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Südgeorgien das Tor zur Antarktis

PS119 – 2. Wochenbericht, 16. bis 22.4.19

Nach dem Auslaufen in Punta Arenas und der achtstündige Passage durch die Magellan Straße begab sich FS POLARSTERN auf einen viertägigen Transit in Richtung Südgeorgien. Diese Zeit ohne Stationsarbeiten wurde von den 51 Wissenschaftlern aus Deutschland, USA, Costa Rica, Österreich, Großbritannien, Bosnien und Herzegowina, Chile, Taiwan, Frankreich, Indien, Slowenien, Spanien und der Schweiz zur weiteren Einrichtung der Labore und zum intensiven Austausch über die wissenschaftlichen Themen der Fahrt genutzt. So wurden täglich zwischen Nachmittagskaffee und Abendbrot Vorträge gehalten, die in die Diskussion der relevanten Themen unserer Fahrt einführten.

Gasbeprobung. Foto: vdl
Gasbeprobung am gerade geborgenen Schwerelot auf dem Arbeitsdeck von Polarstern bei Lufttemperaturen um minus 2°C. Foto: vdl

POLARSTERN dampfte über den breiten argentinischen Schelf nach Osten wobei wir nach knapp zwei Tagen größere Wassertiefen von mehr als 3.000 Meter im Falklandtrog, einer langestreckten Einkerbung zwischen dem Falklandplateau und der Burdwood Bank bzw. des nördlichen Scotia Rückens erreichten. Nach Überquerung des ebenfalls flacher als 1.000 Meter aufragenden Nord-Scotia Rückens begannen wir im Scotiameer mit batymetrischen und sedimentechographischen Vermessungen durch die schiffseigenen Hydrosweep- und Parasound -Anlagen. Dabei wählten wir auf unserem Weg nach Osten Kurslinien aus, die noch unkartierte Meeresbodenareale überdeckten, um so die noch vorhandenen großen Lücken der Meeresbodenvermessung in diesem Gebiet zumindest teilweise zu schließen.

Nachdem wir am vierten Tag, am Freitag den 19. April, die südwestlich Südgeorgiens vorgelagerte Tiefsee erreichten,  begannen wir am frühen Samstagmorgen mit der Parasoundvermessung von Sedimentwellen. Diese Sedimentwellen, die sehr wahrscheinlich durch die Bodenströmungen moduliert wurden, dokumentieren durch höhere Sedimentationsraten die Paläozeanographie des antarktischen Zirkumpolarstromes und wurden daher zur Beprobung ausgesucht. Zwei Schwerlot- und eine Multicorer-Beprobung dieser Strukturen führten wir daher im Verlaufe des Samstags bei recht unruhiger See und Winden zwischen Beaufort 6 und 7 durch.

Akustischen Messung der Wassersäule. Foto: MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften, Universität Bremen
Die Aufzeichnung der akustischen Messung der Wassersäule und des 170 Meter tiefen Meeresbodens zeigte, wie vor zwei Jahren auf FS METEOR eine deutliche Gasaustrittsstelle, die als Paradise Flare bekannt wurde. Foto: MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften, Universität Bremen

Die am AWI geplanten multi-proxy Untersuchungen dieser Sedimente sollen neue Erkenntnisse zur räumlichen Variabilität der Oberflächen – und Tiefwasserzirkulation während des letzten orbitalen Klimazyklus aufzeigen. Die Meeresbereiche in der Umrandung von Südgeorgien sind aufgrund eines möglichen Eiseneintrages und der damit zusammenhängenden möglichen erhöhten Produktivität von besonderem Interesse für die Palä-Ozeanographie. Für Sonntag, den 21. April sollte das Wetter sich etwas bessern, und wir planten unseren ersten Tauchgang mit dem ROV MARUM-QUEST, um an der sogenannten Paradise Flare die Austrittstelle von Gasblasen zu untersuchen. Paradise Flare wurde während der METEOR Expedition M134 im Jahre 2017 auf einer von Eisbergen zerfurchten Ebene südlich von Paradise Beach in 170 Meter Wassertiefe in akustischen Aufnahmen der Wassersäule über dem Meeresboden entdeckt und konnte damals aufgrund schlechten Wetters nicht näher untersucht werden.

