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Logbuch Maria S. Merian 20/4

Am 14. März 2012 startete das deutsche Forschungsschiff MARIA S. MERIAN von Barbados aus zu einer Expedition in den südlichen Golf von Mexiko und die Florida Straße. Das internationale Wissenschaftlerteam an Bord untersucht die Vorkommen von Kaltwasserkorallen in Wassertiefen von 300 bis 900 Metern. Im Gegensatz zu ihren tropischen Artgenossen, die in flachen und warmen Gewässern leben, kommen Kaltwasserkorallen in wesentlich kälteren Zonen und in Tiefen von bis zu 1200 Metern vor. Auch Kaltwasserkorallen bauen Riffe aus ihren Kalkskeletten auf und bilden so einzigartige Ökosysteme, die vielen anderen Tiefseebewohnern als Lebensraum dienen. Mit Hilfe des Tauchroboters MARUM-CHEROKEE können die Wissenschaftler den Meeresboden erkunden, Messungen vornehmen und Proben einsammeln.

25 Tage lang werden die Bremer Meeresforscher vom MARUM zusammen mit Kollegen aus Deutschland, den USA, Italien und Mexiko die Lebensräume in der Tiefsee untersuchen. Besonders interessiert die Forscher, ob die Ölpest im Golf von Mexiko, ausgelöst durch den Untergang der Ölbohrplattform Deepwater Horizon am 20. April 2010, direkte Auswirkungen auf die Kaltwasserkorallen hatte. Begleitet werden die Wissenschaftler von Thomas Willke, einem Korrespondenten der Zeitschrift bild der wissenschaft. In diesem Logbuch berichtet er regelmäßig vom Leben und Arbeiten an Bord des Forschungsschiffes.

Samstag, 7. April

Freeport Harbour

Pünktlich um 0800 erreichte die Merian Freeport Harbour auf der Insel Grand Bahama. Draußen auf dem Kai warteten schon Kollegen aus den USA und Deutschland, die mit der Merian den Mittelatlantischen Rücken untersuchen wollen. Neben ihnen auf dem Kai stand ein riesiger mobiler Kran, der innerhalb von 4 Stunden alle Container vom Achterdeck herunterholte und das Schiff mit den neuen Containern belud. Am Nachmittag erinnerte schon nichts mehr an das gerade abgeschlossene Projekt.

Und damit endet die Forschungsreise und das Logbuch der Forschungsreise MSM20/4 des Forschungsschiffs Maria S. Merian.

Es verabschiedet sich das Forschungsteam der MSM20-4 Expedition: Von links, hintere Reihe: Dierk Hebbeln, Thorsten Garlichs, Lelia Branco, Klaus Dehning, Christian Dullo, Claudia Wienberg, Marco Traviani, Götz Ruhland, André Freiwald; in der Mitte: Hector Reyes, Silke Glogowski, Nina Joseph, Lydia Beuck, Marco Klann; vorne: Maik Wilsenack, Gregor Eberli, Paul Wintersteller, Friedhelm Jansen, Thomas Willke (Foto: Thomas Willke)

Und zum Abschluss noch einige der schönsten Aufnahmen, die der Tauchroboter in Tiefen zwischen 500 und 700 Metern Tiefe geschossen hat:

Ein Springkrebs droht dem ROV. (Foto: MARUM, Universität Bremen)

Der Grund, warum wir hier waren: Kaltwasserkorallen Lophelia pertusa (Foto: MARUM, Universität Bremen)

Ich bedanke mich bei allen Mitgliedern der Crew und des Forschungsteams, dass ich dabei sein und ihnen Löcher in den Bauch fragen durfte: Vielen Dank für Eure Unterstützung und Eure Geduld.

Thomas Willke, Korrespondent von bild der wissenschaft, von Bord der Maria S. Merian

Der Greifarm des ROVs „pflückt“ eine Crinoide.
(Foto: MARUM, Unversität Bremen)

Freitag, 6. April

Nordwärts

Gegen 0900 löste das ROV-Team das müde CTD-Team ab. Sie hatten 13 Stunden – über einen kompletten Tidenzyklus – die chemischen und physikalischen Eigenschaften des Meerwassers in über 600 Metern Tiefe direkt über den lebenden Kaltwasserkorallen von Mount Gay gemessen. Es zeigte, dass der Ebbstrom kühleres, salzärmeres aber dafür sauerstoffreicheres Wasser zu den Korallen bringt.

Das ROV inspizierte heute zwei dicht benachbarte Hügel, deren Gipfel um die 550 Meter tief lagen. Auch hier entdeckte der Roboter fossile Kaltwasserkorallen und viel Leben auf den Überresten, aber keine lebenden Kolonien. Kolonienbildende Kaltwasserkorallen scheinen in dieser Region nur zwischen 600 und 630 Metern zu existieren.

Inzwischen begann auf dem gesamten Schiff das große Aufräumen. Während die einen noch maßen, mikroskopierten und Arten bestimmten, verpackten die anderen die Proben in Transportbehälter. Überall tauchten Alutransportkisten auf und darin verschwanden Messgeräte, Mikroskope, Monitore und Steuerpulte. So verwandelte sich die „Pilotenkanzel“ für das ROV von einer Kommandozentrale innerhalb von 3 Stunden in ein leeres Labor mit zwei Tischen, einem Abzug und einem Kühlschrank.

Eine Gorgonie wächst auf den Resten einer anderen Koralle. Gorgonien sind einzeln lebende Kaltwasserkorallen. Dieses Gefieder besteht aus Hunderten von Polypen. Jedes „Blatt“ an einem „Zweig“ besteht aus einem Polypen. Um Nahrung zu fangen, fahren sie ihre Tentakel aus und bilden so ein dichtes Netz, durch das vorbeitreibendes Plankton nicht hindurch kommt. (Foto: Senckenberg)

Position
24°35,61‘ N 079°16,84‘ W (um 12.00 Uhr Bordzeit = MESZ -6 Stunden)
Kurs: DP-Mode: Auto Positioning
Etmal: 15 Seemeilen (die in 24 Stunden zurückgelegte Strecke)
Durchschnittsgeschwindigkeit: 0,6 Knoten
Wetterbericht (12.00 Uhr)
Luftdruck: 1.012 hPa
Wind: Westsüdwest 5-6 Beaufort
Lufttemperatur: 26,2°C
Wassertemperatur: 26,4°C
Höhe der Dünung: 2 Meter

Der Unterwasserroboter kehrt von seiner letzten Tauchfahrt zurück an Bord. Anschließend wurde er mit Frischwasser gespült, gereinigt und verpackt. (Foto: Thomas Willke)

Die Matrosen bereiten derweil das Schiff für den nächsten Einsatz vor. Alles, was das nächste Forschungsteam nicht braucht, bauten sie ab. So verschwand das Aussetzgerüst für das Schwerelot. Deckschlosser Helmut Friesenborg machte einen Testlauf mit dem großen Heckgalgen am Heck des Schiffs. Das nächste Team will anscheinend Geräte über das Heck ins Wasser lassen.

Der letzte Forschungseinsatz auf dieser Tour wurde vom Bathymetriker Paul Wintersteller durchgeführt. Er vermaß noch eine Region nördlich von Mount Gay. Gegen 1600 waren alle Daten „im Kasten“. Das Fächerecholot wurde aus seinem Schacht im Hangar gezogen und kurz danach aktivierte der Leitende Offizier Björn Maaß den Autopiloten. Neuer Kurs: Nordwärts. Der nächste „Wegepunkt“ für den Autopiloten liegt westlich von Bimini. Der Wind hat aufgefrischt, ebenso der Seegang. Aber dank ihrer Stabilisatoren – flügelähnlichen Gebilden, die bei Bedarf aus dem Rumpf ausgefahren werden können – rollt die Merian nur wenig.

Thomas Willke, Korrespondent von bild der wissenschaft, von Bord der Maria S. Merian

Nina Joseph und Lydia Beuck dokumentieren, was das ROV, der Unterwasserroboter, mit an Bord gebracht hat.
(Foto: Thomas Willke)

Donnerstag, 5. April

Zwei Berge und ein Blitz

Der Tag begann mit Regen, schöner warmer Regen, dann ein Gewitter und mit ihm ein Blitz, der direkt neben der Merian einschlug, und schließlich ein heißer sonniger Nachmittag.

Die Merian blieb heute in der angestammten Region. Das ROV wanderte über zwei Berge, deren Spitzen unter 640 Metern Wassertiefe lagen. „Eigentlich war es eine langweilige Tour“, sagt Fahrtleiter Dierk Hebbeln. „Wir haben überall nur tote Korallen gefunden, auch oben auf den Spitzen. Wissenschaftlich ist dieser Befund aber sehr interessant, denn früher scheint es hier ja gute Lebensbedingungen für Korallen gegeben zu haben. Und in Yucatan entdeckten wir, dass dort alle Bergspitzen mit lebenden Korallen bedeckt waren, auch die von tiefliegenden Bergen. Hier ist also irgendetwas anders. Und das wollen wir rausfinden.“

Was haben wir alles entdeckt? Fahrtleiter Dierk Hebbeln überarbeitet seine Notizen inmitten von fossilen Korallen.
(Foto: Thomas Willke)

Die Forscher holten vom Meeresboden Proben mit dem Kastengreifer und dem Schwerelot nach oben, um daran die Lebensbedingungen heute und in früheren Zeiten zu untersuchen. Heute Nacht wird auf der Merian wieder „Jojo“ gefahren, um über einen kompletten Tidenzyklus die chemischen und physikalischen Eigenschaften des Meeres am Mount Gay zu untersuchen – einem unterseeischen Berg, an dem auch heute noch Kaltwasserkorallen leben.
Thomas Willke, Korrespondent von bild der wissenschaft, von Bord der Maria S. Merian

Position
24°37,49‘ N 079°20,78‘ W (um 12.00 Uhr Bordzeit = MESZ -6 Stunden)
Kurs: DP-Mode: Auto Positioning
Etmal: 56 Seemeilen (die in 24 Stunden zurückgelegte Strecke)
Durchschnittsgeschwindigkeit: 2,3 Knoten
Wetterbericht (12.00 Uhr)
Luftdruck: 1.013 hPa
Wind: Südost 3 Beaufort
Lufttemperatur: 23°C
Wassertemperatur: 26,4°C
Höhe der Dünung: 2 Meter

Das Schwerelot und die Greifer werden vom Windenleitstand oben über dem Arbeitsdeck gefahren. Heute am „Steuer“: Matrose Tobias Siefken.
(Foto: Thomas Willke)

Matrose Norbert Kreft dirigiert den Kran, mit dem das ROV aus dem Wasser gehoben wird; neben ihm Bootsmann Norbert Bosselmann (Foto: Thomas Willke)

Mittwoch, 4. April

Mount Gay

Der Hügel sah aus wie die ideale Wohnstätte für Korallen. Die Merian blieb heute in der Region, die sie gestern untersucht hatte, und Fahrtleiter Dierk Hebbeln hatte für heute eine „Bergwanderung“ angesetzt. Die ROV-Piloten setzen den Unterwasserroboter am Fuß eines bislang unerforschten unterseeischen Bergs ab und ließen ihn hinauffahren. Und tatsächlich: Zuerst tauchten Felder mit Korallenschutt auf, dann abgestorbene Korallenstöcke und obendrauf lebende Korallen. In allen drei Zonen wimmelte es vor Leben. Fische, Schwämme, Seeigel – die Kaltwasserkorallen bieten lebend wie tot Nahrung und Unterschlupf für viele Arten. André Freiwald von Senckenberg am Meer schätzt, dass weit über 4000 verschiedene Spezies in Kaltwasserkorallenbeständen leben.

Üppige, dichte Bestände von Lophelia-Kaltwasserkorallen fand das ROV heute. (Foto: MARUM, Universität Bremen)

Das ROV tauchte heute noch einmal und erkundete dabei einen zweiten Berg. Es zeigte sich: Auch dieser Berg wies die drei Zonen auf und die Zone der lebenden Korallen lag wie eine Neuschneedecke auf dem Gipfel. Da die Strömungen, die die Nahrung bringen, hier häufig wechseln, scheint der beste Platz für die Korallen einfach ganz oben zu sein.

