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Weiße Raucher und gelber Schwefel der Kemp Caldera

PS119 – 5. Wochenbericht, 6. bis 12.5.19

Bathymetrische Karte der Kemp Caldera
Zusammengestellte bathymetrische Daten verschiedener Quellen zeigen die Kemp Caldera (links) neben dem Kemp Seamount und der Adventure Caldera. Karte: MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften, Universität Bremen; Paul Wintersteller

Am Sonntag, den 5. Mai erreichten wir die Kemp Caldera, eine prominente vulkanische Kraterstruktur am Südende des Südsandwich Vulkanbogens. Die Caldera mit einem mittleren Durchmesser von 7,4 Kilometern ist im Zentrum 1.600 Meter tief und hat einen breiten Rand mit etlichen Parasitärkegeln in 800 bis 900 Meter Wassertiefe. Ein jüngerer Vulkankegel überragt den westlichen Kraterboden um etwa 200 Meter. An seinen Flanken hatten unsere britischen Kollegen zuvor schon hydrothermale Aktivitäten beobachtet. Eine erste CTD-Sonden-Messung über dem bekannten Hydrothermalfeld am Sonntag, den 5. Mai, bestätigte, dass es hier weiterhin hydrothermale Aktivität gibt. Neben einer deutlich erhöhten Trübung wurden nahe der Hydrothermen erhöhte Temperaturen sowie Anomalien im Redoxpotenzial und im Methangehalt des Wasserkörpers festgestellt.

Am Montag, den 6. Mai führten wir zunächst eine Schwerelot- und Multicorer-Beprobung auf halbem Weg zwischen der Caldera im Osten und dem Segment E9 des Ost-Scotia Rückens im Westen durch. Es folgte in der Nacht von Montag auf Dienstag eine weitere CTD-Beprobung sowie eine Profilvermessung mit dem OFOBS (Ocean Floor Observation Bathymetry System). Am Dienstag, den 7. Mai war es endlich soweit und wir konnten einen langen Tauchgang mit dem Tauchroboter MARUM-QUEST in der Kemp Caldera mit über elf Stunden Bodenzeit durchführen.

ROV MARUM-QUEST
Technische Vorbereitungen am ROV MARUM-QUEST bevor der Tauchroboter zu den Hydrothermalquellen des Ost-Scotia Rückens abtaucht. Foto: vdl

Begonnen hatten wir den Tauchgang an einer Lokation namens „Great Wall“, die ihren Namen von einem herausgewitterten Ganggestein hat, das an vielen Stellen mit gelbem Schwefel bzw. mit weißen Bakterienmatten überdeckt ist. Einzelne Schornsteine scheinen vollkommen aus Schwefel zu bestehen und beim Abbrechen von Schwefelstücken zeigte sich die frische gelbe Farbe elementaren Schwefels. Schwefel konnten wir ebenfalls in einem weiteren Gebiet 100 Meter südöstlich, das als „Winter Palace“ bekannt ist, sehen. Der Schwefel trat direkt vor unseren Kameralinsen in flüssiger Tropfenform auf, bevor er sich zu perlenartigen Strukturen im kalten Meerwasser verfestigte.

Weiße Raucher. Foto: MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften, Universität Bremen
Im Gegensatz zu dunklen Partikelwolken der Schwarzen Rauchern stoßen die Weißen Raucher helle Partikel aus, die bei etwas geringeren Hydrothermaltemperaturen beim Austritt ins Meerwasser gebildet werden. Foto: MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften, Universität Bremen

Die Region ist durch zahlreiche weiße Raucher gekennzeichnet, die eine helle Trübung im Bodenwasser verursachen. Mit unseren Fluid-Probennehmern haben wir die austretenden Fluide beprobt, um ihre chemische Zusammensetzung zu analysieren. Das austretende heiße Wasser, in dem verschiedene Stoffe in hohen Konzentrationen gelöst enthalten sind, vermischt sich mit dem kalten Meerwasser. Dabei scheiden sich die gelösten Substanzen in Form von feinen Mineralpartikeln ab, die einerseits die Schornsteine selbst aufbauen und zum anderen helle Wolkenkegel bilden.

