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Logbuch Probefahrt SONNE

Am 17. November 2014 wird das neue, 116 Meter lange deutsche Forschungsschiff SONNE in Wilhelmshaven in Dienst gestellt. Seit der Taufe des Schiffs im vergangenen Juli finden eine Reihe wissenschaftlicher Erprobungen auf See statt.

Eine ganz besondere Probefahrt fand vom 15. bis 24. Oktober 2014 statt. Auf dieser Ausfahrt in das Seegebiet um Helgoland wurde das erst kürzlich fertig gestellte neue Meeresboden-Bohrgerät MARUM-MeBo200 erprobt. MARUM-Wissenschaftler hielten die Öffentlichkeit in einem Logbuch (siehe unten) auf dem Laufenden.

Über diese Fahrt berichtete zudem das ARD-Morgenmagazin exklusiv. Das Team um ARD-Meteorologe Donald Bäcker sendete u.a. täglich siebenmal den Wetterbericht live von Bord - garniert mit Informationen zum Schiff und seinen zukünftigen wissenschaftlichen Aufgaben. Auch andere ARD-Anstalten sowie der ARD-Hörfunk klinkten sich in die Berichterstattung von Bord ein.

Foto: V. Diekamp, MARUM

Bremerhaven, 15. Oktober, nachmittags:
Leinen los!

Logbuch 10_24. Oktober

Freitag, 24.10.2014, Cuxhaven

Position: 53 Grad 51 Minuten N, 8 Grad 45 Minuten O
Temperaturen: Wasser: 13,6°C Luft: 13,1°C
Wind: Süd, 5 Bft.

Nach einer ruhigen Nacht vor Helgoland sind wir gegen Mittag in Cuxhaven eingelaufen. Damit endet diese Probefahrt für die meisten von uns. Einige werden zur Vorbereitung des Rücktransports des MARUM-MeBo200 noch einige Tage an Bord bleiben.

Trotz der wetterbedingten Pause war die Fahrt ein sehr großer Erfolg und das MeBo200 hat unsere Erwartungen voll erfüllt. Insbesondere hat das Zusammenspiel zwischen Aussetzschlitten, Winde und Bohrgerät, das hier zum ersten Mal getestet werden konnte, problemlos geklappt. Sehr fruchtbar war die Teilnahme von vier Mitarbeitern der Firma Bauer aus Schrobenhausen (Bayern), mit denen ständig Ideen und Erfahrungen ausgetauscht wurden.

Im Kleinen haben sich aus den Tests viele konkrete Verbesserungsvorschläge ergeben, die vor dem ersten wissenschaftlichen Einsatz des Geräts umgesetzt werden sollen. Mit Abschluss dieses erfolgreichen Tests steht MeBo200 nun für die Wissenschaft zur Verfügung. Der erste Einsatz ist in gut einem Jahr auf der SONNE vor Neuseeland geplant.

Die Fahrt bot uns auch die außergewöhnliche Möglichkeit, Einblicke in die minutengenau getaktete Arbeit eines Fernsehteams zu gewinnen. Die Zusammenarbeit mit dem WDR-Team war eine Bereicherung für beide Seiten, die hoffentlich weitere Früchte tragen wird.

Ein großer Dank geht an Kapitän und Besatzung für die hervorragende Zusammenarbeit und die ausgezeichnete Stimmung an Bord – trotz der widrigen Winde.

Logbuch 9_23. Oktober

Donnerstag, 23.10.2014, nordwestlich Helgoland

Position: 54 Grad 32 Minuten N, 6 Grad 51 Minuten O
Temperaturen: Wasser: 15,6°C Luft: 13,9°C
Wind: Südwest, 5-6 Bft.


Am frühen Morgen haben wir unsere Position etwa 80 Kilometer nordwestlich von Helgoland erreicht. So hatten die Satellitentechniker der ARD genügend Zeit, um vor der ersten Live-Schaltung für das Morgenmagazin um 5:30 die Antennen neu auszurichten. Bereits um 6 Uhr begann das MARUM-MeBo200 Team mit den Vorbereitungen für den Einsatz des Bohrgeräts. Bevor es zu Wasser ging, hatten wir eine an einem Rahmen befestigte Kamera zum Meeresboden gelassen, um festzustellen, wie stark das Wasser getrübt ist. Das war deswegen wichtig, weil die am MeBo installierten Videokameras für die Steuerung des Geräts eine wichtige Rolle spielen. Die Testbilder ergaben, dass das durch den Sturm aufgewirbelte Sediment die Sicht zwar immer noch etwas trübte. Dennoch entschieden wir uns dafür, das MeBo200 zu Wasser zu lassen. Eine komplexe Aufgabe, denn MeBo-Team und Besatzung müssen die Winde, den auf dem Achterdeck installierten Aussetzschlitten und den A-Rahmen am Heck des Schiffs ständig simultan im Blick haben. Doch die Zusammenarbeit funktionierte nahezu perfekt. Für das Aussetzen wurde nicht einmal eine halbe Stunde benötigt.

