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Leben im Rauch der Unterwasservulkane

09.03.2023
Der Schwarze Raucher namens Enceladus im Aurora Vent Field (Quelle: HACON cruise 2021, REV Ocean).
Der Schwarze Raucher namens Enceladus im Aurora Vent Field (Quelle: HACON cruise 2021, REV Ocean).

Die arktische Tiefsee liegt fernab der lebensspendenden Energie der Sonne, und nur winzige Mengen an organischem Material, welches Leben speist, kommen dort an. Einige Bakterien nutzen stattdessen die Energie, die von unterseeischen Vulkanen freigesetzt wird. Auf Expeditionen mit dem Forschungsschiff Polarstern haben Forschende aus Deutschland nun Bakterien entdeckt, die auf einzigartige Weise an diese Geoenergie angepasst sind. Sie beschreiben die Rolle dieser Bakterien für die biogeochemischen Kreisläufe im Meer.

Tief im Ozean, an den Grenzen tektonischer Platten, bilden Unterwasservulkane sogenannte hydrothermale Quellen. An diesen Quellen tritt heiße, sauerstofffreie Flüssigkeit aus, die große Mengen an Metallen wie Eisen, Mangan oder Kupfer enthält. Wenn sich das heiße Wasser mit dem umgebenden kalten und sauerstoffhaltigen Seewasser mischt, entstehen hydrothermale Schwaden mit rauchähnlichen Partikeln aus Metallsulfid. Diese Schwaden steigen Hunderte von Metern über dem Meeresboden auf und verteilen sich Tausende von Kilometern. Hydrothermale Schwaden scheinen ein riskanter Ort zu sein, um dort heimisch zu werden. Das hindert bestimmte Bakterien aber nicht daran, genau dort zu wachsen und zu gedeihen, wie eine jetzt in Nature Microbiology veröffentlichte Studie zeigt.

Mehr als nur vorübergehende Besucher?

„Wir haben die Bakterien der Gattung Sulfurimonas genau unter die Lupe genommen,” sagt Erstautor Massimiliano Molari vom Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie in Bremen. Von diesen Bakterien war bisher nur bekannt, dass sie in sauerstoffarmen Lebensräumen wachsen. Gensequenzen von ihnen wurden vereinzelt aber auch in hydrothermalen Schwaden nachgewiesen. „Man ging davon aus, dass sie aus den Lebensräumen rund um die heißen Quellen am Meeresboden dorthin gespült wurden. Wir fragten uns aber, ob nicht die Schwaden selbst ein geeigneter Wohnort für manche Mitglieder der Sulfurimonas-Gruppe sein könnten.“

Harte Bedingungen für die Probenahme

Gemeinsam mit Kollegen des Alfred-Wegener-Instituts, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) in Bremerhaven und des MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften der Universität Bremen machte sich Molari daher auf eine schwierige Forschungsreise zu hydrothermalen Quellen in der zentralen Arktis und im Südatlantik, um ihre Hypothese zu überprüfen. „Wir sammelten unsere Proben in extrem abgelegenen Regionen von besonders langsamen Spreizungsrücken, die noch nie untersucht worden waren. Es ist sehr kompliziert, Proben aus hydrothermalen Ablagerungen zu gewinnen, da sie schwer zu lokalisieren sind. Noch schwieriger wird es, wenn sich die Schwaden in Tiefen von mehr als 2500 Metern und unter dem arktischen Meereis oder in den stürmischen Zonen des Südpolarmeeres befinden,“ erklärt Antje Boetius, Gruppenleiterin am Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie und Direktorin des AWI, die die Arktis-Missionen leitete. An Bord des Forschungsschiffs Polarstern gelang es den Forschenden dennoch, Proben zu sammeln und anhand dieser die Zusammensetzung und den Stoffwechsel der Bakterien zu untersuchen.

Gut ausgerüstet und weit verbreitet

Molari and seine Kolleginnen und Kollegen identifizierten eine neue Sulfurimonas-Art namens USulfurimonas pluma (das hochgestellte "U" steht für unkultiviert, also nicht im Labor kultiviert), die in den kalten, sauerstoffgesättigten Hydrothermalfahnen lebt. Dieses Bakterium nutzt Wasserstoff aus der Schwade als Energiequelle. Die Forschenden untersuchten auch das Genom der Mikroorganismen und stellten fest, dass es stark reduziert ist. Es fehlen Gene, die für andere Arten typisch sind. Mit anderen Genen sind sie aber gut ausgestattet, um in dieser dynamischen Umgebung wachsen zu können.

