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Die stürmische Woche der Expedition

PS119 – 7. Wochenbericht, 20. bis 26.5.19

Die rasche Wetteränderung, die uns am letzten Wochenende heimsuchte, war beispielhaft für die gesamte letzte Woche. Am Samstag konnten wir zwar noch den 450. Tauchgang des ROV MARUM-QUEST im Spreizungsegment E2 des Ost-Scotia Rückens durchführen, aber der Sturm am Sonntag, den wir im Windschatten der Insel Zavodovski abwetterten, zeigte uns, dass hier der antarktische Winter beginnt. Erst am Montag, den 27. Mai um 4:00 Uhr Schiffszeit verließen wir den Schutz der nördlichsten der elf Südsandwich Inseln, um nach Westen in Richtung des Hydrothermalgebietes E2 zu dampften. Von zwei geplanten Schwerelot-/Multicorer-Stationen konnten wir aus Zeitgründen nur eine verwirklichen, wobei Sandlagen vulkanischer Komponenten beprobt wurden, deren Ursprung im Vulkanbogen liegt.

Windenfahrer im Windenleitstand der POLARSTERN beim Geräteeinsatz. Foto: Vdl
Während es draußen im Schneetreiben recht ungemütlich ist, sitzt der Windenfahrer im Windenleitstand der POLARSTERN beim Geräteeinsatz trocken und sicher. Foto: Vdl
ROV MARUM-QUEST am Heckgalgen von FS POLARSTERN. Foto: MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften, Universität Bremen; Volker Ratmeyer
ROV MARUM-QUEST wird am Heckgalgen von POLARSTERN zu Wasser gelassen. Der hintere Bereich des Arbeitsdecks ist von ROV-Fahrzeug, -Winde und -Container fast vollkommen belegt. Foto: MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften, Universität Bremen; Volker Ratmeyer

In E2 angekommen war zunächst ein OFOBS-Profil geplant, wobei wir in Ost-West-Richtung das bereits bekannte Hydrothermalgebiet mit hochauflösender Mikro-Bathymetrie vermessen wollten. Die Wettervorhersage vom Montagmorgen führte uns zu einer anderen Entscheidung.

Zum sicheren Tauchen mit ROV MARUM-QUEST brauchen wir stabile Wetterbedingungen mit Wellenhöhen unter drei Metern für mehrere Stunden. Wir schauen daher nach solchen Bedingungen im gesamten Arbeitsgebiet der Südsandwichplatte zwei bis drei Tage im voraus.

Das Arbeitsgebiet erstreckt sich allerdings über fünf Breitengrade und acht Längengrade und unser Meteorologe ist eifrig bemüht uns die günstigsten Tauchbedingungen in allen Regionen des Arbeitsgebietes vorherzusagen. Aufgrund der kleinräumigen Hochs und Tiefs und ihrer Wanderung ist dies nicht sehr einfach. So wurde am Montagmorgen klar, dass am morgigen Dienstag und Mittwoch, nur Tauchbedingungen im südlichsten Teil im Bereich der Kemp Caldera zu finden sein werden. Da im Norden auch die längere Wetterprognose den Einsatz des ROV nicht möglich erscheinen ließ, dampfte POLARSTERN sofort in Richtung Süden zur Kemp Caldera. Dabei konnte ein breiter Streifen Multibeamkartierung an die bereits vorhandene Kartierung des zentralen Spreizungszentrums angeschlossen werden. Am Abend des 21. Mai sollte dann der nächste Tauchgang beginnen.