Da die Sichtbedingungen unter Wasser nicht optimal waren, wurde die Zeit vorwiegend genutzt, um neue Komponenten des Bohrgeräts zu testen. Hierzu gehören vor allem die Stoßdämpfer an den vier Beinen des MeBo, die eine sanfte Landung auf dem Meeresboden sicherstellen sollen. Diese Dämpfer wurden für das MeBo200 neu konzipiert, um Landungen auf harten Untergründen besser abzufedern. Während des heutigen Einsatzes haben die Stoßdämpfer ihre erste Bewährungsprobe bestanden.

Mit der auflaufenden Gezeitenwelle hatte sich die Sicht unter Wasser zum Mittag etwas verbessert, so dass wir mit einer Bohrung beginnen konnten. Dabei ging es uns vorwiegend darum, weitere Erfahrung mit der Handhabung des Bohrgestänges und der neuen Steuersoftware zu sammeln. Dieser Einsatz bot zudem eine sehr gute Gelegenheit, weitere Mitglieder des MeBo-Teams in der Steuerung des Systems zu trainieren. Dies geht an Bord eines Forschungsschiffes unter realistischen Bedingungen natürlich besser als „auf dem Trockenen“ in der MARUM-Gerätehalle.

Am Nachmittag war das MeBo200 wieder an Deck und SONNE nahm Kurs auf Helgoland. Während der Fahrt wurde bereits mit dem Abbau des Bohrgeräts begonnen. Bevor das MeBo200, der Aussetzschlitten sowie die Winde im Hafen von Bord gehievt werden können, müssen unzählige elektrische und hydraulische Verbindungen demontiert werden.

Inzwischen ist es Abend geworden. Wir werden übe Nacht bei Helgoland auf Reede liegen. Morgen früh nimmt die SONNE dann Kurs auf Cuxhaven.
Foto: V. Diekamp, MARUM

Aussetzten eines Wasserschöpfers, an den eine Videokamera montiert wurde.

Foto: V. Diekamp, MARUM

Aussetzten MARUM-MeBo200; Anbringen von Auftriebskörpern am stahlarmierten Spezialkabel, das während der Bohrungen als "Nabelschnur" zwischen Bohrgerät und Forschungsschiff dient.

Foto: V. Diekamp, MARUM

Abbau des MeBo200-Systems.

Logbuch 8_22. Oktober

Mittwoch, 22.10.2014, südöstlich Helgoland

Position: 54 Grad 9 Minuten N, 7 Grad 57 Grad O
Temperaturen: Wasser: 15,7°C Luft: 12,8°C
Wind: Nordwest, 7-8 Bft.

In der Nacht hat der Ex-Hurrikan "Gonzalo" unsere Position bei Helgoland erreicht. Morgens betrug die die Windgeschwindigkeit im Durchschnitt 80-90 Stundenkilometer; in Böen wurden sogar 107 Stundenkilometer erreicht. Bei bis zu acht Meter Wellenhöhe ist in der Messe etwas Geschirr zu Bruch gegangen; davon abgesehen sind wir aber sehr beeindruckt, wie ruhig das Schiff angesichts des Sturms im Wasser liegt.

Die SONNE verfügt über mehrere ausgeklügelte Systeme, um das Schiff bei Seegang zu stabilisieren. Dem Rollen des Schiffs, so wird das Schaukeln um die Längsachse genannt, wirkt der regulierte Durchfluss von Wasser zwischen Ballasttanks entgegen. Diese Tanks befinden sich im Rumpf des Schiffs. Im vorderen Teil des Rumpfs können unterhalb der Wasserlinie seitlich „Flossen“ ausgefahren werden. Diese Stabilisatoren schränken das Rollen weiter ein.