„Wir vermuten, dass die Hydrothermalschwade nicht nur Mikroorganismen aus hydrothermalen Schloten verbreitet, sondern auch eine ökologische Verbindung zwischen dem offenen Ozean und den Lebensräumen auf dem Meeresboden herstellen kann. Unsere phylogenetische Analyse deutet darauf hin, dass USulfurimonas pluma von einem Vorfahren abstammen könnte, der mit hydrothermalen Schloten assoziiert war, aber eine höhere Sauerstofftoleranz entwickelte und sich dann über die Ozeane verbreitete. Dies muss jedoch noch weiter untersucht werden,“ so Molari.

Ein Blick auf die Genomdaten aus anderen Schwaden zeigte, dass USulfurimonas pluma in solchen Lebensräumen überall auf der Welt wächst. „Offensichtlich haben sie eine ökologische Nische in kalten, sauerstoffgesättigten und wasserstoffreichen Hydrothermalschwaden gefunden“, sagt Molari. „Wir müssen wohl unsere Vorstellungen über die ökologische Rolle von Sulfurimonas in der Tiefsee überdenken. Sie könnte viel wichtiger sein, als wir bisher dachten.“

Die hydrothermalen Schlote von Aurora am Gakkel-Rücken in der zentralen Arktis. Ein Schnappschuss eines hydrothermalen Schlots (oben links, gekennzeichnet durch den roten Pfeil) und von Schornsteinen (gelb-orangefarbene Strukturen auf der rechten Seite), aufgenommen vom Unterwasser-Kamerasystem OFOS, der es ermöglichte, die Lage der hydrothermalen Quellen auf der Expedition PS86 zu identifizieren (Quelle: Cruise report).
Die hydrothermalen Schlote von Aurora am Gakkel-Rücken in der zentralen Arktis. Ein Schnappschuss eines hydrothermalen Schlots (oben links, gekennzeichnet durch den roten Pfeil) und von Schornsteinen (gelb-orangefarbene Strukturen auf der rechten Seite), aufgenommen vom Unterwasser-Kamerasystem OFOS, der es ermöglichte, die Lage der hydrothermalen Quellen auf der Expedition PS86 zu identifizieren (Quelle: Cruise report).

 

Originalveröffentlichung:

Massimiliano Molari, Christiane Hassenrueck, Rafael Laso-Pérez, Gunter Wegener, Pierre Offre, Stefano Scilipoti, and Antje Boetius (2023): A hydrogenotrophic Sulfurimonas is globally abundant in deep-sea oxygen-saturated hydrothermal plumes. Nature Microbiology, March 2023. DOI: https://doi.org/10.1038/s41564-023-01342-w

 

Beteiligte Institutionen:

  • Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie, Bremen, Deutschland
  • Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung, Bremerhaven, Deutschland
  • MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften, Universität Bremen, Deutschland
  • Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde (IOW), Rostock, Deutschland
  • NIOZ, Royal Netherlands Institute for Sea Research, Den Burg, Niederlande
  • Center for Electromicrobiology, Abteilung für Biologie, Universität Aarhus, Aarhus, Dänemark
Das Team Geomikrobiologie und Biologie unter der Leitung von Prof. Dr. Antje Boetius. Hintere Reihe, von links: Gunter Wegener, Massimiliano Molari, Mirja Meiners, Rafael Stiens, Antje Boetius, Fabian Schramm, Norbert Rieper. Vordere Reihe: Andreas Türke, Yann Marcon (Foto: Alfred-Wegener-Institut / Stefanie Arndt).
Das Team Geomikrobiologie und Biologie unter der Leitung von Prof. Dr. Antje Boetius. Hintere Reihe, von links: Gunter Wegener, Massimiliano Molari, Mirja Meiners, Rafael Stiens, Antje Boetius, Fabian Schramm, Norbert Rieper. Vordere Reihe: Andreas Türke, Yann Marcon (Foto: Alfred-Wegener-Institut / Stefanie Arndt).

Kontakt

Dr. Massimiliano Molari
HGF-MPG Brückengruppe für Tiefsee-Ökologie und -Technologie
Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie
Telefon: +49 421 2028-6590
E-Mail: [Bitte aktivieren Sie Javascript] 

Dr. Fanni Aspetsberger
Pressereferentin
Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie
Telefon: +49 421 2028-9470
E-Mail: [Bitte aktivieren Sie Javascript]

Weitere Informationen:

Link zur Pressemitteilung des MPI Bremen