Weiße Raucher haben generell geringere Temperaturen als Schwarze Raucher, und in den weißen Wolken werden helle Minerale, wie Anhydrit, Opal und Baryt präzipitiert, während bei den Schwarzen Rauchern sulfidische Metalle abgeschieden werden. Welche Minerale durch die Weißen Raucher der Kemp Caldera ausgeschieden werden, können wir erst nach der Analyse der Fluide und der Gesteinsproben wissen. Der fantastische Tauchgang, der über die Telepräsenz von zahlreichen Interessierten an Land begleitet wurde, war nicht nur am Meeresboden spannend, sondern auch auf der Brücke. Dort wurde ein 700 Meter langer Tafeleisberg etwa 2,5 nautische Meilen südlich unserer ROV-Position beobachtet, der sich langsam auf uns zubewegte und etwa nach der ersten Hälfte des Tauchganges auf 1,6 Meilen herangedriftet war. Beinahe hätten wir früher als geplant auftauchen müssen. Doch zum Glück änderte der Eisberg seine Richtung und passierte POLARSTERN an der Backbordseite in genügend großem Abstand.

 

Als Teil des wissenschaftlichen Programms führen unsere Biologen Experimente zum Verständnis der Biologie von hydrothermal-assoziierten Organismen durch. Dazu wurden im Sediment lebende vesicomyide Muscheln der Art Laubiericoncha puertodeseadoi mit MARUM-QUEST lebend geborgen und in Aquarien auf dem Schiff weiter versorgt. Das Bodenwasser der Caldera hat eine Temperatur von 1°C, und der vulkanische Einfluss erwärmt das Sediment auf etwa 5°C.

Chemosynthetisch-lebende Muscheln. Foto: MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften, Universität Bremen
Chemosynthetisch-lebende Muscheln mit ausgestrecktem Siphonen in Sedimenten der Kemp Caldera, teilweise oder ganz eingegraben. Foto: MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften, Universität Bremen

Die Tiere wurden an Bord in zwei Temperaturklassen aufgeteilt, wobei eine Gruppe bei 2°C und die andere bei 10°C gehalten wurde. Verschiedene Messungen z.B. des Sauerstoffverbrauchs der Tiere lassen Rückschlüsse auf die Temperaturverträglichkeit zu.

Am Mittwoch, den 8. Mai beprobten wir ein Sedimentbecken östlich der Riftachse von Segment E9, das von zwei Hochschollen magmatischer Gesteine eingegrenzt wird. Die hervorragende akustische Eindringung der Parasoundanlage zeigte uns eine Sedimentabfolge von mehr als 50 Meter. Mit dem Kolbenlot konnten wir fast 12 Meter hervorragend geschichtete Ablagerungen beproben, die eine bunte Abfolge von hemipelagischen Sedimenten mit teilweise vulkanischen und hydrothermalen Komponenten beinhalten. Unsere Geochemiker erfreute dies, denn sie untersuchen in mehreren Sedimentkernen, wie weit hydrothermale Partikel mit der Ostströmung vom Spreizungsrücken entfernt transportiert werden können.

Am Donnerstag, den 9. Mai verließen wir dieses südlichste Arbeitsgebiet für zwei Tage, um im Rückensegment E5 nach hydrothermalen Aktivitäten zu suchen. Dieses Rücksegment besitzt wie E2 und E9 eine Magmenkammer, die in relativ geringem Abstand zum Meeresboden liegt, sodass die Existenz einer hydrothermalen Zirkulation mit Fluidaustritten und anderen Hot Vent-Erscheinungen am Meeresboden wahrscheinlich ist. Die größte Wahrscheinlichkeit, neue Fluidaustritte zu finden, lag in der Untersuchung einer axialen Hochlage des Rifttals im zentralen Bereich. Dort führten wir eine CTD-Messung und ein Messprofil mit dem OFOBS durch. Kleine Anomalien in der Trübung, und auch im Methangehalt waren zwar prinzipiell zu sehen, sie waren aber zu unspezifisch, sodass wir beschlossen, hier nicht weiter nach Vents zu suchen.

Auf dem Rückweg zur Kemp Caldera, den wir mit Kartierung des Meeresbodens auf der Westseite des Back-Arc Spreizungsrückens verbunden haben, kamen wir einem Eisberg sehr nahe. Als dann die ersten Pinguine auf dem Eisberg gesehen wurden, war die Freude groß, und die Aufmerksamkeit nicht mehr zu bremsen.

Alle Fahrteilnehmer sind wohlauf. Es grüßt im Namen aller Fahrtteilnehmer

Gerhard Bohrmann, FS POLARSTERN, Montag, den 13. Mai 2019