Bei einer Maschinenbesichtigung konnten wir das Innenleben des Schiffs kennenlernen. Die SONNE verfügt über zwei dieselelektrische Fahrmotoren, die eine maximale Geschwindigkeit von 12 Knoten (etwa 22 Stundenkilometer) erlauben. Bei dieser Antriebsart erzeugen vier 9-Zylinder Dieselgeneratoren zunächst Strom, der die beiden elektrischen Fahrmotoren antreibt. Jeder Fahrmotor treibt über eine Welle je eine Schiffschraube an. Bei Forschungsschiffen hat sich dieser Antrieb sehr bewährt, da die Motoren schnell reagieren, was bei Stationsarbeiten, d.h. wenn das Schiff auf Position gehalten werden muss, sehr wichtig ist. Neben den beiden Fahrmotoren verfügt die SONNE noch über zwei kleinere Ruderpropeller, die am Bug und Heck aus dem Schiffsrumpf ausgefahren werden können. Diese Propeller sind frei drehbar und dienen zur Positionierung des Schiffs. Schließlich ist im vorderen Teil des Schiffs an der Unterseite ein sogenannter „Pumpjet“ angebracht. Dieser Wasserstrahlantrieb saugt Wasser auf der einen Seite ein und stößt es auf der anderen durch eine Düse wieder aus. Der Pumpjet kann um seine eigene Achse gedreht werden und ermöglicht es, die SONNE exakt auf einer Position zu halten.

Die SONNE ist nach neusten Umweltstandards gebaut worden. Statt des in der Schifffahrt üblichen Schweröls wird hier – wie auf allen anderen deutschen Forschungsschiffen - Diesel genutzt, wodurch die Emissionen drastisch reduziert werden. Dem gleichen Zweck dient auch ein Katalysator zur Abgasnachbehandlung. Auch bei der Müllentsorgung wurden neue Wege beschritten. Statt den Müll auf See zu verbrennen, wird er an Bord getrennt, zerkleinert, komprimiert und gelagert. Organische Abfälle werden gekühlt aufbewahrt, um eine schnelle Zersetzung zu verhindern. Im nächsten Hafen kann der Müll dann weniger umweltbelastend entsorgt werden.

Zum Abend hin hat sich der Sturm leider nicht ganz gelegt, und wir konnten die Unterwasser-Kamera nicht, wie ursprünglich geplant, zum Meeresboden herab lassen, um die Trübung des Wassers festzustellen. In dieser Situation haben wir uns entschieden, über Nacht eine Position weiter nordwestlich anzulaufen. Dort ist der Meeresboden sandiger, so dass wir weniger Trübung erwarten.
Foto: V. Diekamp

Die SONNE in stürmischer See. Im Hintergrund das Leuchtfeuer von Helgoland.

Foto: V. Diekamp, MARUM

Im Maschinenraum: Zwei der vier Dieselgeneratoren der SONNE.

Foto: V. Diekamp, MARUM

Im voll computerisierten Maschinenkontrollraum.

Logbuch 7_21. Oktober

Dienstag, 21. Oktober 2014, südöstlich Helgoland

Position: 54 Grad 8 Minuten N, 8 Grad O
Temperaturen: Wasser: 16,3°C Luft: 12,6°C
Wind: Südwest, 8 Bft.

Wir haben unsere Position bei Helgoland beibehalten und wettern hier den Sturm ab, ein Ausläufer des Exhurrikans „Gonzalo“, der heute Mittag die Deutsche Bucht erreicht hat. Gonzalo hatte sich Mitte Oktober zunächst als normaler Wirbelsturm in der Karibik entwickelt. Auf seinem Weg nach Norden hat er dann schwere Schäden auf den Bermuda-Inseln verursacht. Wie aber kommt ein tropischer Wirbelsturm überhaupt nach Europa?

Tropische Wirbelstürme beziehen ihre Energie aus dem warmen Oberflächenwasser und entstehen deshalb in den Tropen. Da das Wasser in Richtung Norden zunehmend kälter wird, hat Gonzalo auf seinem Weg zunehmend an Kraft verloren. Vor Neufundland wurde der Kern des Sturms von der ostwärts gerichteten Höhenströmung erfasst und befindet sich seitdem als „Ex-Gonzalo“ auf dem Weg nach Europa. Der Sturm hat dabei nicht nur seine Richtung geändert, sondern sich auch in einen normalen Tiefdruckwirbel verwandelt. Diese Tiefdruckgebiete beziehen ihre Energie aus der Temperaturdifferenz zwischen polarer Kaltluft und subtropischer Warmluft. Beim Kontakt mit polarer Kaltluft konnte Ex-Gonzalo erneut „auftanken“ und zieht seitdem gestärkt über den Atlantik. Solche Verwandlung eines tropischen Wirbelsturms geschieht gegenwärtig allerdings nicht bei jedem Sturm. Es ist noch unzureichend erforscht, ob tropische Wirbelstürme bei weiter zunehmender Klimaerwärmung häufiger nach Europa gelangen werden. Neuere Ergebnisse aus einem Klimamodell deuten dies aber an.