Wir mussten allerdings lernen, dass aus technischen Gründen mit dem Fahrzeug kein Tauchgang auf dieser Reise mehr ermöglicht werden kann und dampften sogleich in Richtung Saunders Island. Dort konnte das Team der Vulkanologen am Mittwoch, den 22. Mai die photogrammetrische Kartierung der Vulkaninsel fortsetzen. Während bei der Vermessungszeit zuvor die Nordost-Seite der Cordelia Bucht und Teile der Südost-Flanke mit den Ashen Hills kartiert wurden, konnten mit Drohnenflügen die westlichen und nördlichen Inselbereiche aufgenommen werden. Wichtige Daten, die eine topographische Karte in bis zu 10 Zentimeter Auflösung erlauben, wurden mit optischer Kamera und Infrarotkamera durch Drohnenvermessung gewonnen. Nach Sonnenuntergang dampfte POLARSTERN nach Nordwesten zum Spreizungsrücken. Dort wurden am Donnerstag, den 23. Mai mehrere Sediment- und Wasserbeprobungen in einer Region durchgeführt, die Plume-artige Strukturen in der Wassersäule zeigte. Schon in der Nacht zum Freitag kam der nächste Sturm, dem wir aus Zeitgründen nicht ausweichen konnten.

Bordwetterwarte von FS POLARSTERN. Foto: MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften, Universität Bremen; Gerhard Bohrmann
Blick in die Bordwetterwarte von FS POLARSTERN, die von Mitarbeitern des Deutschen Wetterdienstes Hamburg betrieben wird. Foto: MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften, Universität Bremen; Gerhard Bohrmann

Die Bordwetterwarte hatte uns Zeitpunkt und Verlauf des Sturms vorausgesagt, sodass wir die Geräteeinsätze sehr gut nach der meteorologischen Vorhersage planen konnten. Obwohl das Wettermodel des Deutschen Wetterdienstes nur wenige Bodenstationen sowie die Schiffs- und Satellitendaten nutzt, ist es erstaunlich genau. Sehr wichtige Basisdaten dafür, wie Temperatur, Feuchte, Luftdruck und mittels GPS-Analyse auch Geschwindigkeit und Richtung der Luftpartikel werden durch die täglichen Radiosonden-Aufstiege bis in 30-35 Kilometer über der Wasseroberfläche durch die Mitarbeiter des DWD auf POLARSTERN selbst ermittelt. Zweimal am Tag bekommen wir eine aktuelle Wettervorhersage, die uns auf der Reise ein sehr wichtiges Entscheidungskriterium zur Stationsauswahl ist.

Auch das Team der Walbeobachter der Universität Hamburg ließ sich von den Wetterbedingungen nicht beirren. Auf Grund von häufiger Vereisungsgefahr und starken Stürmen war der Einsatz des Helikopters für gezielte Zählflüge über dem offenen Meer nicht immer möglich. So wurde auch das Krähennest über der Brücke von POLARSTERN für systematische Walerfassungen genutzt. Den Umweltbedingungen trotzend, konnten so wichtige Daten zum Vorkommen und zur Verteilung von Walen, insbesondere Finnwalen in der Region gesammelt werden.

Finnwal.Foto: Sacha Viquerat
Luftaufnahme eines Finnwals während eines Zählflugs. Deutlich erkennbar die langgezogene, flache Finne und der weiße rechte Unterkiefer. Foto: Sacha Viquerat

Zusammen mit Daten aus vorherigen Erfassungskampagnen an Bord von POLARSTERN wird es demnächst möglich sein, eine verlässliche Abschätzung zum Vorkommen und zur Verteilung von Walen im Untersuchungsgebiet zu erstellen.

Zum Wochenende hin haben wir den zweiten Sturm dieser Woche und seine Auswirkungen hinter uns gebracht und die letzten Stationsarbeiten werden durchgeführt. Von den abschließenden Arbeiten und der Rückfahrt nach Port Stanley werden wir in der kommenden Woche berichten. Alle Expeditionsteilnehmer sind wohlauf. Es grüßt bei mittlerweile minus 6°C Außentemperatur im Namen aller Fahrtteilnehmer,

Gerhard Bohrmann, FS POLARSTERN, Sonntag, der 26. Mai 2019