wartet gespannt der Rest der Wissenschaft und beobachtet den unbekannten Meeresgrund aufmerksam.

Entdecken die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler etwas Spannendes, wie beispielsweise eine lebende Koralle, so wird der Wunsch gleich an das ROV-Team weitergegeben. Punktgenau wird der Greifarm gesteuert und sorgfältig das fragile Objekt der Begierde eingesammelt – Millimeterarbeit! Zusammen mit den anderen Proben wird es dann sicher in einer der mitgeführten Kisten verstaut. Manchmal stellen die Wissenschaftler die ROV-Piloten aber auch vor besonders knifflige Aufgaben –zum Beispiel als ein Seeigel so groß wie ein Fußball und damit größer als die mitgeführten Netze erfolgreich geborgen werden konnte.

Eine Trägerkrabbe der Gattung Paromola mit einer Oktokoralle auf dem Rücken. Foto: MARUM - Zentrum für Marine Umweltwissenschaften, Universität Bremen
Eine Trägerkrabbe der Gattung Paromola mit einer Oktokoralle auf dem Rücken. Foto: MARUM - Zentrum für Marine Umweltwissenschaften, Universität Bremen
Der Fußball-große Seeigel. Foto: Foto: MARUM - Zentrum für Marine Umweltwissenschaften, Universität Bremen, V. Diekamp
Der Fußball-große Seeigel. Foto: Foto: MARUM - Zentrum für Marine Umweltwissenschaften, Universität Bremen, V. Diekamp

Doch nicht nur Proben von diversen Lebewesen werden durch den Tauchroboter aufgesammelt, auch Wasserproben sowie kurze Sedimentkerne können für spätere geochemische Analysen genommen und wieder an Deck gebracht werden.

Dort wird bereits während des Tauchgangs alles detailliert dokumentiert – nicht nur die genaue Lokation und Wassertiefe, sondern auch die Wassereigenschaften wie Temperatur und Salzgehalt. Alle Entdeckungen werden minutengenau in das Protokoll aufgenommen, um so später einmal zu den genauen Videomitschnitten zurückkehren zu können. So auch zu der Stelle, an der wir eine Trägerkrabbe, die zu ihrer Verteidigung eine Oktokoralle auf dem Rücken bei sich trug, vor dem sicheren Haitod retten konnten, indem wir durch unsere pure Anwesenheit den ‘Jäger verjagten‘.

Ist der Tauchgang vorbei und der Tiefseeroboter wieder fest verstaut, herrscht kurz nochmal reges Treiben um das ROV – die geborgenen Proben werden entnommen und in die verschiedenen Labore an Bord verteilt. Erst dann kehrt wieder Ruhe rund um das Hightech-Gefährt ein, denn ein weiterer erfolgreicher Tauchgang liegt heute hinter uns. 

Ja, wir fühlen uns dann manchmal auch fast wie bei Raumschiff Enterprise – wir stoßen in Galaxien vor, die noch nie ein Mensch zuvor gesehen hat.

25. Oktober: Bei uns wird die „Party“ vom Meeresboden ins Labor geholt

Der Unterwasserroboter MARUM-SQUID birgt lebende Octokoralle. Foto: MARUM - Zentrum für Marine Umweltwissenschaften, Universität Bremen
Der Unterwasserroboter MARUM-SQUID birgt lebende Octokoralle. Foto: MARUM - Zentrum für Marine Umweltwissenschaften, Universität Bremen

Der Konferenzraum ist dieser Tage auf der METEOR ein besonders wichtiger Raum. Hier wird der Live Stream vom ROV (Remotely Operated Vehicle – unserem unbemannten Tauchboot) übertragen. Während der Tauchgänge hört man zuweilen schon mal Gelächter über lustig geformte Schwämme, aber meist großes Raunen zu beeindruckend großen und oft bunten Korallen.

Der Meeresboden erscheint den Anwesenden dagegen vermeintlich trist und karg. Über diesen Eindruck schmunzeln die Biologen im Raum. Der unspektakuläre Boden beherbergt eine Vielzahl an Lebewesen, hauptsächlich winzige Würmer, Krebse, Einzeller und Bakterien. Hier kann die Phantasie durchaus mal die Assoziation zu Aliens haben. Unter dem Mikroskop betrachtet ist das „bunte Treiben“ fast wie eine Party, die am und im Meeresboden gefeiert wird. 