Der herannahende Sturm bot für das WDR-Team Anlass, mit Prof. Dierk Hebbeln vom MARUM über die Gefahren von Sturmfluten zu sprechen. In dem Interview, das live im WDR Hörfunk übertragen wurde (ab Minute 6:47), ging es auch um den Küstenschutz. Dierk Hebbeln betonte, dass Klimaschutz der beste Küstenschutz sei.

Derweil sind die MeBo-Techniker zusammen mit den Bordtechnikern der SONNE dabei, eine Kamera und einen Scheinwerfer an einen Rahmen zu montieren. Wir wollen vor dem nächsten Einsatz des MeBo200 zunächst diese Kamera an einem Drahtseil zum Meeresboden herunterlassen, um damit die Trübung des Wassers festzustellen. Nur wenn die Sicht ausreichend ist, werden wir das MeBo200 erneut einsetzen.

Logbuch 6_20. Oktober

Montag, 20. Oktober 2014, südöstlich Helgoland

Position: 54 Grad 6 Minuten N, 8 Grad 4 Minuten O
Temperaturen: Wasser: 16,3°C Luft: 14,9°C
Wind: Südwest, 6 Bft.

Heute begann das Fernsehteam des WDR mit den Liveübertragungen für das ARD-Morgenmagazin. Zwischen 5:30 und 9:00 werden täglich sieben Live-Schaltungen zur SONNE in das Programm eingespielt. Neben dem Wetterbericht wird Reporter Donald Bäcker die Zuschauer in den kommenden Tagen über das Schiff und wissenschaftliche Themen informieren. Insgesamt werden täglich ca. 30 Minuten live vom Schiff in HD-Qualität übertragen. Dazu ist eine Datenübertragungsrate von etwa 5 Mbit pro Sekunde über Satellit erforderlich. Für die beiden an Bord befindlichen Satellitentechniker ist es eine besondere Herausforderung, solch eine schnelle Verbindung trotz des stark schaukelnden Schiff aufrecht zu erhalten. Um eine dennoch eine lückenlose Übertragung zu gewährleisten, haben sie eine spezielle, mobile Sendeanlage auf dem Peildeck aufgebaut.

Nachdem in der letzten Nacht in Böen bis zu neun Windstärken auftraten, flaute der Wind im Verlauf des Tages leider nur langsam ab. Gegen Mittag waren die Wellen noch über drei Meter hoch, so dass wir mit dem Aussetzten des MARUM-MeBo200 weiter warten müssen. Bei der hier herrschenden Wassertiefe von nur etwa 24 Meter besteht sonst die Gefahr, dass die Schiffsbewegungen sich über den Draht, der das Bohrgerät mit dem Schiff verbindet, auf das MeBo übertragen und es möglicherweise beschädigen. Das MeBo-Team hat die Zeit genutzt, die Position einiger Kameras auf dem System besser auszurichten. Dadurch wird das von Bord der SONNE ferngesteuerte Zusammenschrauben des Bohrgestänges erleichtert.

Gegen 17 Uhr hatte sich der Wind endlich gelegt und die Wellen waren „nur“ noch etwa zwei Meter hoch. Daher entschlossen wir uns, dass das Bohrgerät erneut zu Wasser lassen. Der Sturm hatte jedoch sehr viel Feinmaterial vom Meeresboden aufgewirbelt. Die Sichtverhältnisse unter Wasser waren daher äußerst stark eingeschränkt. Deshalb haben wir beschlossen, das Bohrgerät wieder an Bord zu holen. Jetzt warten wir auf besseres Wetter, um dann einen neuen Versuch in größerer Wassertiefe zu starten.

Logbuch 5_19. Oktober

Sonntag, 19.10.2014, östlich Helgoland

Position: 54 Grad 12 Minuten N, 8 Grad 7 Minuten O
Temperaturen: Wasser: 16,2 Grad C Luft: 16,9 Grad C
Wind: Südwest, 6 Bft.