Die Forscher tauften den Berg Mount Gay (altes Englisch: der bunte, prächtige Berg), nach einer gleichnamigen Rumsorte aus Barbados. Die Forscher hatten den Rum vor dem Auslaufen auf der Insel kennengelernt.
Thomas Willke, Korrespondent von bild der wissenschaft, von Bord der Maria S. Merian
Position
24°33,52‘ N 079°19,82‘ W (um 12.00 Uhr Bordzeit = MESZ -6 Stunden)
Kurs: DP-Mode: Auto Positioning
Etmal: 83 Seemeilen (die in 24 Stunden zurückgelegte Strecke)
Durchschnittsgeschwindigkeit: 3,5 Knoten
Wetterbericht (12.00 Uhr)
Luftdruck: 1.016,1 hPa
Wind: Südost 3 Beaufort
Lufttemperatur: 25,7°C
Wassertemperatur: 26,1°C
Höhe der Dünung: 1 Meter

Motormann Olaf Lorenzen streicht die „Seekästen“ mit den Seefiltern. Über dieses gewaltige Rohrsystem pumpt die Merian Meerwasser in ihr Inneres. Dieses Wasser kühlt das Kühlwasser des Motors und wird dann wieder ins Meer zurückgeleitet. Um den Motor vor Korrosion zu schützen, besteht das eigentliche Kühlwasser aus Süßwasser.
(Foto: Thomas Willke)

Dieser Springkrebs lebt in Kaltwasserkorallenriffen. Sein kräftiger Panzer mit zahlreichen Dornen schützt ihn vor hungrigen Fischen. Die zwei weißen Kugeln am Kopfende sind seine Komplexaugen. Die geschwungene Konstruktion über den Sehorganen, besteht wie der Panzer aus Chitin und schützt die Augen. (Foto: Senckenberg)

Dienstag, 3. April

Der Korallenfriedhof

Der Atlantik war am Morgen platt wie ein Ententeich. Kaum ein Windhauch zog über das Meer. Ideale Bedingungen zum Arbeiten für Mannschaft und Wissenschaft. Allerdings wurde es gegen Mittag auch brüllend heiß. Wer konnte, arbeitete im Schatten.

Die Merian befindet sich jetzt südlich von Bimini im Arbeitsgebiet D, auf der Karte unten etwas nördlich des gelben Punkts. (Karte: MARUM, Universität Bremen)

Das ROV entdeckte am Vormittag in über 400 Metern Tiefe einen großen Korallenfriedhof. Der große Kastengreifer und das Schwerelot holten Proben an Bord. Irgendwann muss es hier sehr gute Lebensbedingungen für Kaltwasserkorallen gegeben haben. „Wann die Korallen hier abgestorben sind, konnten wir aber vom bloßen Ansehen nicht bestimmen. Es könnte vor ein paar Jahrhunderten aber vielleicht auch viel früher geschehen sein“, sagt Fahrtleiter Dierk Hebbeln. „Genaueres können wir erst im Labor bestimmen.“

Position
24°33,37‘ N 079°21,04‘ W (um 12.00 Uhr Bordzeit = MESZ -6 Stunden)
Kurs: DP-Mode: Auto Positioning
Etmal: 107 Seemeilen (die in 24 Stunden zurückgelegte Strecke)
Durchschnittsgeschwindigkeit: 4,5 Knoten
Wetterbericht (12.00 Uhr)
Luftdruck: 1.016,3 hPa
Wind: Ostsüdost 3 Beaufort
Lufttemperatur: 25,7°C
Wassertemperatur: 26,1°C
Höhe der Dünung: 1 Meter

Eunice ist ein vielborstiger Wurm. Er lebt in Korallenstöcken und animiert die Koralle dazu, eine Schutzhülle aus Kalk für ihn zu bauen. So ist der Wurm vor Fischen geschützt, aber er verteidigt seine Koralle auch, wenn sie angegriffen wird. Dieses Exemplar ist etwa 20 Zentimeter lang. (Foto: Senckenberg)

3 Fragen zu . . .

. . . Bohren ohne Bohrer

beantwortet heute Claudia Wienberg, Geologin am MARUM an der Universität Bremen.
Wie „erbohren“ Sie sich ihre Proben?
Wienberg:
Genau genommen bohren wir nicht in den Meeresboden, sondern „stanzen“ ein Stück heraus. Wir haben nichts, was rotiert. Wir haben ein Stahlrohr – 6 bis 12 Meter lang, je nach Einsatzgebiet – am oberen Ende sitzt ein Gewicht von mehr als einer Tonne und mit diesem Gewicht drücken wir das Rohr in den Boden.
Was geschieht anschließend mit den Proben?
Wienberg:
Wir holen das Rohr mit den Sedimentkernen an Bord und schneiden sie in ein Meter lange Stücke. So lassen sie sich leichter handhaben. Jeder Kern bekommt eine ID-Nummer und wird dokumentiert. Eine gewissenhafte Dokumentation an Bord ist extrem wichtig. Genauere Untersuchungen können wir erst in Bremen machen, aber um wissenschaftliche Schlüsse ziehen zu können, muss man genau wissen, wo der Kern herkommt und was wir sonst noch über sein Umfeld herausgefunden haben.
Werden gar keine Kerne an Bord geöffnet?
Wienberg:
Auf „normalen“ Expeditionen schon. Wir schneiden die Kerne dazu auf und fotografieren sie sofort, weil sie sich an der Luft sehr schnell verfärben. Eine Hälfte wird für spätere Untersuchungen verpackt, die andere wird sofort beprobt. Bei der Analyse an Bord schauen wir, was sich in der Vergangenheit hier ereignet hat: Wie sich die Sedimente abgelagert haben, welche Farben sie haben, welche Korngrößen, wo sich Tiere Gänge gegraben haben. Aber Kerne mit Korallen lassen sich nicht so einfach aufschneiden. Dazu sind sie zu hart. Sie werden daher vor dem Öffnen eingefroren und mit einer Gesteinssäge quer in zwei Hälften geteilt, das passiert allerdings erst zuhause am Institut.
Thomas Willke, Korrespondent von bild der wissenschaft, von Bord der Maria S. Merian

Claudia Wienberg, Geologin am MARUM an der Universität Bremen

Montag, 2. April

Die erste Banane

Es war ein langer Abend. Bis nach zehn Uhr zogen die Techniker Klaus Dehning und Marco Klann vom MARUM und Maik Wilsenack von Senckenberg am Meer Sedimentkerne aus dem Meeresboden. Schließlich ging das Schwerelot zum letzten Mal auf Tiefe – und dann passierte es. Die Forscher konnten den Aufprall und das Einsinken des Schwerelots in den Boden indirekt an Bord verfolgen. Ein Monitor im Hangar zeigte ihnen, welcher Zug auf das Stahlseil wirkt, an dem das Schwerelot hängt – und das geübte Auge erkennt im Diagramm auf dem Bildschirm, wenn etwas schiefläuft. Als das Schwerelot wieder aus dem Wasser kam, war sie deutlich zu sehen: die Banane. Das Rohr war fast drei Meter in den Meeresboden eingedrungen, dann auf etwas Hartes gestoßen und durch den plötzlichen Aufprall hatte die eine Tonne Gewicht, die das Rohr ins Sediment treiben sollte, das Rohr verbogen. Bananen gehören zum täglichen Geschäft von Meeresgeologen und Rohre und Einsätze sind billig (die Kunststoffinnenrohre sind Abwasserleitung aus dem Baumarkt). Aber sie machen Arbeit. Dehning und Wilsenack mussten eine Flex holen, um das defekte Rohr vorsichtig zu zerlegen. So gelang es ihnen die kostbare Probe zu retten.

Funken sprühen in der Nacht: Maik Wilsenack zerlegt das Rohr des Schwerelots.
(Foto: Thomas Willke)

Die Merian blieb nur wenige Meilen entfernt von Bimini und kartierte in der Nacht den Meeresboden. Vormittags tauchte das ROV und entdeckte überraschenderweise keine Korallenlandschaft, sondern ein Paradies für Schwämme. Es war nicht das, was die Forscher erwartet hatten, aber die Biologen waren trotzdem begeistert. Nachmittags gingen wieder Baggergreifer und Schwerelot in die Tiefe.
Position
25°56,39‘ N 079°18,62‘ W (um 12.00 Uhr Bordzeit = MESZ -6 Stunden)
Kurs: DP-Mode: Auto Positioning
Etmal: 92 Seemeilen (die in 24 Stunden zurückgelegte Strecke)
Durchschnittsgeschwindigkeit: 3,8 Knoten
Wetterbericht (12.00 Uhr)
Luftdruck: 1.014,2 hPa
Wind: Südwest 3 Beaufort
Lufttemperatur: 24,7°C
Wassertemperatur: 25,8°C
Höhe der Dünung: 1 Meter

So lieben Geologen ihr Schwerelot: schön schlammig. Der Matsch außen am Rohr zeigt, dass das Schwerelot tief in den Boden eingedrungen ist. Klaus Dehning vom MARUM reinigt das Rohr bevor es an Bord gehievt wird. (Foto: Thomas Willke)

Sonntag, 1. April

Im Golfstrom

Der Tag begann vor der Insel Bimini. Die Merian hatte die beliebte Ferieninsel gewählt, um hier für die Bahamas „einzuklarieren“, sich offiziell bei den Behörden zu melden und Zoll- und Passangelegenheiten zu klären. Morgens um 8 Uhr sollte der Termin sein – nur wer nicht kam, war der Immigration Officer der Bahamas. Wirklich gewundert hat es aber eigentlich keinen. Wer länger zur See fährt, weiß, dass die Uhren in manchen Ländern anders ticken als in Deutschland.

Kurz nach 11 Uhr kam dann ein altes Sportboot angefahren, mit dem Captain Roland, ein lockerer Typ – barfuß, in Bermudashorts –, den Agenten und den Immigration Officer brachte. Nun ging alles recht flott und die Merian konnte in ihr erstes Untersuchungsgebiet fahren. Den Anfang machte eine chemisch-physikalische Untersuchung der kompletten Wassersäule, wie die Forscher das Meerwasser vom Meeresboden bis zur Oberfläche nennen. Der Meeresboden fällt gleich hinter Bimini steil ab, und schon nach wenigen Seemeilen ist das Meer über 700 Meter tief. Nachdem die Forscher das Untersuchungsgebiet mit Fächerecholot vermessen hatten, ging das ROV auf Tiefe. Ein schwieriges Unterfangen, denn durch den Sund zwischen Florida und den Bahamas quetschen sich die Wassermassen des Golfstroms hindurch. „Er transportiert hier 1000-mal so viel Wasser wie der Amazonas“, sagt Gregor Eberli von der Rosenstiel School of Marine and Atmospheric Sciences in Miami, USA. Und um alles noch komplizierter zu machen, fließt unter dem Golfstrom ein Gegenstrom von Norden her durch die Florida-Straße.

Entsprechend stark sind die Strömungen hier. Schon das Abtauchen war für das ROV sehr schwierig. Es hat keinen Ballast, sondern arbeitet sich aktiv mit Propellern nach unten. Aber den ROV-Piloten gelang es, an den Boden zu kommen. Allerdings ist es sehr schwierig, den Tauchroboter unter diesen Bedingungen anzuhalten, um Proben zu nehmen. Der Tauchgang dauerte bis in den Abend. Anschließend wollen die Forscher Bodenproben vom Meeresgrund heraufholen.

Fossile Skelette der Kaltwasserkoralle Lophelia pertusa. Sie bildet riesige Kolonien an den Kontinentalhängen fast aller Meere. (Foto: Lydia Beuck/André Freiwald)

Thomas Willke, Korrespondent von bild der wissenschaft, von Bord der „Maria S. Merian“

Position
25°43,76‘ N 079°18,59‘ W (um 12.00 Uhr Bordzeit = MESZ -6 Stunden)
Kurs: DP-Mode: Auto Positioning
Etmal: 157 Seemeilen (die in 24 Stunden zurückgelegte Strecke)
Durchschnittsgeschwindigkeit: 6,5 Knoten
Wetterbericht (12.00 Uhr)
Luftdruck: 1.015 hPa
Wind: West 3 Beaufort
Lufttemperatur: 24,3°C
Wassertemperatur: 25,9°C
Höhe der Dünung: 1 Meter

Die Merian hat die Gastlandflagge der Bahamas gesetzt. Ab jetzt wird sie den Schelfrand der Inselgruppe untersuchen.
(Foto: Thomas Willke)

Während auf der Brücke der Papierkram erledigt wurde, klönte Captain Roland mit Fahrtleiter Dierk Hebbeln. (Foto: Thomas Willke)

Samstag, 31. März

Bahamas voraus

Die Merian ist auf Ostkurs gegangen und fährt südlich der Florida Keys Richtung Bahamas. Die Inseln sind teilweise nur 15 Seemeilen entfernt. Die Merian ist zurück in der dichter bevölkerten Welt. Während ihr auf dem offenen Golf und der Karibik nur selten Schiffe begegnet sind, ziehen hier häufig Frachter, Kreuzfahrtschiffe und Sportboote vorbei. Auf der Brücke quäkt fast ständig das Funkgerät auf dem Anrufkanal 16 und im Radio kann man auf UKW US-Sender empfangen.

