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Logbuch MSM 44

MSM 44 – die Expedition BAFFEAST

Vom 30.6. bis zum 30.7.2015 befährt das deutsche Forschungsschiff MARIA S. MERIAN auf seiner 44. Forschungsreise die Baffin Bay, ein zwischen Grönland und Nordkanada gelegenes Meeresbecken. Die Fahrt wurde gemeinsam von Wissenschaftlern des Alfred-Wegener-Instituts, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI), und des MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften der Universität Bremen geplant und ist Bestandteil von AMAR, der AWI-MARUM Kooperation. Darüber hinaus leistet diese Expedition einen wichtigen Beitrag für das vom MARUM koordinierte Internationale Graduiertenkolleg ArcTrain, in dem die Wissenschaftler beider Institute mit Kolleginnen und Kollegen von acht kanadischen Universitäten eng im Rahmen der Doktorandenausbildung zusammenarbeiten.

An Bord sind 24 Besatzungsmitglieder und 22 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Die Forschungsgruppen setzen sich hauptsächlich aus Meeresboden-Vermessern, Palaeo-Ozeanographen und Proxi-Analytikern zusammen. Zusätzlich sind Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Geologischen Dienstes Dänemarks (GEUS), der Universität Århus (GEO AU) und der Universität Québec à Montréal (UQAM) mit an Bord.

Die Forschungsarbeiten und Forschungsschwerpunkte dieser Expedition sind:
1) das Auskartieren und Vermessen eiszeitlicher Strukturen wie z.B. Moränen, Drumlins und Pingos, um die Rückzugsgeschichte der grönländischen Gletscher seit der letzten Eiszeit zu rekonstruieren,
2) das Gewinnen von Oberflächensedimentproben und langen Sedimentkernen zur Rekonstruktion der palaeo-ozeanographischen Verhältnisse in der östlichen Baffin Bay und
3) das Gewinnen von Planktonproben, um palaeo-ozeanographische und palaeo-klimatische Proxies für die Baffin Bay weiter zu entwickeln und zu kalibrieren.

In loser Folge werden hier zwei der eingeschifften Studentinnen, Maren Bender und Lina Madaj, in einem Blog über ihre Erlebnisse auf dieser Expedition berichten.

Logbuch 4

19.07. – Wenn wir bei unserer ersten Banane dachten, sie wäre ein gutes Beispiel für eine Banane, dann haben wir uns wohl eindeutig getäuscht. Diesmal hat es tatsächlich unser 18 Meter Schwerelot erwischt. Bei einer solchen Länge kann ein zu starker Widerstand auf dem Meeresboden auch leicht mal einen doppelten Knick in dem schweren Rohr hinterlassen. Es ist dann schon die Hilfe von ein paar mehr Männern der Crew nötig, um das Schwerlot wieder an Bord zu bekommen, denn so verbogen wie es war, passte es nicht mehr in das dafür vorgesehene Gestell. Es musste ein weiterer Kran eingesetzt werden, bis alles wieder an Deck war. Währenddessen kamen immer mehr von uns von ihren üblichen Arbeitsplätzen an Deck und aus den Laboren vorbei, um sich das Spektakel anzuschauen. An Deck mussten dann Teile des Kerns zersägt werden und die ca. fünf Meter, die tatsächlich doch Sediment enthielten, kamen am Stück auf unseren Arbeitstisch im Hangar. Danach hieß es Sondereinsatz für das Geologie-Team: statt der üblichen Prozedur des Kernschneidens an Deck und des Beschriftens drinnen, war der Kern ja nun schon drinnen und viel zu lang. Er musste also drinnen geschnitten werden und da hier das normale Gegengewicht des restlichen Schwerelotes fehlte, mussten sich einige von uns auf den Kern setzten und was das Zeug hielt festhalten, während vorne einen Meter lange Stücke abgeschnitten wurden, die dann wie üblich bearbeitet wurden. Das Ganze dauerte ein wenig länger als üblich, aber auch das schafften wir mit ganz viel Spaß in angemessener Zeit.

Die „doppelte Banane“ kommt zurück an Deck und da braucht man schon mal mehr Crewmitglieder als üblich zum Helfen.

Um die Banane in gleichlange Stücke zu schneiden, braucht es schon viele Hände, die mit anpacken.

20.07. – Heute war ein regelrechter Schlachttag, drei lange und vier kurze Kerne kamen auf den Arbeitstisch im Hangar und wurden wie üblich geöffnet und abgearbeitet. Abends nach dem Feierabend fanden sich viele zu einer gemütlichen Tisch-Party im Hangar zusammen. Auf Stopfenmatten und in Decken eingekuschelt haben alle, die kälteresistent sind, gemeinsam den Abend ausklingen lassen.
 