Im Verlauf des Vormittags haben wir die hydroakustische Vermessung des früheren Elbeurstromtals im Gebiet nordwestlich von Helgoland abgeschlossen. Die vorläufige Auswertung der Daten zeigt eindrucksvoll, dass sich ehemalige Flusstäler im Untergrund befinden. Wir konnten auch feststellen, dass die Rinne durch unterschiedliche Materialien verfüllt wurde.

Parallel zur Vermessung hat das MARUM-MeBo200-Team das Bohrgerät bei strömendem Regen auf dem Achterdeck auf den nächsten Einsatz im Helgoländer Schlickgebiet vorbereitet. Dieses Seegebiet hatten wir schon zu Beginn der Probefahrt vermessen und eine geeignete Position für die Bohrung gefunden.

Wie in einem früheren Logbucheintrag bereits erwähnt, wird das MeBo200 mit Hilfe eines Drahtseils über einen großen Stahlrahmen in Form eines As, der am Heck des Schiffs ausgeschwenkt wird, zu Wasser gelassen. Neben diesem A-Rahmen gibt es auf der SONNE noch eine Vielzahl weiterer Möglichkeiten, wissenschaftliche Geräte zu bewegen und ins Wasser zu lassen. Auf den Aufbauten rund um das Arbeitsdeck stehen vier Kräne zur Verfügung, die bis zu zehn Tonnen heben können. Über bordeigene Winden können wissenschaftlich Geräte in Richtung Meeresboden herabgelassen werden. Mit Drahtlängen zwischen 6,000 und 12,000 Metern sowie Durchmessern von 6 bis 18 Millimetern lassen sich wissenschaftliche Geräte auch in der Tiefsee eingesetzen. Dies ist besonders für zukünftige Expeditionen in den Pazifik notwendig, der im Durchschnitt 4.300 Meter tief ist. An der tiefsten Stelle, im Mariannen Graben, beträgt die Wassertiefe sogar 11.034 Meter. Bei so großen Wassertiefen dauert es mehrere Stunden, bis ein Gerät die Strecke vom Schiff zum Meeresboden zurückgelegt hat.

Um 14 Uhr haben wir die Bohrlokation, etwa acht Kilometer östlich von Helgoland erreicht. Leider hat sich die Wettervorhersage verschlechtert. Für die kommende Nacht sind Böen bis zu 8 Beaufort vorausgesagt. Daher hat der Kapitän entschieden, mit dem Aussetzen des MeBo200 bis morgen früh zu warten.
Abbildung: MARUM, Universität Bremen

Erste Ergebnisse unserer Vermessung des Elbeurstromtals nordwestlich
von Helgoland.

Foto: V. Diekamp, MARUM

Zwei der bordeigenen Kräne des FS SONNE.

Foto: V. Diekamp, MARUM

Der Windenraum befindet sich eine Ebene unter dem Arbeitsdeck der SONNE.

Logbuch 4_18. Oktober

Samstag, 18. Oktober 2014, nordwestlich Helgoland

Position: 54 Grad 28 Minuten N, 6 Grad 42 Minuten O
Temperaturen: Wasser: 16,3 Grad C Luft: 15,4 Grad C
Wind: Süd, 6-7 Bft.

Der Tag begrüßte uns zum Sonnenaufgang mit einem vollständigen Regenbogen. Im Verlauf des Tages hat der Wind leider zugenommen – vermutlich die Vorboten des erstens Herbststurms, der kommende Woche die deutsche Nordseeküste erreichen soll.

Die hydroakustische Vermessung in der letzten Nacht hat klare Hinweise auf tiefe Rinnen im Meeresboden geliefert. Wir vermuten, dass diese Rinnen dort entstanden sind, wo die Elbe während der Eiszeit floss. Nordwestlich von Helgoland hat sich der Fluss laut unserer Vermessung bis zu 30 Meter tief in den Untergrund eingeschnitten. Durch den Meeresspiegelanstieg nach der letzten Eiszeit wurde diese Rinne vollständig verfüllt. Wir wollen mit dem MARUM-MeBo200 die Ablagerungen am Rand der Rinne durchbohren, da sie uns Aufschluss darüber geben können, ob es sich tatsächlich um ein ehemaliges Flussbett handelt.

Um 8 Uhr begann das MeBo-200 Team mit den Vorbereitungen an Deck. Zwei Stunden später ging das System zu Wasser. Nachdem das Gerät im Wasser war, wurde zunächst anhand einer Checkliste die gesamte Steuerung geprüft. Mittags war es dann so weit und das MeBo200 wurde in 37 Meter Wassertiefe am Meeresboden abgesetzt, und die erste Bohrung konnte beginnen. Der komplette Bohrvorgang wird von zwei Technikern über einen Kontrollstand gesteuert, der in einem Container untergebracht ist. Damit die anderen Expeditionsteilnehmer den Bohrvorgang verfolgen können, werden die Bilder von insgesamt 11 Kameras, die sich auf dem MeBo200 befinden, live auf Monitore im ganzen Schiff übertragen.