Wiederum hat uns das Wetter am Sonntag und Montag für eine detaillierte Untersuchung keine Gelegenheit gegeben. Wir konnten allerdings den neuen Multifunktionsschlitten der Tiefseegruppe des AWI, genannt OFOBS an der Lokation einsetzen und neben einer optischen Begutachtung der Umgebung der Paradise Flare am Boden auch eine bathymetrische Vermessung des Meeresbodens mit dem Fächerecholot des Schlittens durchführen.

OFOBS. Fotos: Katrin Linse
Der OFOBS, ein Video- und Fotoschlitten des AWI mit vielen zusätzlichen Sensoren und einem Side-Scan-Sonar ausgerüstet, geht zu Wasser (links). Rechts: Einsatzbereich der Wissenschaftler auf dem Windenleitstand. Fotos: Katrin Linse

Am Nachmittag des Ostersonntags ging es in den Drygalski Fjord, der sich vom südöstlichsten Ende von Südgeorgien tief in die Insel einschneidet. Während der Eingang zum Fjord zwei Kilometer breit ist, verjüngt sich der Fjord auf etwa 800 Meter, und von POLARSTERN aus hatte man einen fantastischen Ausblick auf die steilen Bergflanken, die Gletscher, und die geologischen Formationen dieser ältesten Gesteine Südgeorgiens gewinnen können. In der Mitte des Fjords haben wir einen Sedimentkern in einem eng umgrenzten Becken gewonnen, dessen chemische Signatur besonders interessant für unsere Geochemiker ist. Die Beprobung gelang, und der Abend des Ostersonntags wurde als Grillabend auf dem Arbeitsdeck und im Laderaum der POLARSTERN zelebriert.

Am Ostermontag, den 22. April, war es wie erwartet leider auch zu stürmisch, um unseren ersten Tauchgang am Paradise Flare durchzuführen, und wir nutzen diesen Tag, um eine Serie von Sedimentkernen aus den verschiedenen Subbecken des Drygalski Troges und einen Multicorer zu bergen. Hohe Sedimentablagerungen in einigen Fjorden und glazial erodierten Kanälen von Südgeorgien haben hervorragend das jüngere Gletscherverhalten und Klimaveränderungen archiviert. Die subpolare Südgeorgische-Eiskappe reagiert empfindlicher auf klimatische Veränderungen, als die viel größeren und isolierteren antarktischen Eisschilde und ist daher ein Hauptziel für Untersuchungen der Sedimentkernuntersuchungen zum besseren Verständnis der Klimaschwankungen der südlichen Hemisphäre.

FS POLARSTERN. Foto: vdl
FS POLARSTERN in dem nach Erich von Drygalski, dem Expeditonsleiter der ersten Deutschen Antarktis-Exepdition mit der Gauss benannten Fjörd. Die im Hintergrund mit Neuschnee bedeckten Berge werden aus jurassischen Kissenbasalten aufgebaut. Foto: vdl

Leider erlaubt uns die Wetterlage frühestens am Mittwoch den ersten Tauchgang durchzuführen, und so haben wir uns dazu entschieden am Dienstag zum Ost-Scotia-Rücken zu dampfen, um dort an den Hydrothermalquellen des Segmentes E2 mit dem Tauchen zu beginnen. Ein Hochdruckkeil aus Norden, der sich westlich von uns einschiebt, verspricht ein paar Tage besseres Wetter, welches wir gerne zum Tauchen intensiv nutzen möchten.

 

Abgesehen von wenigen Erkälteten sind alle Wissenschaftler wohlauf.

Es grüßt im Namen aller Fahrtteilnehmer

Gerhard Bohrmann, FS POLARSTERN, Montag, den 22. April 2019