Während der Fahrt kartografiert die Merian den Meeresgrund der Region mit dem Fächersonar. Die Wissenschaftler nutzen den „freien“ Tag, um entweder ihre Proben vom Meeresgrund zu dokumentieren oder das, was schon dokumentiert ist, für den Rücktransport zu verpacken.

Heute beginnt die letzte Woche an Bord. Crew und Wissenschaftler werden diesen Tag mit einem abendlichen Grillfest auf dem Hauptdeck begehen.

Fahrt in die Nacht: Der Signalmast der Merian. (Foto: Thomas Willke)

Thomas Willke, Korrespondent von bild der wissenschaft, von Bord der „Maria S. Merian“
Position
24°19,93‘ N 081°39,25‘ W (um 12.00 Uhr Bordzeit = MESZ -6 Stunden)
Kurs: 90°
Etmal: 171 Seemeilen (die in 24 Stunden zurückgelegte Strecke)
Durchschnittsgeschwindigkeit: 7,1 Knoten
Wetterbericht (12.00 Uhr)
Luftdruck: 1.016,4 hPa
Wind: Südsüdost 4 Beaufort
Lufttemperatur: 25,5°C
Wassertemperatur: 25,5°C
Höhe der Dünung: 2 Meter

Inspektion im Maschinenraum: Der Chefingenieur Thomas Ogrodnik (links) und 3. Ingenieur Hans-Dieter Plathe assistieren…
(Foto: Thomas Willke)

... dem 2. Ingenieur Ben Rogers bei der Überprüfung einer der beiden Pod-Antriebe. Die Merian hat keine Welle mit einem Propeller, sondern 2 sogenannte Pods (engl. für Gondeln). Sie hängen hinten links und rechts unter dem Rumpf. Jeder Pod hat zwei Propeller. Einer zieht, einer schiebt. Mit dieser Art von Antrieb braucht die Merian kein Ruderblatt mehr, denn die Pods lassen sich um 360° drehen und mit diesen Drehungen wird das Schiff gesteuert. Man kann die Pods zum Beispiel 90 Grad zur Fahrtrichtung stellen und die Merian so „auf dem Teller drehen“. Diese enorme Manövrierfähigkeit ist sehr hilfreich, wenn das Schiff bei Untersuchungen des Meeresgrunds trotz Wind und Strömung auf der Stelle stehen, etwas sehr präzise an einem bestimmten Ort auf dem Meeresboden absetzen oder dem ROV sehr langsam folgen muss. (Foto: Thomas Willke)

Freitag, 30. März

Ein Freund über Geröllhalden

Heute führte die Merian ihren letzten Forschungseinsatz im Golf von Mexiko aus. Sie befand sich über 60 Seemeilen westlich der Florida-Keys, der Inselgruppe die sich vom Festland Floridas bis weit nach Westen in den Golf hineinzieht. Hier untersuchte die Merian eine Geröllhalde. Vor einigen Tausend Jahren war hier ein Stück des Festlandsockels abgebrochen und den Kontinentalhang hinuntergerutscht.

André Freiwald hebt eine Dornkorallen hoch, damit Lydia Beuck den Fund dokumentieren kann. Ihm assistieren Marco Taviani (links) und Gregor Eberli. Die Forscher entdeckten eine interessante Lebensgemeinschaft auf der Koralle. Ruderkrebs, Plattwürmer und Fische lebten darin. (Foto: Thomas Willke)

Das ROV entdeckte dort eine Trümmerlandschaft mit vielen Felsen in allen Größen. Sie waren vor allem mit Schwämmen und kleinen Korallen bewachsen, sehr ähnlich der „Suspensionsfressergemeinschaft“, die wir gestern gezeigt hatten. Aber es gab nur wenige große Kolonie-bildende Kaltwasserkorallen wie Lophelia. Insgesamt ist dieser Hang – wie die gesamte Region westlich von Florida – nur dünn besiedelt. „Möglicherweise enthält der Golfstrom hier nicht ausreichend Nahrung“, spekuliert André Freiwald vom Forschungsinstitut Senckenberg am Meer. „Diese Region scheint schon seit langem so dünn besiedelt zu sein. Wir haben kaum fossile Korallen gefunden“, sagt Fahrtleiter Dierk Hebbeln vom MARUM, „und auch keine gerade abgestorbenen. Dass es hier nur wenig Leben gibt, ist also keine Folge des Deepwater-Horizon-Unglücks. Das sähe anders aus.“

Das ROV fand einen Freund. Ein junger Gelbflossenthunfisch, knapp einen Meter lang, interessierte sich sehr für den Roboter und begleitete ihn eine Weile.

Heute Nacht wird die Merian Richtung Bahamas aufbrechen.
Thomas Willke, Korrespondent von bild der wissenschaft, von Bord der „Maria S. Merian“
Position
24°58,0‘ N 084°17,86‘ W (um 12.00 Uhr Bordzeit = MESZ -6 Stunden)
Kurs: DP-Mode: Auto Positioning
Etmal: 106 Seemeilen (die in 24 Stunden zurückgelegte Strecke)
Durchschnittsgeschwindigkeit: 4,4 Knoten
Wetterbericht (12.00 Uhr)
Luftdruck: 1.016,6 hPa
Wind: Südsüdost 4 Beaufort
Lufttemperatur: 25,1°C
Wassertemperatur: 26,7°C
Höhe der Dünung: 2 Meter

„Was lebt denn da?“, fragen sich Lelia Branco und Marco Taviani. Der Backengreifer holte eine Bodenprobe aus 500 Metern Tiefe und brachte Seesterne, Würmer und Manteltiere mit. Der robuste Greifer musste heute wieder hinab in die Tiefe. Diesmal war nicht Sand das Problem, sondern Felsen und sehr dichter Boden, den das Schwerelot nicht durchdringen konnte. (Foto: Thomas Willke)

Ein junger Gelbflossenthunfisch interessierte sich sehr für das ROV.
(Foto: MARUM, Universität Bremen)

Donnerstag, 29. März

Die Merian befindet sich westlich von Süd-Florida. Das ROV tauchte heute Vormittag wieder und entdeckte eine Unterwasserwüste mit vielen Oasen. Oft schwebte es über Sandflächen fast ganz ohne Leben. Doch überall, wo Korallen einen Platz zum Festhalten gefunden hatten, entdeckten die Forscher eine reiche Vielfalt an weiteren Organismen. „Vor allem an einigen felsigen Abhängen, da tobte das Leben“, sagt begeistert André Freiwald vom Forschungsinstitut Senckenberg am Meer in Wilhelmshaven.

Für die Geologen war der Tag nicht so erfolgreich. Sand ist eh ihr großer Feind (s. Logbuch 27.3.). Und hier kamen jetzt auch noch Felsen dazu. Also schieden Kastengreifer und Schwerlot als Probennehmer aus. Aber selbst der Backengreifer förderte nur wenig Interessantes zu Tage. „Mit so was muss man rechnen, wenn man sich in bislang unbekanntes Gebiet vorwagt“, sagt Fahrtleiter Dierk Hebbeln.

Und so sieht die Unterwasserwelt des Golfs von Mexiko aus:

Ein Dornhai (Squalus spec.) streift über einen Hang mit lebenden und fossilen Kaltwasserkorallen der Art Lophelia pertusa.
(Foto: MARUM, Universität Bremen)

Position
25°16,3‘ N 084°26,79‘ W (um 12.00 Uhr Bordzeit = MESZ -6 Stunden)
Kurs: DP-Mode: Auto Positioning
Etmal: 128 Seemeilen (die in 24 Stunden zurückgelegte Strecke)
Durchschnittsgeschwindigkeit: 5,3 Knoten
Wetterbericht (12.00 Uhr)
Luftdruck: 1.017,3 hPa
Wind: Ostsüdost 5 Beaufort
Lufttemperatur: 24,9°C
Wassertemperatur: 26,7°C
Höhe der Dünung: 3 Meter

Der Greifarm des Tauchroboters nimmt einen Stein mit einer Isididen-Korallen. Wegen ihres Aussehens heißen diese Korallen im Englischen bamboo corals („Bambuskorallen“) (Foto: MARUM, Universität Bremen)

Dieser bunte Verein wird von den Forschern als Suspensionsfressergemeinschaft bezeichnet: Sie fressen, was von oben heruntergerieselt kommt. In rosa: die Oktokoralle Anthomastus; in blau, gelb und das weiße Gebilde in der Mitte: Krustenschwämme; die daunenartigen Gebilde links: Fächerkorallen. Unten hängen röhrenartige Gebilde: Würmer der Sabelariden. Sie haben einen Strudelapparat, mit dem sie Nahrung aus dem Wasser holen. (Foto: MARUM, Universität Bremen)

Thomas Willke, Korrespondent von bild der wissenschaft, von Bord der „Maria S. Merian“

Dieser rotäugige Tiefseekrebs ist ein Verwandter unseres Nordsee-Taschenkrebs. Wie sein nördlicher Verwandter sucht er nach Aas oder nach Beute. (Foto: MARUM, Universität Bremen)

Ein Springkrebs sitzt auf einer Lophelia pertusa-Kaltwasserkoralle und wartet auf vorbeitreibendes Plankton, um es zu fressen. (Foto: MARUM, Universität Bremen)

Mittwoch, 28. März

Die Merian ist auf dem Weg nach Süden. Der Wind kommt von Osten und hat im Laufe des Nachmittags aufgefrischt. Die Merian rollt leicht in den Wellen. Bisher war Neptun dem Team gnädig gesonnen und keiner ist wegen Seekrankheit ausgefallen.

Die Grundlage, welche Gebiete mit ROV, Greifer und Schwerelot bearbeitet werden, liefert die Bathymetrie-Abteilung. Paul Wintersteller und Gregor Eberli arbeiten meist in der Nacht. Dann fährt die Merian ein Gebiet ab und das Fächersonar tastet den Meeresboden ab. Es liefert die Daten, aus denen die Wissenschaftler dann detaillierte Karten erstellen. Mit dem Parasound können die Geologen sogar einige Dutzend Meter in den Meeresboden hineinschauen – oder sie erkennen die einzelnen Schichten des Meerwassers (der Wassersäule, wie Meeresforscher sagen) zum Beispiel wo Strömungen verschiedener Dichte aufeinandertreffen. In den chemisch-physikalischen Untersuchungen mit der CTD finden die Forscher dann entsprechende Veränderungen in Salzgehalt, Temperatur oder Dichte.

So sieht das Meer in einer Parasound-Aufnahme aus. Die obere Kante zeigt die Meeresoberfläche; die weiße gewölbte Linie unten den Meeresboden. Die verschiedenen Farbtöne dazwischen entstehen, wenn die Schallsignale zurückstreuen, zum Beispiel durch im Wasser treibenden Organismen. Oben in der Mitte erkennt man einen bläulich-gelblichen Fleck. Das ist wahrscheinlich ein Fischschwarm. Mysteriöser ist der lange orange Fleck rechts oben. Vielleicht ein großes U-Boot?
(Foto: Thomas Willke)

Die Merian führte heute Vermessungen, chemisch-physikalische Messungen und ROV-Fahrten durch. Da auch in diesem Gebiet der Boden sehr sandig ist, konnten die Forscher nur mit dem Backengreifer Proben an Bord holen.

Thomas Willke, Korrespondent von bild der wissenschaft, von Bord der „Maria S. Merian“
Position
26°19,15‘ N 084°44,48‘ W (um 12.00 Uhr Bordzeit = MEZ -5 Stunden)
Kurs: DP-Mode: Auto Positioning
Etmal: 13 Seemeilen (die in 24 Stunden zurückgelegte Strecke)
Durchschnittsgeschwindigkeit: 0,5 Knoten
Wetterbericht (12.00 Uhr)
Luftdruck: 1.020,9 hPa
Wind: Ost 5 Beaufort
Lufttemperatur: 23,7°C
Wassertemperatur: 25°C
Höhe der Dünung: 1-2 Meter

Bathymetriker Paul Wintersteller (links) und Fahrtleiter Dierk Hebbeln diskutieren die Ergebnisse der letzten Parasound-Untersuchungen. (Foto: Thomas Willke)

Stewardess Iris Seidel sorgt für das leibliche Wohl von Crew und Wissenschaftlern. (Foto: Thomas Willke)

 
 

Dienstag, 27. März

Die Merian ist im Untersuchungsgebiet B1 geblieben und hat sich nur ein paar Meilen nach Westen verholt. Das ROV lief heute einwandfrei, dokumentierte den Meeresgrund und seine Bewohner mit Filmen und Fotos – und brachte reiche Ausbeute nach oben.