Über einen hydraulisch angetriebenen Bohrkopf werden Stahlrohre mit etwa zehn Zentimeter Außendurchmesser in den Untergrund gebohrt. Damit das Bohrgestänge in den Untergrund eindringen kann, befindet sich am Kopf des ersten Rohres eine mit Hartmetall besetzte Bohrkrone. Die Bohrung erfolgt in Schritten von 3,5 Metern. Die Rohre des Bohrgestänges haben die wichtige Aufgabe, das Bohrloch zu stabilisieren. In diesen Rohren befindet sich ein weiteres Stahlrohr, in dem sich wiederum ein Plastikrohr befindet. Nach jedem Bohrschritt wird das erbohrte Probenmaterial, das sich in dem innersten Plastikrohr befindet, zusammen mit dem stählernen Innenrohr mit einem Drahtseil aus dem Bohrloch in das MeBo200 gezogen und dort im Magazin verstaut. Anschließend wird ein neues Innenrohr im Bohrgestänge herabgelassen und die nächsten 3,5 Meter können erbohrt werden. Während des gesamten Bohrvorgangs darf sich das Schiff trotz Wellengang, Wind und Strömung nur um wenige Meter um das MeBo200 herum bewegen. Die SONNE verfügt über ein satellitenbasiertes Positionierungssystem, das diese Aufgabe computergestützt problemlos erledigt.

Nach etwas mehr als sieben Stunden war das MeBo200 wieder an Deck der SONNE. In seinen Magazinen die ersten Bohrkerne mit Ablagerungen vom Meeresboden. Während das MeBo200 Team den erfolgreichen Tag mit einer kleinen Feier ausklingen ließ, begann im Hydroakustiklabor bereits die Vorbereitung für ein weiteres nächtliches Vermessungsprogramm.
Foto: V. Diekamp, MARUM

Morning has broken...

Foto: V. Diekamp, MARUM

Im Kontroll-Container des MARUM-MeBo200

Foto: V. Diekamp, MARUM

Geschafft! Nach erfolgreichem Einsatz ist MARUM-MeBo200 wieder an Deck zurück. Links im Bild: Das TV-Team des ARD-Morgenmagazins.

Logbuch 3_17. Oktober

Freitag, 17. Oktober 2014, westlich Helgoland

Position: 54 Grad 16 Minuten Nord, 7 Grad 37 Minuten Ost
Temperaturen: Wasser 16,6 Grad C Luft: 15,6 Grad C
Wind: Nord, 6 Bft.

Wegen eines Lecks im Hydrauliksystem musste das komplizierte System des MeBo200 auf dem Achterdeck der SONNE überprüft werden. Wir nutzen den Tag und die kommende Nacht, um hydroakustische Vermessungen im Seegebiet westlich von Helgoland zu machen. Uns interessiert vor allem der Verlauf des Elbeurstromtals, durch das die Elbe während der letzten Eiszeit geflossen ist. Damals war der Meeresspiegel um etwa 120 Meter gegenüber heute abgesenkt, so dass dieser Teil der Nordsee Festland und von Flüssen durchzogen war, die das Schmelzwasser des nördlich gelegenen Eischildes abtransportierten.

Das Forschungsschiff SONNE ist zur flächenhaften Erkundung des Meeresbodens sowie der darunterliegenden geologischen Strukturen mit mehreren hochmodernen Lotsystemen ausgestattet. Für die Erstellung topographischer Karten des Meeresbodens stehen zwei Fächerlote (Tief- und Flachwasser) zur Verfügung, die bei jeder Lotung einen Streifen des Meeresbodens mit einer Breite von bis zum Vierfachen der Wassertiefe hochauflösend abtasten. So können in vergleichsweise kurzer Zeit genaue morphologische Karten generiert werden, die für Untersuchungen verschiedener Ablagerungsprozesse (z.B. Rutschungsereignisse, untermeerische Canyons, Verwerfungszonen ) unerlässlich sind. Natürlich stellen solche Karten auch die Basisinformation für diverse andere Forschungsaktivitäten dar. „Ohne eine gute Karte des lokalen Meeresbodens ist dessen zielgenaue Beprobung heute nicht mehr denkbar“ sagt der an Bord befindliche Hydroakustiker Hanno Keil.