Natürlich könnte man die unzähligen Lebewesen mühselig per Hand sortieren, gäbe es da nicht die DNA, die uns hilft, unterschiedliche  Lebewesen in einer Probe zu identifizieren. Diese genetische Inventarisierung des Meeresbodens erfolgt normalerweise über Wochen in sterilen und teuer ausgestatteten Laboren.

Da komme ich ins Spiel, denn ich kann es kaum erwarten und will die Proben sofort an Bord begutachten. Wieso also nicht einfach ein tragbares Labor mitnehmen? Genau das mache ich. Ich heiße Babett Günther und meine Profession ist die Molekularbiologie. Ich  arbeite am IFREMER, dem Institut für marine Wissenschaft in Frankreich. Hier auf der METEOR bringe ich nicht nur die DNA zum Leuchten. Ich analysiere und lese diese direkt an Bord in meiner kleinen, portablen Laborkammer aus. Mit neuester Technologie im kleinen Format werden die Partys gecrasht, ganze Genome entschlüsselt und Arten bestimmt. Immer auf der Spur der faszinierenden Artenvielfalt in den Meeresböden.

 

DNA zum Leuchten gebracht. Foto: Andrea Schröder-Ritzrau, IUP Heidelberg
DNA zum Leuchten gebracht. Foto: Andrea Schröder-Ritzrau, IUP Heidelberg
Babett Günther bei der Arbeit im mobilen Molekularlabor. Foto: MARUM - Zentrum für Marine Umweltwissenschaften, Universität Bremen, V. Diekamp
Babett Günther bei der Arbeit im mobilen Molekularlabor. Foto: MARUM - Zentrum für Marine Umweltwissenschaften, Universität Bremen, V. Diekamp

22. Oktober: Sturmtief Steuerbord – Hurrikan Backbord

Der Hurrikan Leslie auf www.windy.com. Foto: MARUM - Zentrum für Marine Umweltwissenschaften, Universität Bremen; V. DiekampDer Hurrikan Leslie auf www.windy.com. Foto: MARUM - Zentrum für Marine Umweltwissenschaften, Universität Bremen; V. DiekampDer Hurrikan Leslie auf www.windy.com. Foto: MARUM - Zentrum für Marine Umweltwissenschaften, Universität Bremen; V. Diekamp
Der Hurrikan Leslie auf www.windy.com. Foto: MARUM - Zentrum für Marine Umweltwissenschaften, Universität Bremen; V. Diekamp

Strahlend blauer Himmel, windstill. Was Segler zum Stehen bringt, ist die optimale Voraussetzung für den Einsatz von Forschungsgroßgeräten wie den eines Tauchroboters. „Am besten Ententeich“, so die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an Deck. Aber wie werden wir eigentlich über das Wetter und seine Entwicklung an Bord des Forschungsschiffs METEOR mitten im Atlantik informiert, wo Internet und Wetter-App nicht funktionieren? Und warum hatten wir zu Beginn unserer Reise derart heftige Stürme und wechselhafte Wetterbedingungen? Um diese Fragen zu beantworten, haben wir uns in die vom Deutschen Wetterdienst betriebene Bordwetterwarte begeben.

Einblick in die Bordwetterwarte. Foto: MARUM - Zentrum für Marine Umweltwissenschaften, Universität Bremen; V. Diekamp
Einblick in die Bordwetterwarte. Foto: MARUM - Zentrum für Marine Umweltwissenschaften, Universität Bremen; V. Diekamp
Das Satellitenbild ist direkt von Eumetsat.org, Meteosat 0 degree - Natural Colour - Bereich West Atlantik. Das rote DBBH ist vom Wettertechniker nachträglich hinzugefügt worden.
Das Satellitenbild ist direkt von Eumetsat.org, Meteosat 0 degree - Natural Colour - Bereich West Atlantik. Das rote DBBH ist vom Wettertechniker nachträglich hinzugefügt worden.

Der Arbeitstag von Julia Wenzel (Meteorologin) und Martin Stelzner (Wettertechniker) hoch oben direkt unter der Brücke der Meteor beginnt früh. Wenn viele noch schlafen, sorgt Martin dafür, dass die automatisch gemessenen und durch Augenbeobachtung vervollständigten Wetterdaten zum DWD nach Offenbach übertragen werden, wo diese in die aktuellen Wettermodelle einfließen und damit auch für bessere Wettervorhersagen für Zuhause sorgen. Außerdem stellt er die für die Wettervorhersage benötigten Daten zusammen. Diese aktuellen Modellläufe, Analyse- und Vorhersagekarten sowie Satellitenbilder fließen nun in die Wettervorhersage für unsere jetzige Position und die der nächsten zwei Tage ein.