Die Ausbeute eines Tauchgangs. Die dunklen Korallen sind einzeln lebende Tiere. Die weißen Korallen sind Exemplare von Lophelia pertusa, die riesige Kolonien in der Tiefe bilden kann. (Foto: Thomas Willke)

Position
26°20,22‘N 085°53,0‘W (um 12.00 Uhr Bordzeit = MEZ -5 Stunden)
Kurs: DP-Mode: Auto Positioning
Etmal: 72 Seemeilen (die in 24 Stunden zurückgelegte Strecke)
Durchschnittsgeschwindigkeit: 3 Knoten
Wetterbericht (12.00 Uhr)
Luftdruck: 1.017,2 hPa
Wind: Ost 5 Beaufort
Lufttemperatur: 23,9°C
Wassertemperatur: 24,8°C
Höhe der Dünung: 1 Meter

So sahen die ROV-Piloten das Leben auf dem Meeresgrund.
(Foto: Thomas Willke)

Der Tauchgang zeigte aber auch etwas Ärgerliches für die Geologen: Der Boden war sehr sandig. Als geologischer Laie denkt man sich: Wo ist da das Problem? In Sand kann man doch schön buddeln. Stimmt aber nicht. „Durch Sand kommen unsere Probennahmengeräte nur sehr schlecht durch. Es ist sehr schwierig, gute Proben zu bekommen“, sagt Dierk Hebbeln, Fahrtleiter der Expedition.

Und so war es auch. Die Forscher wagten einen Versuch mit dem großen Kastengreifer. Doch die Verschlussklappe schaffte es nicht, sich durch den Sand zu schneiden. Der Kasten schloss sich nicht richtig und viel Sediment rutschte wieder zurück auf den Meeresboden. Also nahmen die Forscher wieder den robusten kleinen Backengreifer, um Bodenproben an Bord zu holen.

Heute Nacht wird wieder der Jojo arbeiten (s. Logbuch 24.3.)

Chefkoch Waldemar Arndt in der Gefrierkammer der Merian. Um täglich über 40 Menschen abwechslungsreich zu ernähren, hat er Lebensmittel im Wert von bis zu 40.000 Euro an Bord. (Foto: Thomas Willke)

Montag, 26. März

Vor der Küste Floridas kreuzt die Merian zur Zeit. In der Nacht zum Montag war sie im Untersuchungsgebiet B1 (s. Karte) angekommen und sofort begannen die chemisch-physikalischen Untersuchungen und die Kartografie des Meeresbodens.

Die Arbeitsgebiete der Merian für die nächsten Tage (Quelle: MARUM)

Position
26°24,48‘N 084°46,7‘W (um 12.00 Uhr Bordzeit = MEZ -5 Stunden)
Kurs: DP-Mode: Auto Positioning
Etmal: 159 Seemeilen (die in 24 Stunden zurückgelegte Strecke)
Durchschnittsgeschwindigkeit: 6,6 Knoten
Wetterbericht (12.00 Uhr)
Luftdruck: 1.017,2 hPa
Wind: Nord 4 Beaufort
Lufttemperatur: 24,3°C
Wassertemperatur: 25,0°C
Höhe der Dünung: 1 Meter

Am Morgen wurde das ROV ins Wasser gelassen, um den Meeresboden und seine Tierwelt zu untersuchen. Gesteuert wird der Unterwasserroboter aus der „Pilotenkanzel“ direkt neben dem Hangar. Die beiden Piloten Götz Ruhland und Nico Nowald sitzen mit ihren Fernsteuerungen vor einer Wand aus sechs Bildschirmen, auf denen alle Bilder sowie die Sonarabtastung des Meeresboden zu sehen sind, die das ROV liefert; außerdem die neueste Karte des Meeresbodens und Positionsangaben. Hinter den Piloten nehmen die Wissenschaftler Platz, bestimmen Tiere und äußern Wünsche, was das ROV mit aufs Schiff bringen soll. Außerdem planen sie die weiteren Schritte, denn die Beschaffenheit des Bodens lässt manche Untersuchungsgeräte zu, andere nicht.

Das ROV entdeckte eine raue felsige Landschaft, in der keine großen Korallenkolonien lebten, dafür eine Vielzahl einzeln lebender Korallenarten, dazu Fische, Krebse, Meeresschnecken und Seeanemonen.

Dann fiel auf einmal die Elektronik des ROVs aus. Mit dem alten Computertrick ausschalten und neu starten, bekamen die beiden Piloten den Roboter wieder unter Kontrolle. Sie entschlossen sich aber, ihn wieder an Bord zu holen, um die Ursache des Fehlers zu finden. Eine weise Entscheidung, denn auf dem Schiff entdeckten sie, dass Meerwasser in Teile der Elektronik eingedrungen war. Maik Wilsenak, Elektroniker bei Senckenberg am Meer, konnte den Schaden reparieren. Das ROV ist wieder einsatzbereit.

Die ROV-Bilder hatten eine felsige Landschaft gezeigt. Fahrtleiter Dierk Hebbeln entschloss sich darum, den Boden mit einem Backengreifer zu beproben. Dieser Greifer sieht aus wie der eines Baggers und ist ein robustes Gerät. Der Kastengreifer und das Schwerelot für Bodenproben sind zu empfindlich. Sie hätten beim Aufprall auf einen Felsen beschädigt werden können.

Die ROV-Piloten Götz Ruhland (vorne) und Nico Nowald nehmen mit dem Greifarm des Unterwasserroboters MARUM-CHEROKEE eine Koralle auf.
(Foto: Thomas Willke)

Der Backengreifer kommt mit Sediment an Bord…

… und sein Inhalt wird sofort analysiert.
(Foto: Thomas Willke)

Sonntag, 25. März

Bis spät in die Nacht wurde gestern noch auf der Merian gearbeitet. Fahrtleiter Dierk Hebbeln wollte das Rätsel des seltsamen Kraters lösen, in dem am Tag zuvor der Kastengreifer umgekippt war (s. Logbuch 23.3.).

Detailausschnitt aus der neuen Meeresbodenkarte mit den beiden neu entdeckten Kratern. Woraus bestehen sie? Wie sind sie entstanden? Der letzte Test des Tages sollte die Antwort bringen.

Position
25°21,57‘N 085°53,0‘W (um 12.00 Uhr Bordzeit = MEZ -5 Stunden)
Kurs: 047°
Etmal: 148 Seemeilen (die in 24 Stunden zurückgelegte Strecke)
Durchschnittsgeschwindigkeit: 6,2 Knoten
Wetterbericht (12.00 Uhr)
Luftdruck: 1.014,9 hPa
Wind: Nord 4 Beaufort
Lufttemperatur: 23,8°C
Wassertemperatur: 26,5°C
Höhe der Dünung: 1-2 Meter

Hector Reyes und Friedhelm Jansen spülen Korallen aus dem Schlamm.
(Foto: Thomas Willke)

Die Merian wurde diesmal extrem genau in der Mitte des Kraters positioniert. Erst dann rauschte der Kastengreifer in den Boden und nahm eine große Probe des Meeresbodens auf. Die meisten Geologen an Bord tippten anhand des Aussehens der beiden Krater auf Schlammvulkane. Doch als der Kastengreifer nach oben kam, war die Überraschung perfekt. Er war voll mit fossilen Kaltwasserkorallen. Das ist völlig untypisch für einen Schlammvulkan – und für die Korallen. Diese Tiere bauen runde Hügel und keine Krater. Wie diese seltsamen Strukturen am Meeresboden entstanden, bleibt also weiter ein Rätsel.

Die Wissenschaftler untersuchten die Probe aus dem Kastengreifer natürlich sofort genauer. Bei dieser Probe handelt es sich um mehr als einen Zentner schweren soliden Matschs.

Bei der Analyse hat sich inzwischen eine Arbeitsteilung eingespielt:
  • Die Damen (Claudia Wienberg, Nina Joseph und Lelia Branco) begannen, von dem Kastengreifer zuerst mit einem Spatel einige Teile zur weiteren Untersuchungen abzunehmen, fuhren dann mit einer kleinen Schaufel fort und zerlegten ihn schließlich mit einem Spaten.
  • Die Herren (Hector Reyes, Marco Taviani, Gregor Eberli und Friedhelm Jansen) spülten anschließend Korallen und Muscheln aus dem Matsch und waren nach wenigen Minuten von Kopf bis zu den Füßen vollgespritzt mit Schlamm.
Es war übrigens sehr angenehm, diese Arbeiten mit 27 Grad warmem Golf-Wasser zu erledigen. Die gleiche Arbeit vor der Küste Norwegens macht zu dieser Jahreszeit nur halb so viel Spaß.

Gegen Mitternacht nahm die Merian Fahrt auf und fuhr Richtung Nordost auf die Küste Floridas zu. Während der Überführung schnitten Claudia Wienberg und Dierk Hebbeln die ersten Sedimentkerne auf und begannen mit den Analysen.

Samstag, 24. März

Eine lange Nacht wurde es für Silke Glogowski, Thorsten Garlichs und ihren Chef Christian Dullo vom GEOMAR in Kiel. Sie maßen die chemischen und physikalischen Veränderungen im Meer während eines kompletten Tidenzyklus, also Ebbe und Flut, insgesamt 13 Stunden Arbeit. Jede Stunde versenkten sie ihre CTD (s. „3 Fragen zu …“ Logbuch 22.3.) auf über 600 Meter Tiefe, nahmen Daten und Meerwasser auf und holten das Gerät wieder hoch. Schnell präparierten sie alle Wasserproben für spätere Analysen im Labor – und dann ging die CTD wieder runter. „Jojo-fahren“ heißt das bei den Meeresforschern. Das „Jojo“ geht rauf und runter und misst in verschiedenen Tiefen, was dort passiert. So erfahren die Forscher, wie sich Ebbe und Flut in der ganzen „Wassersäule“ auswirken.

Student Thorsten Garlichs und Matrose Jens Peschel versenken die CTD in tiefer Nacht ins dunkle Meer. (Foto: Thomas Willke)

Position
23°51,89‘N 087°12,70‘W (um 12.00 Uhr Bordzeit = MEZ -5 Stunden)
Kurs: Dynamic Positioning-Mode: Follow ROV
Etmal: 28 Seemeilen (die in 24 Stunden zurückgelegte Strecke)
Durchschnittsgeschwindigkeit: 1,2 Knoten
Wetterbericht (12.00 Uhr)
Luftdruck: 1.016,8 hPa
Wind: Südost 5 Beaufort
Lufttemperatur: 25,6°C
Wassertemperatur: 27°C
Höhe der Dünung: 1 Meter

Lauter unbekannte Muschelarten vom Grund des Golfs von Mexiko spült der Geologe Marco Taviani aus den Sedimenten frei – und ist begeistert. (Foto: Thomas Willke)

Für viele Kollegen des CTD-Teams bedeutete der Jojo-Einsatz das Ende ihrer Arbeit, denn während der 13 Stunden galt „Clean Ship“. Die Merian schmeißt ohnehin keine Abfälle über Bord und leitet keine Fäkalien ins Meer, aber während der chemischen Messungen durfte auch kein überflüssiges Sediment mit Meerwasser von Bord gespült werden. Das hätte die Messdaten verfälscht.

Lauter unbekannte Muschelarten vom Grund des Golfs von Mexiko spült der Geologe Marco Taviani aus den Sedimenten frei – und ist begeistert. (Foto: Thomas Willke)

Ansonsten war es ein erfolgreicher Tag, meint die Geologin Claudia Wienberg vom MARUM, während sie ihre Sedimentproben verpackt. Beim ROV fiel zwar auf halber Strecke die Elektronik aus, aber die Forscher hatten bis dahin genug gesehen, um ihre weiteren Einsätze planen zu können. Und dem ROV-Team gelang es, ihr Fahrzeug unbeschadet wieder an Bord zu holen und zu reparieren.

Geologin Claudia Wienberg verpackt „Sedimentkerne“ im Hangar, dem großen Arbeitsraum auf dem Hauptdeck der Merian. Sie kommen nach Bremen ins Bohrkernlager und werden dort analysiert. (Foto: Thomas Willke)

Freitag, 23. März

Reiche Ausbeute ergab der heutige Tag. Die Merian untersuchte einen Abhang im Meer. Er liegt an der Kante des mittelamerikanischen Schelfs, nördlich der Halbinsel Yucatan. Das ROV tauchte am Vormittag und entdeckte wahre Korallenwälder in etwa 600 Metern Tiefe. Es nahm einige Korallen mit nach oben. André Freiwald vom Institut Senckenberg am Meer war begeistert. Er entdeckte unter anderem eine räuberische Schnecke auf den Korallen, die die Forscher bisher nur aus dem Ostatlantik kannten. Fressen und gefressen werden hat also auf beiden Seiten des Ozeans die gleichen Beteiligten, einige zumindest. Mal sehen, was die nächsten Tauchgänge ergeben.