Mit Hilfe eines sog. parametrischen Echolots, also eines Sedimentecholots, werden Strukturinformation der oberen 10er bis 150 Meter (je nach Bodenbeschaffenheit) der Sedimentablagerungen am Boden erfasst. Dabei dringen die Signale in den Boden ein und werden an Grenzflächen reflektiert. Die erzeugten Bilder helfen beim Verständnis verschiedener Ablagerungsprozesse, die typische Muster von Schichtfolgen bilden. Dazu zählen zum Beispiel ebenfalls Rutschungen, der Einfluss von Bodenströmungen oder aber auch Änderungen des Meeresspiegels. Aus Bohrungen gewonnene Informationen können so auch über eine größere Fläche extrapoliert werden. Und umgekehrt hilft diese Information, geeignete Beprobungslokationen zu definieren.

Neben diesen „großen“ Loten verfügt die SONNE noch über ein Mehrfrequenzfischereiecholot zur Detektion von Fischschwärmen, ein kleines passives Hydrophonsystem zur Bestimmung von Umgebungsgeräuschen sowie einen Doppler-Profil-Strömungsmesser, mit dessen Hilfe sich ein vertikaler Schnitt durch die Strömungsverhältnisse des Meeres berechnen lässt. Im Rahmen unserer Testfahrt setzen wir allerdings nur das Flachwasser-Fächerlot sowie das parametrische Sedimentecholot ein.

Auf dem Weg in das nächste Vermessungsgebiet ging es an Helgoland vorbei. Die einzige deutsche Hochseeinsel präsentierte sich bei aufgelockerter Bewölkung von ihrer schönsten Seite. Die in der Sonne leuchtenden Schichten der roten Buntsandsteinformation waren an der Langen Anna und der Hauptinsel sehr gut zu erkennen. Diese Gesteinsschichten sind fast 250 Millionen Jahre alt und wurden durch darunter liegende Salze an die Erdoberfläche gepresst. Westlich von Helgoland passierten am frühen Nachmittag den Windpark „Meerwind Süd“. Hier sind die Bauarbeiten weitgehend abgeschlossen, und die 80 Turbinen sollen noch in diesem Jahr ans Netz gehen und bis zu 288 Megawatt Strom liefern.
Foto: V. Diekamp, MARUM

Geophysiker Dr. Hanno Keil wertet Echolot-Profile aus.

Foto: V. Diekamp, MARUM

An Steuerbordseite: die Hochseeinsel Helgoland.

Foto: V. Diekamp, MARUM

Blick von der Kommandobrücke: Im Hintergrund der Windpark "Meerwind Süd".

Logbuch 2_16. Oktober

Donnerstag, 16. Oktober 2014, südöstlich Helgoland

Position: 54 Grad 7 Minuten Nord, 8 Grad 1 Minute Ost
Temperaturen: Wasser: 16,5 Grad C Luft: 13,7 Grad C
Wind: Ost, 4 Bft

Nachdem wir während der gesamten letzten Nacht den Meeresboden vermessen hatten, konnten wir heute früh gleich zur ersten Station fahren. Etwas abseits der Hauptfahrrinne der Elbe haben wir mit einem Schwerlot die obersten Meter des Meeresbodens beprobt. Hier, im sogenannten Helgoländer Schlickgebiet, wechseln Lagen von Sand und stärker tonigem Material. Bei einer Wassertiefe von nur etwa 20 Metern konnte das 24 Meter lange Absetzgestell nicht verwendet werden. Daher musste die Besatzung das Lot – im Prinzip ein Hohlzylinder, mit dem die Sedimente am Meeresboden ausgestochen werden – direkt zu Wasser lassen. Gegen 6:30 Uhr hieß es dann auf der neuen SONNE zum ersten Mal: „Kern an Deck“.

Anschließend ging es für die Frühschicht zunächst zum Frühstück. Auf Forschungsschiffen wie der SONNE wird in der Regel rund um die Uhr gearbeitet. Traditionell geben drei Essensgänge den Tagesrhythmus vor, und die Besatzung achtet sehr darauf, dass die Wissenschaftler sich an die vorgegebenen Essenszeiten halten. Auf der neuen SONNE befindet sich die Messe auf dem dritten Deck. Große Fenster bieten schöne Ausblicke auf das Wasser. Leider nahm die Bewölkung im Lauf des Tages wieder zu. Aber dafür ist die See immer noch sehr ruhig und bietet optimale Voraussetzungen für den ersten Test des MARUM-MeBo200 im offenen Wasser.