Das Ergebnis ist herausragend: Jeden Morgen um Punkt 8:30 Uhr präsentieren Julia oder Martin eine maßgeschneiderte Wettervorhersage als kurzen Vortrag auf der Brücke. Im Detail werden die Entstehung und Zugbahnen von Tief- und Hochdruckgebieten und die resultierenden Wetter- und Seegangsbedingungen vorgestellt. Die Leitung der Ausfahrt, also der Kapitän, die Offiziere und die leitenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler schätzen diesen Service, denn jetzt kann der Arbeitsplan im Wetterkontext abgestimmt werden.

Für Julia und Martin ist im Gegensatz zur Fernsehwettervorhersage ein Unterschied wesentlich. Wenn sie schlechtes Wetter oder einen Hurrikan vorhersagen, können sie die Emotionen ihres Publikums direkt wahrnehmen. Was in der Meteorologie Begeisterung auslöst, verursacht leider keinen „Ententeich“.

Nach dem Meeting erstellt Julia den ersten schriftlichen Wetterbericht, der allen an Bord schon gegen 10 Uhr vorliegt, sodass weitere Reaktionen beim Mittagessen zu erwarten sind. Ein zweiter, aktualisierter Bericht folgt am Nachmittag, und damit sind die wichtigsten Aufgaben des Tages erledigt. Martin hat derweil die Sensorik an Bord auf Funktionalität überprüft und wenn möglich, als Teil internationaler Datenerfassung, einen Ballon in die Stratosphäre aufsteigen lassen.

Wenn die Zeit es zulässt, stellen sie sich den neugierigen Fragen der Mitreisenden:

„Hallo Julia! Zuallererst: Was war denn der Grund für unser unbeständiges Wetter?“

„Hallo Jasmin! Zu Beginn der Reise befand sich südwestlich der Azoren der Hurrikan Leslie, bei dem sich die Modelle anfangs nicht einig waren, ob er auf direktem Wege über unser geplantes Arbeitsgebiet am Großen Meteortiefseeberg südlich der Azoren nach Osten ziehen oder ob er durch ein sich verstärkendes Hochdruckgebiet nach Südwesten gelenkt werden sollte. Zusätzlich zog ein Sturmtief knapp nördlich der Azoren nach Osten.“

Wir standen daher im Zwiespalt. Eigentlich müssten wir vor dem Sturmtief nach Süden fliehen. Dort lauerte aber Gefahr von Leslie, die sich doch dazu entschlossen hatte, nach Osten weiterzuziehen. Unsere Lage war also verzwickt, und so konnten wir nichts weiter tun, als Arbeitsgebiete rund um die Azoren zu nutzen - immer mit der Idee im Hinterkopf, zur Not in den Windschatten einer der Inseln zu fahren, um uns vor dem Sturm und dem zunehmenden Seegang zu schützen. So kam es nun auch: Julia hatte eine Stelle östlich der Insel Sao Miguel gefunden, an der wir abwettern konnten. Einen ganzen Tag standen wir dort und warteten bis wir die Forschung fortsetzen konnten. Aufgrund der verrückten Wetterlage war die Zusammenarbeit mit dem Fahrtleiter in diesem Zeitraum besonders eng. Es fanden öfters Besprechungen statt, um den Stationsplan den aktuellen Begebenheiten anzupassen.

„Es ist schon ungewöhnlich, gleich auf der ersten Fahrt als Bordmeteorologin einen Hurrikan handeln zu müssen – aber so bleibt die Arbeit auch spannend.“

„Und wie sieht die Prognose für die nächsten Tage aus?“

„Leslie ist mittlerweile in Richtung Osten gezogen. Jetzt bestimmt ein Hochdruckgebiet unser Wetter und beschert uns im Moment die von der Wissenschaft ersehnte ruhige See.“

Für ihre weiteren Fahrten auf den deutschen Forschungsschiffen wünschen wir Julia und Martin allzeit gute Fahrt und bedanken uns für den Einblick in die Bordwetterwarte!

12. Oktober: Die mit dem Schall spielen

Es ist 4 Uhr nachts – es herrscht reges Treiben in der sonst eher ruhigen Lotzentrale. Der Raum befindet sich direkt unter der Brücke, weit oben im Schiff. Die Stühle scheinen sich sanft auf und ab zu bewegen. Es ist Schichtwechsel im Team der Hydroakustiker*innen,  weitere vier Stunden Vermessung des Meeresbodens liegen vor uns. Terra incognita – über diese Landschaft unter uns ist fast nichts bekannt.