Auch die Kastengreifer, die in der Lage sind, über einen Meter Meeresboden hochzubringen – und ihn dabei in der richtigen Schichtung lassen – begeisterten. Marco Taviani vom Meeresforschungsinstitut ISMAR-CNR im italienischen Bologna entdeckte mehrere neue Muschelarten in einer einzigen Kastenladung. Hier gibt es wirklich Neuland am Meeresboden zu entdecken.

Ausschnitt aus der neuen Meeresbodenkarte. Die Linien kennzeichnen die Matratze (s. Logbuch 21.3.). Der Abstand zwischen den Linien beträgt 700 Meter. Rechts unten sieht man die beiden neu entdeckten Krater, in denen der Kastengreifer wahrscheinlich umgekippt ist.

Position
23°51,61‘N 087°12,08‘W (um 12.00 Uhr Bordzeit = MEZ -5 Stunden)
Kurs: Dynamic Positioning-Mode: Follow ROV
Etmal: 86 Seemeilen (die in 24 Stunden zurückgelegte Strecke)
Durchschnittsgeschwindigkeit: 3,6 Knoten
Wetterbericht (12.00 Uhr)
Luftdruck: 1.013,6 hPa
Wind: Ostsüdost 5 Beaufort
Lufttemperatur: 26,5°C
Wassertemperatur: 26,8°C
Höhe der Dünung: 2 Meter

So sieht ein Kastengreifer aus, wenn er heile und gefüllt nach oben kommt. (Foto: Thomas Willke)

Zum Abschluss des Tages fuhr das Team zu einem ungewöhnlichen Ort. Auf den neu geschaffenen Karten hatten sie zwei Krater entdeckt. Vielleicht Schlammvulkane. Die Merian setzte einen Kastengreifer aus, der Bodenproben aus dem Krater nehmen sollte. Doch dann passierte es. Der Greifer kam kopfüber wieder an die Meeresoberfläche. Über das, was da unten in 650 Metern Wassertiefe passiert ist, kann man nur spekulieren, aber möglicherweise touchierte er in dem engen Krater den Kraterrand und fiel um. Dabei verhedderte er sich in seinem Halteseil. Eine schwierige Situation, denn als der Greifer aus dem Wasser auftauchte, konnte er so nicht an Bord gehievt werden. Die Matrosen sicherten den Greifer mit Leinen und ließen ein Stahlseil von einem zweiten Kran herab. Zusammen mit den Technikern vom MARUM brachten sie den Kastengreifer schließlich an Bord.

Für die Wissenschaftler steckt er voller Überraschungsei mit interessanten Dingen aus Chemie, Biologie und Geologie (Foto: Thomas Willke)

Donnerstag, 22. März

Mal eben hinfahren und mit der Schaufel eine Probe nehmen, geht in der Meeresforschung meist nicht. Um aus mehreren hundert Metern biologische und geologische Proben zu holen, braucht man intensive Vorbereitungen. Einfach ins Blaue zu testen, hat keinen Zweck. Die Merian ist die halbe Nacht Matratze gefahren (s. Logbuch vom 21.3.), Dullo und sein Team haben hydrographische Untersuchungen durchgeführt und Paul Wintersteller hat vor allem genaue Unterwasserkarten dieser Region errechnet. Mit diesen Infos ausgestattet hat Fahrtleiter Dierk Hebbeln vom MARUM die Testgebiete des Tages festgelegt.

Den Anfang machte das ROV, der ferngesteuerte Unterwasserroboter. Seine Aufgabe: das Testgebiet dicht über dem Boden abfahren, filmen, fotografieren und einige Korallen einsammeln. Teamleiter Nico Nowald wusste, dass es schwierig werden würde. In dem Gebiet, in dem die Forscher Korallen vermuteten, gab es starke Strömungen. Etwa 3,5 Knoten schnell. Und das ROV schafft maximal 1,5 Knoten. Trotzdem wagten es die Forscher. Und es wurde schwierig.
Position
23°50,14‘N 087°10,49‘W (um 12.00 Uhr Bordzeit = MEZ -5 Stunden)
Kurs: DP-Mode: Follow ROV
Etmal: 183 Seemeilen (die in 24 Stunden zurückgelegte Strecke)
Durchschnittsgeschwindigkeit: 7,6 Knoten
Wetterbericht (12.00 Uhr)
Luftdruck: 1.017,2 hPa
Wind: Südost 5 Beaufort
Lufttemperatur: 26,1°C
Wassertemperatur: 26,8°C
Höhe der Dünung: 3 Meter

Oben auf der Brücke hatte der Zweite Offizier Gent Wichmann Wache. Doch auch der Kapitän Friedhelm von Staa und der Leitende Offizier Björn Maaß waren auf der Brücke. Wichmann und Nowald testeten mehrere Möglichkeiten, wie das ROV am besten Kurs halten konnte. Die größte Gefahr war, dass das ROV und sein nachgeschlepptes Gewicht in die Nähe der Pods kamen. Wichmann und Nowald fanden eine Lösung: Sie drehten die Merian fast ganz mit dem Bug gegen Wind und Strom, die glücklicherweise beide fast aus der gleichen Richtung kamen, und ließen das Schiff langsam schräg rückwärts treiben. Dank der modernen Antriebstechnik mit Pods und Jetantrieben lässt sich auch ein solch schwieriger Kurs im Computer programmieren. Mit älteren Schiffen hätte man diesen Kurs nur mühselig per Hand steuern können. Das wäre sehr anstrengend und damit für längere Strecken fast unmöglich gewesen.

Gesteuertes Treiben: Zweiter Offizier Gent Wichmann programmiert das Positionierungssystem der Merian (Foto: Thomas Willke)

Gebanntes Warten: Geologe André Freiwald und ROV-Pilot Nico Nowald verfolgen den Tauchgang des ROVs auf den Bildschirmen. (Foto: Thomas Willke)

Fahrtleiter Dierk Hebbeln war sehr zufrieden mit den ersten Ergebnissen und schickte seine Teams an zwei Positionen zurück, an denen mit einem Kastengreifer und einem Schwerelot Bodenproben gezogen werden (mehr dazu morgen). Die Analysen werden bis in die Nacht durchgeführt werden.

Letzte Handgriffe: ROV-Pilot Götz Ruhland macht den Tauchroboter klar für den ersten richtigen Tauchgang. (Foto: Thomas Willke)

3 Fragen zu . . .

. . . was Kaltwasserkorallen mögen

beantwortet heute Christian Dullo, Professor für Meeresgeologie vom Forschungsinstitut GEOMAR in Kiel, zur Zeit mit seinem Team an Bord der „Maria S. Merian“.
Was machen Sie und Ihr Team auf dieser Tour?
Dullo:
Wir machen chemische und physikalische Untersuchungen des Meeres. Vor allem die wichtigen Parameter: Salzgehalt, Temperatur und Dichte. Im Englischen heißt das CTD, und darum nennen wir unsere Testsonde auch so, obwohl sie viel mehr kann. An der Sonde befinden sich auch „Wassersammler“, mit denen wir in verschiedenen Tiefen Wasserproben sammeln, um sie anschließend im Labor zu analysieren.
Was haben die Daten für das heutige Testgebiet ergeben?
Dullo:
Die Lebensbedingungen sind in den passenden Wassertiefen so, wie es die Wasserkorallen mögen. Das Wasser wiegt dort 1.027,5 Kilogramm pro Kubikmeter und nach unseren Erkenntnissen aus dem Ostatlantik „mögen“ die Lophelia-Kaltwasserkorallen diese Druckverhältnisse. Darunter ab 725 Meter haben wir antarktisches Zwischenwasser gefunden. Es kommt aus dem Südpolarmeer und liegt über der eigentlichen Tiefsee, darum der Name „Zwischenwasser“. Es hatte 7,17 ° Celsius und wurde nach unten immer kälter. Das ist zu kalt für Lophelia. Am Boden war das Meer etwa 4° Celsius kalt.
Wie sind Sie auf dieses Untersuchungsgebiet gekommen?
Dullo:
Wir haben hier vor zwei Jahren auf einer Expedition im Golf von Mexiko mit dem Echolot interessante Strukturen am Meeresboden entdeckt. Aber damals konnten wir keine Bodenuntersuchungen durchführen – und darum sind wir jetzt wieder hier.

Christian Dullo, Professor für Meeresgeologie vom Forschungsinstitut GEOMAR in Kiel

Mittwoch, 21. März

Endlich im Arbeitsgebiet. 1600 Seemeilen hat die Merian seit Barbados zurückgelegt, einmal quer über das Karibische Meer. Seit 10.00 Uhr wird gemessen – und prompt hat der Wind kräftig zugelegt. Am Vormittag wehte er teilweise stürmisch mit 7 Beaufort. Seitdem sieht man Menschen in Schlangenkurven über das Deck laufen.

Zwei Aufgaben hat die Merian heute auf ihrem Programm. Mit den Fächerecholoten der Merian erstellen Paul Wintersteller, Meeresvermesser und „Diplomat“ (s. Logbuch vom 15. und 16.3), und Gregor Eberli, Geologe von der Universität Miami, detaillierte Karten von einem interessanten Bereich im Osten der Straße von Yucatan. Sie tasten den Meeresboden mit Schallsignalen ab. Bisher gibt es von dieser Meeresregion keine derartigen Detailkarten.

Dazu fährt die Merian zuerst eine Strecke von 135 Seemeilen in nördlicher Richtung ab und kartografiert anschließend eine Region besonders gründlich. „Matratze fahren“ nennen die Fachleute das. Dazu fährt die Merian ein Seegebiet ab wie ein Bauer einen Acker. Sie fährt einige Meilen geradeaus, wendet und fährt 700 Meter versetzt parallel zur ersten Strecke zurück. Das macht sie wieder und wieder, bis sie ihren Plan erfüllt hat und die Meeresboden-Landkarte fertig ist.

Die Merian hat zwei Fächerecholote für diese Aufgaben. Ein vier Meter langes für große Tiefen bis 12.000 Meter, das fest im Rumpf installiert ist und ein knapp ein Meter langes für mittlere und geringe Tiefen bis ungefähr 1000 Meter. Selbst dieses „kleine“ Echolot wiegt mit Halterung etwa eine Dreiviertel-Tonne. Bootsmann Norbert Bosselmann und die Matrosen Tobias Siefken, Andreas Wolff und Gerd Müller haben es heute Vormittag vom Hangar, dem zentralen großen Arbeitsraum auf dem Hauptdeck, in einen Schacht, den „Moonpool“, eingesetzt und es hinunter zum Boden des Schiffs hinabgelassen. Ein Job, der Kraft und trotzdem Fingerspitzengefühl verlangt.

Das Arbeitsgebiet der Merian in der Straße von Yucatan. In der Nacht zum Donnerstag fährt sie 135 Seemeilen nach Norden und kartiert diese Strecke, dann wird sie in A2 einen Bereich sehr genau kartieren.Mit Hilfe der neuen Karte wird am Donnerstagmorgen der Rauchroboter eingesetzt.