Nach dem Mittagessen haben wir eine Position fünf Seemeilen südöstlich von Helgoland angelaufen. Hier, am Rand des Helgoländer Schlickgebiets, wollen wir morgen mit dem MeBo200 bohren. Heute testen wir zunächst das Absetzen des Geräts am Meeresboden. Die Vorbereitungen für den Einsatz und das letzte Überprüfen aller Systeme dauern fast zwei Stunden. Wegen der geringen Wassertiefe wurden die vier Beine des Mebo200 mit ihren tellerartigen Füßen bereits wenige Meter unterhalb des Schiffs ausgeklappt. Über eine Vielzahl von Videokameras, die auf dem Bohrgerät verteilt sind, lassen sich alle Vorgänge gut im Kontrollcontainer auf dem Arbeitsdeck überwachen. Um trotz der natürlichen Trübung des Wassers hinreichend gute Sicht zu haben, wurden gestern noch zusätzliche LED-Leuchten und eine weitere Kamera auf dem Bohrgerät installiert. Nach insgesamt fast fünf Stunden hatte MARUM-MeBo 200 auch diesen Test ohne Probleme bestanden. Der ersten Probebohrung steht also nichts mehr im Weg.

Das Fernsehteam des WDR hat das Aussetzen von MeBo200 intensiv genutzt, um einen Beitrag für das Wissenschaftsmagazin nano fertigzustellen. Der wird am Freitagabend um 18:30 auf 3sat ausgestrahlt.

Logbuch 1_15. Oktober

Bremerhaven, Mittwoch, 15. Oktober 2014,
Position: 53 Grad 33 Minuten Nord, 8 Grad 34 Ost

Der Tag begann mit einer ausführlichen Sicherheitsschulung, bei der wir Gelegenheit bekamen, die Rettungsboote von innen kennenzulernen. Mittlerweile ist das wissenschaftliche Team komplett an Bord gegangen. Vormittags wurden die Vorbereitungen für einen ersten Test des MARUM-Mebo200 im Hafenbecken abgeschlossen. Dazu wurde u.a. der 33 Millimeter dicke Draht der Winde über eine Rolle mit dem sogenannten A-Rahmen auf dem Achterdeck des Schiffes verbunden. Das mag einfach klingen, bedeutet aber körperliche Schwerstarbeit für die MARUM-Techniker. Ausgesetzt wird das zehn Tonnen schwere Gerät mit einem hydraulisch angetriebenen Schlitten, der in den Tagen zuvor auf dem Arbeitsdeck der SONNE installiert wurde. Während des Hafentests überprüften die Techniker die Funktion der 3000 Volt-Stromversorgung ebenso wie die Funktion der zentralen beweglichen Teile. Nach zwei Stunden dann die Nachricht: Das System funktioniert und ist einsatzbereit!

Gleichzeitig haben sich die Kollegen vom ARD-Morgenmagazin auf die erste Live-Schaltung vorbereitet. In den Laboren, in denen sonst Wissenschaftler ihre Proben bearbeiten und Daten analysieren, sieht es jetzt eher aus wie in einem Fernsehstudio. Für die Live-Übertragung wurde eigens eine Satellitenanlage installiert. Dies war notwendig, da die Übertragungsrate der Verbindung, die die SONNE normalerweise nutzt, für Fernseh-HD-Qualität nicht ausreicht.

Um 15:00 hieß es dann: „Leinen los“ zur sechsten Testfahrt der neuen SONNE. Nach dem Ablegen passierten wir die riesigen Autoverladeflächen und den fünf Kilometer langen Containerterminal. Mit diesen Eindrücken vom weltweit größten PKW-Umschlagplatz ging es Richtung Wesermündung und dann mit nördlichem Kurs in die Deutsche Bucht.

Über Nacht wollen wir den Meeresboden in der Elbmündung mit hydroakustischen Signalen untersuchen. Dabei werden vom Rumpf der SONNE fächerartig Schallwellen ausgestrahlt. Die empfangenen Echos erlauben es, den Meeresboden genau zu kartieren. Schallwellen, die in den Meeresboden eindringen, geben Aufschlüsse über die Struktur des Untergrunds. Diese Voruntersuchungen sind notwendig, um optimale Positionen für den ersten Einsatz des MARUM-MeBo200 und für weitere geologische Beprobungen des Meeresbodens festzulegen.