Die Oberfläche des Mars‘ kennt man auf 100 mal 100 Meter genau (NASA Mars Odyssey), fünfzigfach besser als aktuell existierende Karten unserer Weltmeere, die die Strukturen am Meeresgrund nur mit etwa 1 mal 1 Kilometer (GEBCO 2014) auflösen. Damit wir unsere Forschungsobjekte – die Kaltwasserkorallenriffe – während der Fahrt entdecken können, brauchen wir aber unbedingt Karten mit einer Auflösung von nur wenigen Metern. Das erreichen wir, indem wir das Zielgebiet systematisch mit dem Fächerecholot vermessen.

 

Einblicke in die Lotzentrale auf der METEOR. Foto: MARUM - Zentrum für Marine Umweltwissenschaften, Universität Bremen, V. Diekamp
Einblick in die Lotzentrale auf der METEOR. Foto: MARUM - Zentrum für Marine Umweltwissenschaften, Universität Bremen, V. Diekamp
Einblick in die Lotzentrale auf der METEOR. Foto: MARUM - Zentrum für Marine Umweltwissenschaften, Universität Bremen, V. Diekamp
Einblick in die Lotzentrale auf der METEOR. Foto: MARUM - Zentrum für Marine Umweltwissenschaften, Universität Bremen, V. Diekamp
Eine untermeerische Landschaft entwickelt sich. Foto: MARUM - Zentrum für Marine Umweltwissenschaften, Universität Bremen
Eine untermeerische Landschaft entwickelt sich. Foto: MARUM - Zentrum für Marine Umweltwissenschaften, Universität Bremen

Akustische Signale werden in Richtung des Meeresbodens gesendet, von diesem reflektiert und die Laufzeit zwischen dem Ping und seiner Ankunft gemessen. Die verstrichene Zeit zwischen dem Aussenden und dem Empfangen des Schalls bestimmt die Tiefe. Bei langsamer Fahrt entwickelt sich die Landschaft am Bildschirm wie in einem Strategiespiel. Immer mehr Strukturen kommen zum Vorschein. In parallelen Streifen – sogenannten Matratzen – entsteht ein präzises Relief des Meeresbodens.

Später werden sich die leitenden Wissenschaftler*innen treffen und ihre Köpfe über den Karten zusammenstecken – wo befinden sich Tiefseeberge? Wo sind Canyons? Kurz: Wo könnten sich die Kaltwasserkorallen vor uns verstecken? Gemeinsam legen sie dann die Einsatzpläne für den Tauchroboter MARUM-SQUID oder den Backengreifer fest.

Mit dem Relief kennen wir nur die Landschaft, nicht aber wieviel Sediment sich dort befindet. Für die Geräte, die dies beproben sollen, ist das Auffinden von Sedimentpaketen aber notwendig, ansonsten würden die Geräte auf dem harten Basaltboden beschädigt. Bei unserer Ausfahrt sollen dazu Kastengreifer, Multicorer und das Schwerelot eingesetzt werden. Der Parasound sendet Schallsignale mit größerer Wellenlänge, die tiefer in den Meeresboden eindringen. Die Reflektion der verschiedenen Sedimentschichten wird als Streifenmuster auf dem Bildschirm aufgezeichnet.

Leider ist das Wetter rund um die Azoren und in unserem Arbeitsgebiet aktuell sehr unbeständig, so dass wir Pläne oft mehrfach am Tag an die sich ändernden Gegebenheiten anpassen müssen. Genaue Karten sind daher für uns unerlässlich, um immer wieder neue Stationen festlegen zu können.

Wenn dann das letzte Gerät wieder an Deck ist, begeben sich die Hydroakustiker*innen abermals nach oben unter die Brücke. Eine neue, lange Nacht in der Lotzentrale beginnt.

Es berichteten Jasmin Link (IUP Heidelberg), Marleen Lausecker (IUP Heidelberg) und Stefanie Gaide (MARUM) aus der Lotzentrale. 

9. Oktober: ATHENA macht sich auf den Weg

Prof. Dorothee Dzwonnek (DFG) informiert sich bei Prof. Dierk Hebbeln (MARUM) über die ersten Ergebnisse.
Prof. Dorothee Dzwonnek (DFG) informiert sich bei Prof. Dierk Hebbeln
(MARUM) über die ersten Ergebnisse. Foto: MARUM - Zentrum für Marine Umweltwissenschaften, Universität Bremen; V. Diekamp

Wir sind am Montag, 8. Oktober, mit 27 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in See gestochen. Ziel unserer Reise ist es, entlang einer Kette von Tiefseebergen südlich der Azoren nach Kaltwasser-Korallen zu suchen.