Position
22°00,81‘N 086°05,36‘W (um 12.00 Uhr Bordzeit = MEZ -5 Stunden)
Kurs: 247°
Etmal: 260 Seemeilen (die in 24 Stunden zurückgelegte Strecke)
Durchschnittsgeschwindigkeit: 10,8 Knoten
Wetterbericht (12.00 Uhr)
Luftdruck: 1015,1 hPa
Wind: Ostsüdost 6-7 Beaufort
Lufttemperatur: 26,3°C
Wassertemperatur: 26,1°C
Höhe der Dünung: 3 Meter

Die Matrosen setzen das Fächerecholot in den Rumpf der Merian ein.
(Foto: Thomas Willke)

Der zweite wichtige Tagespunkt sind physikalische und chemische Untersuchungen des Meerwassers in verschiedenen Tiefen, die Christian Dullo, Thorsten Garlichs und Silke Glogowski vom GEOMAR in Kiel durchführen (s. morgen in „3 Fragen zu …“). Paul Wintersteller braucht diese Daten sofort, um seine Echolot-Daten zu korrigieren. Er produziert seine Karten mit Hilfe des vom Meeresboden zurückgestrahlten Schallsignals. „Ich muss wissen welche Temperatur und Dichte das Meerwasser in den verschiedenen Tiefen hat, weil beide Faktoren die Schallgeschwindigkeit verändern. Außerdem verändert sich der Winkel, mit dem der Schall zurückkommt, wenn er von dichtem auf weniger dichtes Wasser trifft“, sagt Wintersteller. „Wenn wir das nicht korrigieren, bekommen wir Fehler in unseren Karten.“

Nachdem die CTD wieder an Bord ist, analysiert die Geologin Silke Glogowski vom GEOMAR/Kiel Wasserproben aus verschiedenen Meerestiefen.
(Foto: Thomas Willke)

Das Testgerät CTD verschwindet im Meer. Es nimmt Wasserproben und misst chemische und physikalische Eigenschaften des Meeres in verschiedenen Tiefen.
(Foto: Thomas Willke)

Dienstag, 20. März

Die Merian fährt heute die Südküste Kubas entlang und passiert die Caymaninseln. Morgen soll die Merian ihr erstes Arbeitsgebiet erreichen. Unter den Wissenschaftlern kommt Unruhe auf. Sie wollen endlich loslegen. Durch die Verzögerungen am Anfang hatten sie mehr als genug Zeit, das Schiff für ihre Zwecke einzurichten. Alle Testläufe sind durchgeführt, alle Geräte einsatzbereit. Heute lief nur noch ein kurzer Test mit der Posidonia-Antenne.

Das Arbeitsgebiet der Merian. Die gestrichelten Quadrate kennzeichnen die einzelnen Untersuchungsgebiete. Die farbigen Punkte kennzeichnen Orte, an denen Forscher bereits Kaltwasserkorallen entdeckt haben. Bei den grauen Punkten hat man im Echolot Strukturen entdeckt, die aussehen wie die Bauwerke der Korallen, die sogenannten Mounds, zum Teil über 100 Meter hohe Unterwasserhügel. Insgesamt sind die Kaltwasserkorallengebiete Amerikas nur wenig erforscht. Diese Expedition soll das ändern.

Position
20°09,05‘N 081°59,59‘W (um 12.00 Uhr Bordzeit = MEZ -5 Stunden)
Kurs: 288°
Etmal: 300 Seemeilen (die in 24 Stunden zurückgelegte Strecke)
Durchschnittsgeschwindigkeit: 12,5 Knoten
Wetterbericht (12.00 Uhr)
Luftdruck: 1015,5 hPa
Wind: Ost 5 Beaufort
Lufttemperatur: 25,7°C
Wassertemperatur: 26,7°C
Höhe der Dünung: 3 Meter

Blick vom Achterdeck der Merian.

In den Laboren sind alle Messgeräte und Mikroskope aufgebaut und sorgfältig festgelascht. Nichts darf an Bord durch die Gegend fliegen können. Was runterfallen kann, wird auch irgendwann runterfallen – und kaputtgehen. Darum haben alle Labor- und Schreibtische „Augen“, geschlossene Stahlringe, durch die man Taue oder Spanngurte ziehen kann, um damit Computer oder andere Geräte zu fixieren.

Dasselbe Prinzip wird auch an Deck angewandt. Dort stehen Schwerelot, Tauchroboter und Greifer. Damit man überall etwas befestigen kann, befinden sich in regelmäßigen Abständen Löcher mit einem Innengewinde im Decksboden. Hier kann man seine Geräte entweder festschrauben oder man dreht wieder ein stählernes „Auge“ hinein und lascht daran fest, was nicht umfallen oder über Bord gehen darf.

Dazu gehören auch die insgesamt 7 Container, die auf dem Hauptdeck, dem darüber liegenden Backdeck und dem 1. Aufbaudeck stehen. Manche enthalten Rohre und Werkzeug, das die Forscher aus Bremen mitgebracht haben, einer eine Wetterstation, andere Zusatzlabore oder Werkstätten. Mit den Containern, die die Forscher oft komplett zu Hause vorbereiten, kann ein Forschungsschiff schnell auf eine ganz andere Aufgabe vorbereitet werden.

Bordelektriker Hendrik Schmidt repariert die Kühlpumpe des Kranmotors, mit dem die Unterwasserroboter ins Wasser gehievt und wieder herausgeholt werden.

3 Fragen zur . . .

. . . Geschichte der Kaltwasserkorallen

beantwortet heute Dierk Hebbeln, Professor für Meeresgeologie an der Universität Bremen, zur Zeit als Fahrtleiter an Bord der „Maria S. Merian“.
Was wollen Sie auf dieser Expedition herausfinden?
Hebbeln:
Wir wollen verstehen und herausfinden, warum die faszinierenden Ökosysteme der Kaltwasserkorallen im Laufe der Erdgeschichte an manchen Orten der Welt aussterben, während sie an anderen Orten prächtig gedeihen. In Europa sieht das so aus: Heute gibt es große Vorkommen vor Norwegen und Irland, aber vor Spanien und Marokko finden sich nur fossile Kaltwasserkorallen, aber keine lebenden. Dieses Hin und Her hat sich im Laufe der Erdgeschichte öfter wiederholt. Das ist wie eine Wippe. Mal hier, mal dort. Aber nie zugleich. An der Temperatur allein kann es nicht liegen, und deshalb wollen wir herausfinden, welches dabei die kontrollierenden Faktoren sind.
Wie wollen Sie das herausfinden?
Hebbeln:
Die Korallen siedeln auf den Kalkskeletten ihrer Vorfahren – und am Meeresboden sammeln sich Sedimente aus Resten von Tieren, angeströmtem Schlick und anderem Material. Sowohl der Korallenstock als auch der Schlick im Meeresboden sind also Archive, die die jeweiligen Geschichten „aufzeichnen“. Wir wollen benachbart liegende Korallenhügel und Meeresböden beproben, um so herauszufinden, unter welchen Umweltbedingungen es den Korallen besonders gut ging und wann nicht.
Warum untersuchen Sie das in Amerika?
Hebbeln:
Zum einen sind die amerikanischen Bestände in dieser Hinsicht kaum erforscht, weder die USA noch Mexiko haben dafür die passenden Schiffe. Meine Kollegen aus Mexiko und USA, Hector Reyes und Gregor Eberli, sind darum sehr erfreut, mit uns mitfahren zu können. Außerdem müssen die Korallen vor Norwegen nach der letzten Eiszeit ja irgendwo hergekommen sein. Sie könnten natürlich aus Spanien stammen. Aber wenn man sich die Strömungskarten des Nordatlantik anschaut, dann sieht man, dass der Golfstrom vom dem Gebiet, in dem wir forschen wollen, genau nach Irland und Norwegen strömt. Vielleicht sind unsere Korallen ja Amerikaner. Das wollen wir mit Gen-Untersuchungen herausfinden.

Dierk Hebbeln, Professor für Meeresgeologie an der Universität Bremen

Montag, 19. März

Die Merian passiert heute Jamaikas Nordküste in teilweise nur 10 Seemeilen Entfernung. Die Berge der Insel sind gut zu erkennen.

Zum Auftrag der Merian gehört nicht nur die Erkundung der Tiefsee. An Bord ist auch Friedhelm Jansen vom Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg. Er erforscht Wolken und sogenannte Aerosole, feinstverteilte Teilchen in der Luft. Zu beiden Phänomenen fehlen den Klimaforschern wichtige Daten. „Sowohl Wolken als auch die von Menschen in die Atmosphäre ausgestoßenen Aerosole sind die größten Unsicherheitsfaktoren in den Klimamodellen“, sagt Jansen. Um diese Wissenslücken zu schließen, schlossen sich Wissenschaftsorganisationen unter Federführung der NASA aus aller Welt zusammen und errichteten 650 Aerosolbeobachtungsstationen weltweit. Diese Stationen arbeiten robotergesteuert weitgehend automatisch. Es gibt diese Stationen überall von der Arktis bis zur Antarktis auf allen Kontinenten – aber nur an Land und nicht auf See.

Auf See sind die Messungen schwierig: Um die Konzentration von Aerosolen in der Atmosphäre zu bestimmen, messen die Forscher die Intensität des Sonnenlichts. Je niedriger die Lichtstärke desto größer ist die Verschmutzung der Luft mit feinsten Partikeln. Für eine präzise Messung muss man die Sensoren des Messgeräts genau in den Strahlengang der Sonne richten – und das ist auf einem schwankenden Schiff alles andere als einfach. Ein Mensch lernt jedoch relativ schnell, sich den Bewegungen eines Schiffs anzupassen und das Schlingern oder Rollen auf See auszugleichen. Für Roboter ist dies bis heute extrem schwierig und so sind menschliche Beobachter zur Zeit noch unersetzlich.

Das Sonnenlichtmessgerät – ein Photometer – erkennt 5 Frequenzen des Sonnenlichts. Mit seiner kleinen Kamera erkennt Jansen, ob sich während der Messung kaum sichtbare Wolkenschleier vor die Sonne geschoben haben.
(Foto: Thomas Willke)

Position
18°35,58‘N 076°58,10‘W (um 12.00 Uhr Bordzeit = MEZ -5 Stunden)
Kurs: 288°
Etmal: 235 Seemeilen (die in 24 Stunden zurückgelegte Strecke)
Durchschnittsgeschwindigkeit: 9,8 Knoten
Wetterbericht (12.00 Uhr)
Luftdruck: 1017,0 hPa
Wind: Ost 5 Beaufort
Lufttemperatur: 25,5°C
Wassertemperatur: 26,9°C
Höhe der Dünung: 2 Meter

Jamaika am Horizont. Das Wasser der karibischen Hochsee ist tatsächlich so strahlend blau.
(Foto: Thomas Willke)

Friedhelm Jansen misst das Sonnenlicht ganz oben auf dem Peildeck der Merian.
(Foto: Thomas Willke)

Mitarbeiter des MPI fahren darum immer wieder auf Forschungsschiffen mit. Ihre Messzeiten stimmen sie mit den Beobachtungssatelliten des „A-Trains“ ab. Dessen 7 Satelliten umkreisen die Erde in jeweils nur 100 Minuten und bestimmen die Zusammensetzung der Atmosphäre von oben. Jansen und seine Kollegen messen von unten und das vor allem am Morgen und am späten Nachmittag wenn die Sonne niedrig steht. „Dann muss das Sonnenlicht einen besonders langen Weg durch die Atmosphäre zurücklegen und wir bekommen sehr genaue Ergebnisse“, erklärt Jansen. Natürlich darf sich die Sonne bei den Messungen nicht hinter einer Wolke verstecken. Das würde völlig unsinnige Messwerte ergeben. Wolken sind allerdings manchmal so durchsichtig, dass das man sie mit bloßem Auge nicht erkennt, vor allem wenn man dazu genau in die Sonne blicken muss. Jansen fotografiert darum die Sonne während der Messung. Kameras sind unbestechlich und erkennen auch feinste Wolkenschleier.

Thomas Willke, Korrespondent von bild der wissenschaft, von Bord der Maria S. Merian

Blick vom Peildeck der Merian in die Sonne: Mit dem bloßen Auge waren die feinen Wolken nicht zu sehen. Diese Messung musste Jansen wiederholen.
(Foto: Friedhelm Jansen)

Sonntag 18. März

Die Merian fährt heute entlang der Südküste der Insel Hispaniola auf der Haiti und die Dominikanische Republik liegen. Hier ist das Karibische Meer etwa 4500 Meter tief.

Der wichtigste Tagespunkt wurde von vielen Forschern bereits voller Unruhe erwartet. Am frühen Nachmittag stoppte die Merian auf Position 17°26,77‘N 073°14,83‘W. Das ist ca. 40 Seemeilen südlich von Haiti. Hier wurde der Unterwasserroboter getestet, das ROV (remotely operated vehicle), wie es die Forscher nennen. Dazu setzen die Matrosen unter Leitung von Bootsmann Norbert Bossselmann die Posidonia-Antenne in einen Schacht im Schiffsrumpf ein. Dazu öffnen sie ein ungefähr ein mal ein Meter großes Loch im Hangar des Schiffs, das hinunter ins Meer führt. An Ketten lassen die Matrosen die Antennen in ihrem schweren Stahlrahmen hinunter.

„Antenne ist eigentlich nicht der richtige Ausdruck, auch wenn es die gleiche Funktion erfüllt“, erklärt Martin Tomiak, System-Operator der Merian. „Es ist ein akustisches System aus vier Mikrofonen, die in vier verschiedene Richtungen zeigen. Das Posidonia-System empfängt vom ROV Schallsignale und da der Schall die Mikrofone nicht zum gleichen Zeitpunkt erreicht, sondern ganz leicht versetzt, kann man aus dem Zeitunterschied berechnen, wo sich das ROV befindet.“ Nur so ist es möglich, überhaupt zu wissen, wo genau unter dem Schiff sich das ROV befindet.