Unsere METEOR-Reise trägt den Kurznamen ATHENA –Göttin der Weisheit und Strategie. ‘Nomen est Omen‘ – und so hoffen wir Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen, dass unsere Strategie aufgeht und diese METEOR-Expedition zu den Tiefseebergen südlich der Azoren erfolgreich sein wird. Die Weisheit über die Klimageschichte in dieser Region soll mit unseren Untersuchungen wachsen.

Athena und Poseidon, auf dessen Gunst wir als Seefahrer natürlich angewiesen sind, werden hoffentlich nicht mehr an ihren Streit denken und uns wohl gesonnen sein.

Worum geht es? Mit der chemischen Zusammensetzung der Kalkskelette fossiler und rezenter Korallen – sowie der sie umgebenden Sedimente und des Meerwassers – können wir die physikalischen und chemischen Eigenschaften der Wassermassen in der Vergangenheit rekonstruieren. Und wir wissen bereits, dass es in diesem Seegebiet seit der letzten Eiszeit zu massiven Veränderungen kam. Korallenökosysteme waren häufiger und ihr Lebensraum deutlich kälter als heutzutage. Aber wieviel kälter wirklich? Dieser und weiteren Fragen werden wir nachgehen und über unsere Arbeiten und das Leben an Bord regelmäßig berichten.

Begonnen hat unsere Expedition aber schon am 3. Oktober. Ein „Vortrupp“ hatte routiniert die Labore für die geplanten Arbeiten eingerichtet und den Unterwasserroboter MARUM-SQUID vom MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften der Universität Bremen für den ersten Einsatz vorbereitet. Dies verlief reibungslos dank der gewohnt ausgezeichneten Unterstützung der Mannschaft.

Eine leichte Aufregung lag auf uns Wissenschaftlern. Ist doch eine Delegation der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), unser Geldgeber, unserer Einladung zu einer Stippvisite gefolgt, um einen Einblick in unsere Arbeiten auf der METEOR zu bekommen. Der Plan war, gemeinsam mit der von Generalsekretärin Prof. Dorothee Dzwonnek angeführten Delegation die regionalen Kaltwasser-Korallen Ökosysteme nahe der Azoreninsel Sao Miguel mit einem Tauchgang zu erkunden.

Der Plan war gut – das Wetter ließ uns jedoch im Stich und der Einsatz des Tauchroboters musste aufgrund zu rauer See abgesagt werden.

Lebende Steinkoralle (Eguchipsammia c.f. cornucopia)mit dem Backengreifer aus 314 m Wassertiefe geborgen.
Lebende Steinkoralle (Eguchipsammia c.f. cornucopia) mit dem Backengreifer aus 314 m Wassertiefe geborgen. Foto: MARUM - Zentrum für Marine Umweltwissenschaften, Universität Bremen; V. Diekamp
Das Team um Prof. André Freiwald (Mitte) inspiziert die Backengreifer Ausbeute mit Korallenbruchstücken und lebenden Organismen.
Das Team um Prof. André Freiwald (Mitte) inspiziert die Backengreifer Ausbeute mit Korallenbruchstücken und lebenden Organismen. Foto: MARUM - Zentrum für Marine Umweltwissenschaften, Universität Bremen; V. Diekamp

Ein Plan B musste her. Die Leitenden Wissenschaftler Norbert Frank, Dierk Hebbeln und André Freiwald – alles ausgewiesene Kaltwasserkorallen-Experten – entschieden sich nach einer detaillierten Bodenvermessung entlang eines Vulkankraters (José Gaspar) für den Einsatz von Backengreifern. Am Fuß des kleinen Vulkankegels fanden wir sandige Proben mit nur wenigen kleineren, teils fossilen Korallenfragmenten. Hangaufwärts allerdings wurden dann die Biologen und auch die DFG-Delegation belohnt mit einem schönen, aktiven Korallenriff mit Korallen der Art Eguchipsammia c.f. cornucopia.

Danke, Frau Dzwonnek, dass Sie uns begleitet haben! Nach ihrem Eindruck gefragt sagte sie, dass ihr insbesondere das interdisziplinäre und sehr teamorientierte Hand in Hand an Bord positiv aufgefallen sei. So machen wir weiter – denn genau das braucht eine erfolgreiche Expedition