Für den Leiter des ROV-Teams, Nico Nowald, und seine Mannschaft ist dies ein spannender Augenblick: Funktionieren alle Systeme wie geplant? Der Erfolg der ganzen Mission hängt davon ab.

Vorsichtig hebt die Crew der Merian das ROV mit einem Spezialkran hoch und lässt es langsam ins Meer ab. Dann folgt ein 2 Zentner schwerer Stahlrahmen. Er hält das Verbindungskabel des ROVs immer in der passenden Tiefe. Das Verbindungskabel ist ein stabiles Stahlkabel, in dessen Inneren ein Glasfaserkabel Daten von und zur Merian transportiert. Nowald und sein Co-Pilot, Götz Ruhland, sitzen in einem Raum direkt neben dem Spezialkran. Sobald das ROV im Meer ist übernehmen sie die Steuerung des Roboters. Langsam bringen sie ihn auf 250 Meter Wassertiefe und testen alle Funktionen, die sie in den nächsten Wochen ständig brauchen werden. Irgendwann kommt die Erleichterung: Alles funktioniert. Das ROV kommt zurück an Bord und die Merian nimmt wieder Fahrt auf. Gegen Mitternacht wird sie zwischen Jamaika und Hispaniola durchfahren, wenn nichts dazwischen kommt.
Position
17°23,05‘N 073°05,1‘W (um 12.00 Uhr Bordzeit = MEZ -5 Stunden)
Kurs: 288°
Etmal: 298 Seemeilen (die in 24 Stunden zurückgelegte Strecke)
Durchschnittsgeschwindigkeit: 12,4 Knoten
Wetterbericht (12.00 Uhr)
Luftdruck: 1017,4 hPa
Wind: Ost 4 Beaufort
Lufttemperatur: 25,8°C
Wassertemperatur: 27,0°C
Höhe der Dünung: 2-3 Meter

Das ROV taucht ab.
(Foto: Thomas Willke)

Die Matrosen lösen das Verbindungsseil zum ROV. Jetzt ist es nur noch über das gelbe Verbindungskabel mit der Merian verbunden.
(Foto: Thomas Willke)

 
 
 

3 Fragen zu . . .

. . . Kaltwasserkorallen

beantwortet heute Andre Freiwald, Professor für Meeresgeologie an der Universität Bremen und Leiter von Senckenberg am Meer in Wilhelmshaven, zur Zeit mit seinen Mitarbeitern an Bord der „Maria S. Merian“.
Was haben Kaltwasserkorallen und die „normalen tropischen Korallen“ gemeinsam?
Freiwald:
Beide sind Tiere. Beide haben ein Kalkskelett. Die tropischen Korallen bauen daraus die Flachwasserriffe, gegen die man mit dem Schiff fahren kann. Die anderen bauen Riffe in der Tiefsee, die wir erst seit kurzem erforschen können.
Worin bestehen die wichtigsten Unterschiede zwischen den beiden Korallenarten?
Freiwald:
Im Grunde darin, dass die tropischen Korallen Symbionten haben, quasi Lebenspartner zum gemeinsamen Nutzen. Das sind einzellige Pflanzen, sogenannte Dinoflagellaten.
Die Koralle nimmt sie schon als Larve auf und lässt sie in ihrem Körper leben. Für die Alge hat das Vorteile: Die tropischen Meere sind sehr nährstoffarm und Pflanzen brauchen zum Wachstum Nährstoffe wie Phosphat und Nitrat. Die erhalten sie aus den Exkrementen der tierischen Korallen. Im Gegenzug produzieren die Algen Sauerstoff, veratmen Kohlendioxid und verändern so das Karbonat-Gleichgewicht in den Zellen der Korallen. Das macht es den Korallen leichter zu verkalken, denn Kalk besteht ja aus den beiden Komponenten Kalzium und Karbonat. Die Kaltwasserkorallen leben in größerer Tiefe, so ab 50 Meter bis etwa 6000 Meter Wassertiefe, wo es dann irgendwann völlig dunkel wird. Deswegen können die auch mit Pflanzen als Symbionten gar nichts anfangen.
Wovon leben Kaltwasserkorallen?
Freiwald:
Sie sind Fleischfresser und leben vor allem von Planktonorganismen, kleinen Krebstierchen. Die Korallen nehmen sie mit ihren Tentakeln auf. Viele Planktonorganismen, vor allem die kleinen Krebse, machen eine tägliche Wanderung von über 1000 Meter Tiefenunterschied. Tagsüber wenn die Sonne scheint, schwimmen sie oben an der Wasseroberfläche und fressen dort Algen. Abends sinken sie dann auf Tiefe. So abends um halb acht ist unten Happy Meal Hour für die Kaltwasserkorallen. Die sitzen in 800 Meter Wassertiefe und machen ihre Tentakelkronen auf und warten auf die Krebse. Von denen erwischen sie sehr viele.

Andre Freiwald, Professor für Meeresgeologie an der Universität Bremen und Leiter von Senckenberg am Meer in Wilhelmshaven

Sonnabend, 17. März

Seit eineinhalb Tagen fährt die Merian mit Kurs 288°. Sie befindet sich inzwischen südlich der östlichsten Seite der Insel Hispaniola auf der die Dominikanische Republik und Haiti liegen. Die Merian befindet sich auf einem Überführungstörn. Ihr vorheriges Einsatzgebiet lag vor der Küste Brasiliens. Hier haben Forscher unter der Leitung von Stefan Mulitza vom MARUM (Zentrum für Marine Umweltwissenschaften der Universität Bremen) den Meeresboden beprobt, um mehr über die Klimageschichte der Erde zu erfahren. Das nächste Einsatzgebiet der Merian liegt vor der Küste Yucatans. Hier wird ein internationales Team um den Geologen Dierk Hebbeln, ebenfalls vom MARUM, einige der ungewöhnlichsten Bewohner in der Tiefe der Meere erforschen: Kaltwasserkorallen (s. Interview im morgigen Logbuch). Ihr Einsatzgebiet wird die Merian wahrscheinlich am Dienstag erreichen, wenn nichts dazwischen kommt.

Überführungsfahrten sind oft ruhige Fahrten (wenn das Wetter es zulässt). Die Wissenschaftler testen ihre Geräte und die Mannschaft nutzt die Zeit um Wartungs- und Ausbesserungsarbeiten durchzuführen. Man hört Schleifgeräusche: Matrose Karsten Peters ist mit einem druckluftgetriebenen Topfschleifgerät unterwegs, um den immer währenden Kampf des Seemanns gegen den Rost zu führen. Selbst ein gut gepflegtes Schiff wie die Merian ist davor nicht gefeit. An anderer Stelle ertönt das Klackern einer Ratsche und eines Schraubenschlüssels: Geologe Nico Nowald tauscht ein Tiefenmessgerät aus. Es hängt an einem Gewicht, das die Kabel des Unterwasserroboters (ROV) beim Tauchen in der richtigen Höhe halten wird.
Position
15°50,0‘N 068°08,90‘W (um 12.00 Uhr Bordzeit = MEZ -5 Stunden)
Kurs: 288°
Etmal: 293 Seemeilen (die in 24 Stunden zurückgelegte Strecke)
Durchschnittsgeschwindigkeit: 12,2 Knoten
Wetterbericht (12.00 Uhr)
Luftdruck: 1017,0 hPa
Wind: Ost 5 Beaufort
Lufttemperatur: 25,9°C
Wassertemperatur: 26,4°C
Höhe der Dünung: 2 Meter
Auf der Brücke hat heute der erste Offizier die Wachen von Mitternacht bis 04.00 Uhr und von Mittag bis 16.00 Uhr. Unterstützt wird er dabei von einem Matrosen als Seewache. Er beobachtet ebenfalls Meer und Schiffsverkehr, aber er arbeitet nicht unbedingt auf der Brücke. Er inspiziert das Schiff, kontrolliert alle Decks und repariert was notwendig ist.

Das Steuer der Merian wurde seit über einem Tag nicht bedient. Die Merian hält ihren Kurs unter Autopilot. Trotzdem ist die Brücke immer besetzt. Der wachhabende Offizier beobachtet das Meer, das Wetter, andere Schiffe, kontrolliert das Radar, den Kurs und studiert die Wetterberichte. Sie sagen keine großen Veränderungen voraus. Die Merian befindet sich in der Zone der Passatwinde. Die Winde wehen hier in der Karibik sehr zuverlässig während der Winter- und frühen Frühlingsmonate, meist aus östlichen Richtungen mit 4 bis 5 Beaufort (20-38 Stundenkilometer). Stürme sind selten. Ungewöhnlich ist zur Zeit nur die hohe Luftfeuchtigkeit (76 Prozent relative Luftfeuchtigkeit um 12.00 Uhr). Eigentlich ist jetzt Trockenzeit. Trotzdem ist es schwül und es gibt immer wieder kurze Regenfälle.

Größere Menschenansammlungen findet man im Besprechungsraum. Das Team ist international zusammengesetzt: Forscher aus Mexiko, Italien, den USA und Portugal arbeiten mit den deutschen Kollegen zusammen, die wiederum aus Bremen (MARUM), Kiel (Geomar), Wilhelmshaven (Senckenberg am Meer) und Hamburg (Max-Planck-Institut für Meteorologie) kommen. Es sind Geologen, Biologen, Techniker und Ingenieure. Die Forscher nutzen die Überführungszeit um sich gegenseitig ihre Projekte vorzustellen und zu diskutieren.

Heute hat Gregor Eberli von der Rosenstiel School of Marine and Atmospheric Science in Miami, USA, das Revier vor „seiner Haustür“ vorgestellt: die Straße von Florida zwischen Florida und den Bahamas. Hier „quetscht“ sich der Golfstrom, der hier noch Florida-Strom heißt, zwischen den Inseln und dem Festland durch. Er transportiert hier 1000mal soviel Wasser wie der Amazonas nach Norden. Tief unten in etwa 800 Meter gibt es jedoch kräftige Gegenströme. Dort leben Kaltwasserkorallen in einer Hügellandschaft. „Und zwar nicht mal hier oder dort, sondern einfach überall. Es sind wahre ‘Regenwälder‘ dort unten“, berichtet der gebürtige Schweizer Eberli. Es gibt viel zu erforschen in dieser Region und bei vielen Wissenschaftlern leuchteten die Augen als sie Eberlis Fotos und Tiefseekarten sahen.

Thomas Willke, Korrespondent von bild der wissenschaft, von Bord der Maria S. Merian

Auf der Brücke der Merian: Wie auf allen modernen Schiffen übernimmt der Autopilot auf Langstrecken das Steuer. Der wachhabende Offizier kontrolliert und greift notfalls ein.

Roboter-Pilot Nico Nowald tauscht ein Tiefenmessgerät aus. Es wird bei den Taucheinsätzen die Kabel des ROVs – das hinter Nowald steht – in der richtigen Tiefe halten.

Freitag, 16. März

Endlich auf See und nun auch unterwegs: Die „Maria S. Merian“ hat Barbados verlassen und fährt auf einem Kurs etwas nördlicher als West durch das karibische Meer in Richtung Straße von Yucatan (zwischen Mexiko und Kuba). Bis gestern war völlig unklar, ob die Merian ihr Forschungsprogramm wie geplant durchführen kann. Mexiko verlangte seit kurzem Arbeitsvisa für Forscher, die Arbeiten in mexikanischen Gewässern durchführen wollen – auch wenn sie das Land nicht betreten. (Das klingt seltsam, wird aber von einigen Ländern so gehandhabt. So verlangen auch der Oman und Brasilien solche Visa.) Und dieses Verfahren zog sich in die Länge. Fahrtleiter Dierk Hebbeln schickte darum den Meeresvermesser Paul Wintersteller zur nächstgelegenen mexikanischen Botschaft nach Trinidad, um zu retten was zu retten war. Hier ist seine Geschichte:

Um vier morgens ging es hinaus zum Flughafen, wo Wintersteller erst einmal auf geballtes Misstrauen stieß, als sein Gepäck kontrolliert wurde. Was macht ein Mann mit 20 verschiedenen Pässen? Schwarzhandel? Menschenschmuggel? Mit seiner diplomatischen Art (darum hat ihn das Schiff ja als Sonderbeauftragten geschickt) konnte er die Situation klären. „Das war ein kleines Problem verglichen mit der sonstigen Unsicherheit. Es war völlig unklar, ob es ausreicht, wenn ich alleine in Trinidad erscheine, oder ob jeder Mitarbeiter persönlich erscheinen muss. Das hätten wir zeitlich und finanziell nicht geschafft. Die Untersuchungen in mexikanischen Gewässern hätten ausfallen müssen“, meint Wintersteller.

Das wollte auch der deutsche Botschaftsrat Ullrich Kinne in Trinidad verhindern. Er schickte dem Emissär der Merian einen Wagen mit Chauffeur in Livree. „Ich nehme an, da ich kein Staatsgast war, montierte der Fahrer vor der Fahrt die deutsche Flagge ab, berichtet Wintersteller. Kinne empfing Wintersteller in der deutschen Botschaft und besprach mit ihm die Situation. Zusammen ging es dann zur mexikanischen Botschaft. Hier wurden sie mit offenen Armen empfangen. Counsellor José Rangel war es offensichtlich sehr wichtig, dass die deutsch-mexikanische Forschungskooperation weiterhin problemlos funktioniert. Sein Problem: Er musste jeden Visumsantrag in Mexiko-Stadt gegenchecken lassen, ob gegen einen der Antragsteller etwas vorlag. Dazu mussten alle Pässe, Anträge und die bereits an Bord abgenommenen Fingerabdrücke aller Antragsteller eingescannt und über eine interne Datenverbindung nach Mexiko geschickt werden. Aber bis 15.30 Uhr sollte es geschafft sein.
Als Kinne und Wintersteller um 15.30 Uhr wieder zurückkamen, waren gerade vier Anträge in Mexiko gelandet und ein Visum bewilligt. Die Datenleitung, die durch das Meer nach Venezuela und von da weiter nach Mexiko führt, schien völlig überlastet. Rangel war das sehr unangenehm. Er wollte das Projekt nicht an einer Datenleitung scheitern lassen und versprach, notfalls mit seinen Mitarbeitern eine Nachtschicht einzulegen.

Den Rückflug nach Barbados an diesem Abend konnte Wintersteller nun vergessen. Er musste den Flug verfallen lassen und rief den Agenten der Merian in Barbados an, für morgen eine Rückkehr zu organisieren. Schiffsagenten erledigen für Schiffe all solche Dinge in fremden Häfen. Sie sitzen vor Ort, kennen die Gepflogenheiten, Gesetze und Verfahren des Landes – und wissen vor allem, mit wem man reden muss. Sie organisieren zum Beispiel auch den Transport der Container mit Forschungsmaterial, die die Merian mit jedem Teamwechsel aufnehmen und auch wieder zurückschicken muss. „So ein Flug zwischen den karibischen Inseln ist gar nicht so einfach. Es gibt nicht viele Flüge, und diverse fallen aus – so auch an dem Tag als ich von Barbados nach Trinidad geflogen bin“, berichtet Wintersteller.

Er besorgte sich eine Zahnbürste und eine Unterkunft und wartete. Um 20.00 Uhr kam die erlösende Nachricht von Kinne: Alle Visa wurden erteilt. Er könne sie am nächsten Morgen abholen. Alles klar. Mittlerweile konnte der Agent einen Flug buchen, allerdings erst für 19:35, mit Carribean Airlines. Das wäre allerdings auch die letzte Möglichkeit gewesen, um nach Barbados zu gelangen. Glücklicherweise hat Frau Cox von der Deutschen Botschaft noch einen weiteren Flug mit LIAT um 14:30 aufgetan, der allerdings noch zwei Zwischenlandungen auf anderen karibischen Inseln beinhaltete. Was tun, kurze Besprechung mit dem Fahrtleiter und es wurde beschlossen diesen Flug zu buchen. Er bot auch die Möglichkeit Wintersteller noch vor Einbruch der Dunkelheit per Lotsenboot zur Merian zu bringen, die nun bereits außerhalb des Hafens auf Reede lag. Nach Sonnenuntergang nehmen Wind und Wellen zu. Selbst in der geschützten Bucht vor Bridgetown können dann Wellen von einem Meter Höhe auftreten. Vom Lotsenboot aufs große Schiff über eine Strickleiter zu klettern ist bei Dunkelheit schwieriger und gefährlicher. Das kleine Schiff geht mit jeder Welle rauf und runter, das große nicht. Man läuft Gefahr sich Füße oder Beine abzuklemmen, wenn der Schritt vom Lotsenboot zum Schiff nicht erfolgt, wenn beide Schiffe auf gleicher Höhe sind.
Position
14°17,67‘N 063°20,99‘W (12.00 Uhr Bordszeit = MEZ -5 Stunden)
Kurs: 288°
Etmal: 228 Seemeilen (die in 24 Stunden zurückgelegte Strecke)
Wetterbericht (12.00 Uhr)
Luftdruck: 1016,8 hPa
Wind: Ost 5 Beaufort
Lufttemperatur: 25,9°C
Wassertemperatur: 26,5°C
Höhe der Dünung: 3 Meter

Yucatan voraus. Mit Kurs 288° fährt die Merian durch das karibische Meer in den Sonnenuntergang.
(Foto: Thomas Willke)

Botschaftsrat Ullrich Kinne war auch während des Mittagsessens im Einsatz, um Fragen mit den mexikanischen Kollegen zu klären.
(Foto: Paul Wintersteller)

Counsellor Josè Rangel beseitigte die letzten Verwaltungshürden.
(Foto: Paul Wintersteller)

 
 
Wintersteller bekam den frühen Flug. Mit einem kleinen Island-Hopper, der über Grenada und St. Vincent nach Barbados flog. So weit so gut – nur in Barbados durfte Wintersteller nicht einreisen, da er kein Rückflugticket hatte. Die Einreisebehörde verdächtigte ihn illegal im Land bleiben zu wollen. Also musste wieder der Agent ran (ein guter Agent ist Gold wert, ist die Erfahrung aller Fahrtleiter von wissenschaftlichen Expeditionen), der die notwendigen Unterlagen besorgte. Um 18.00 Uhr war Paul Wintersteller wieder auf der Merian, die dann sofort Kurs auf die Straße von Yucatan nahm.

Seitdem wird das Schiff von Tölpeln begleitet. Für die eleganten großen Vögel ist das aufgewühlte Wasser rund um die Merian anscheinend ein guter Jagdgrund. So ist die Merian endlich, wenn auch mit 1 ½ Tagen Verspätung, auf dem Weg zum ersten Arbeitsgebiet vor der mexikanischen Yucatan-Halbinsel. Ohne den Einsatz der deutschen Botschaften in Mexiko und auf Trinidad wäre das nicht möglich gewesen. Deshalb sind alle Eingeschifften den Herren von Römer in Mexico-City und Kinne in Port of Spain zu größtem Dank verpflichtet.

Thomas Willke, Korrespondent von bild der wissenschaft, von Bord der Maria S. Merian

Mit dem letzten Abendlicht kommt der Abgesandte Paul Wintersteller an Bord der Merian zurück.
(Foto: Nina Joseph)

Donnerstag, 15. März

Endlich auf See, aber leider nicht unterwegs. Die „Maria S. Merian“ verließ gestern Abend den Hafen von Bridgetown, Barbados und liegt seitdem in einer Bucht ungefähr eine halbe Seemeile vom alten Liegeplatz entfernt auf Reede. Eigentlich sollte sie schon Richtung Yucatan unterwegs sein, um dort die Ökologie der Kaltwasserkorallen zu untersuchen (ja, Kaltwasserkorallen gibt es in tropischen Gewässern, aber dazu mehr in einem späteren Logbucheintrag). Aber bevor das Forschungsschiff aufbrechen kann, müssen Fahrtleiter Prof. Dierk Hebbeln vom MARUM (Zentrum für Marine Umweltwissenschaften an der Universität Bremen), Kapitän Friedhelm von Staa und ihr Team erst ein technisches und ein Verwaltungsproblem lösen.

Problem 1 war das Fächerecholot, ein unglaublich präzises Instrument, das nicht nur die Tiefe des Meeres messen, sondern regelrechte „Landkarten“ voller Details des Meeresbodens erstellen kann. Diese Karten sind unverzichtbar für die Meeresforschung, denn sie zeigen den Forschern, wo es interessant ist, genauer zu messen, zu beproben oder die Tauchroboter (kurz: ROVs) hinunter zu schicken. Alles andere wäre wissenschaftlicher Blindflug.

Auf der vorhergehenden Forschungsfahrt von Brasilien nach Barbados, hatte das Fächerlot kleinere Ausfälle. Um auf Nummer sicher zu gehen, bestellte der eingeflogene Servicetechniker ein neues Bauteil. Das kam auch pünktlich auf Barbados an, wurde jedoch aus unerfindlichen Gründen vom Kurierdienst nach Venezuela weitergeschickt. Glücklicherweise schickte man es nach Barbados zurück und nicht zur Herstellerfirma nach Oslo. Gestern Abend kam der Servicetechniker an Bord und wurde heute Mittag fertig.

Wartezeit ist Arbeitszeit. Forscher und Besatzung nutzen die Zeit, um das Schiff und die Geräte für ihren Einsatz vorzubereiten. Hier bereiten der Techniker Marco Klann und die Meeresgeologin Claudia Wienberg Schaumstoffpolster vor, mit denen sie später die Probenrohre verschließen werden.
(Foto: Thomas Willke)

Position
13°05,86‘N 059°38,25‘W
Wetterbericht (12.00 Uhr)
Luftdruck: 1016,7 hPa
Wind: Ostnordost 4 Beaufort
Lufttemperatur: 27,3°C
Wassertemperatur: 26,7°C

Die Maria S. Merian im Hafen von Bridgetown, Barbados. Direkt unterhalb der „Wasserlinie“ – dem Übergang von blauer zu roter Farbe – sieht man den “Eisbrechersteven“, der der Merian bei Fahrten durchs Eis hilft.
(Foto: Thomas Willke)

Problem 2 sind die Visa. Die Merian soll vor der mexikanischen Küste Untersuchungen durchführen, in Kooperation mit mexikanischen Kollegen. Der Kaltwasserkorallenexperte Hector Reyes von der Universidad Autónoma de Baja California Sur ist darum an Bord. Allerdings hat Mexiko vor kurzen die Visabestimmungen geändert, viele Formulare mussten neu ausgefüllt, neue Fotos gemacht und Fingerabdrücke genommen werden.

Das kostete Zeit und so konnte Paul Wintersteller, eigentlich Experte für Bathymetrie (Meerestiefenmessungen), erst am Mittwoch als Abgesandter des Schiffs nach Trinidad zur dortigen Botschaft Mexikos fliegen, um die Visa abzuholen. Er ist gerade auf dem Rückflug mit den begehrten Dokumenten.
Die 2006 fertig gestellte „Maria S. Merian“ ist Deutschlands modernstes Forschungsschiff. Mit ihren 94,8 Metern Länge und 19,2 Metern Breite bietet sie Platz für 22 Wissenschaftler und 24 Mann Besatzung. Das Hightech-Gefährt ist für den Einsatz im Atlantik, für Nord- und Ostsee, aber auch für Fahrten in heiße Gebiete am Äquator geeignet. Es ist außer der „Polarstern“ das einzige europäische Forschungsschiff, das auch im Eis einsatzbereit ist. Sie kann durch bis zu 80 Zentimeter dickes Eis fahren. Als besondere Anpassung an die Polargebiete hat die Merian einen Knick im Bug, direkt unter der Wasserlinie (siehe Foto oben rechts). So kommt sie besser durchs Eis als mit geradem Bug.

Anstelle der üblichen Anordnung der Schiffsschrauben am Heck des Schiffes, hat die Merian zwei Gondeln mit den eigentlichen Antriebspropellern, die sich um 360 Grad drehen lassen und eine extrem genaue Positionierung des Schiffes im Forschungseinsatz ermöglichen. Außerdem werden so die Schrauben bei der Fahrt durch Pack- und Treibeis nicht beschädigt. Ein angenehmer Nebeneffekt ist, dass das Schiff „auf dem Teller drehen“ und in alle Richtung querfahren kann. Dieses Antriebskonzept fand sich bis vor kurzem nur bei großen Passagierschiffen, die insbesondere beim Festmachen in Häfen auf genaueste Positionierung angewiesen sind.

Thomas Willke, Korrespondent von bild der wissenschaft, von Bord der Maria S. Merian

Auch Schiffsärztin Gabriele Wolters packt mit an. Mit einem Spachtel entfernt sie Seepocken und Muscheln von einem Messgerät.
(Foto: Thomas Willke)

Deckschlosser Helmut Friesenborg schweißt einen Wasserabweiser über einer Luke auf einem Kran an. Die Abdeckplatte für diese Luke hatte sich verzogen und lies Wasser durch.
(Foto: Thomas Willke)