21.07. – Der Kernschlachttag wurde heute fortgesetzt und mit einer beinah spontanen Station abgeschlossen. Dadurch, dass man erst anhand der Parasound- und Multibeamdaten endgültig sehen kann, ob sich eine Stelle zum Kerneziehen eignet, ist so ein Spontaneinsatz kein seltener Fall. Eigentlich sind die spontanen Stationen auch das Beste, weil man plötzlich in Aktion kommt und der bis dahin „normale“ Alltag unterbrochen wird. Das Multinetz-Team hatte heute nicht wirklich viel zu tun, da ihre Proben nur entfernt zum Land genommen werden sollen und wir aber auf dem Weg in einen Fjord waren. Die armen mussten also das Wetter genießen. Wir hatten alle Mitleid ;)

Bevor das Schwerelot wieder an Deck geholt werden kann, wird das Sediment von der Außenseite abgespritzt.

22.07. – Heute kamen wir an Deck und standen gefühlt vor einer Wand – Grönland war gerade mal 400 Meter von uns entfernt! Rot und grau und ziemlich steil ragte es direkt vor uns in die Höhe und das bei immer noch 600 Metern Wassertiefe. Wir waren im Fjord angekommen. Die Aussicht bot die perfekte Gelegenheit, um neben dem Kerneziehen auch noch die Geologie Westgrönlands zu diskutieren.
Gegen Abend trat dann endlich ein, was wir eigentlich alle erwartet hatten, jedoch bis dahin nicht der Fall gewesen war: wir hatten Seegang, keinen starken, nur sehr leichten, aber man fühlte zum ersten Mal eindeutig, dass man auf einem Schiff war, denn alles schaukelte hin und her und Vorhänge und Handtücher bewegten sich im selben Rhythmus.

Grönland ganz nah vor uns, eine aufregende Aussicht während einer Geostation.

23.07. – Wenn ein 45-Stunden-Bathymetrie-Survey gefahren wird, bedeutet das für alle: aufgeschobener Arbeit nachgehen, Kerne öffnen und scannen, Kernbeschreibungen digitalisieren oder wichtige Formulare für unsere Rückreise bearbeiten. Für das Bathymetrie-Team bedeutet das: gut aufpassen und schön auf dem richtigen Weg bleiben, sonst hat das Survey nachher noch Ecken, Kanten und Löcher.
 
24.07. – Heute gab es wieder etwas Aufregendes im Multinetz zu sehen: eine relativ große, lila-rote, kegelförmige Qualle. Die arme gehörte zwar nicht zu dem erwarteten Fang, war allerdings doch sehr schön anzusehen. Das Multinetz hat fünf Netze, die man in unterschiedlichen Tiefen schließen kann und dadurch Proben aus spezifischen Wassertiefen bekommt, diese Qualle schwamm gerade auf ca. 500 Metern Wassertiefe, als das Netz sie gefangen hatte. Sie wurde Tiffy getauft und später den Walen zum Fraß vorgeworfen. R.I.P Tiffy.

Manchmal bringt das Multinetz auch Überraschungen mit an Deck: heute eine lilafarbene, außergewöhnlich aussehende Qualle.

25.07. – Samstag. Wochenende. Und an Wochenenden macht man ja bekanntlich etwas Besonderes. Das traf auf den heutigen Tag eindeutig zu. Er begann damit, dass das Multinetz-Team sein Multinetz mit einem neuen Netz und anderen Probengefäßen ausstattete, um einen vertikalen Schleppversuch durchzuführen. Dabei wurde das Netz an der gewohnten Winde seitlich am Schiff zu Wasser gelassen und statt gerade nach unten, diesmal eben während der Fahrt hinterher gezogen. Dies war lediglich ein Versuch, ob sich das Netz dafür eignete – und der war soweit erfolgreich. Danach war erst einmal wieder der übliche Arbeitsalltag angesagt, jedoch stellte das Geologie-Team zwei Leute ab, um ein Geburtstagsgeschenk für den morgigen Geburtstag eines Crewmitglieds zu basteln. Pünktlich nach der Kaffeepause musste die Arbeit unterbrochen werden für eine angekündigte Feuerübung. Mit dem Erklingen des Alarms zogen wir uns also alle warm an, schnappten uns unsere Schwimmwesten und liefen hinauf zur Musterstation, wo wir durchgezählt wurden, um sicher zu gehen, dass niemand fehlte. Doch wider Erwarten fehlte tatsächlich eine Person von uns. Was nun? Für solche Fälle hat die Crew aber natürlich einen Plan, also kein Grund zur Panik. Wir wurden in Zweierteams aufgeteilt und bekamen jeweils einen Plan mit dem uns zugewiesenen Bereich des Schiffes, in dem wir nach der vermissten Person suchen sollten. Es dauert wirklich nicht lange, da hatten wir sie dann auch gefunden und der Arzt machte sich auf den Weg zu ihr. Somit waren unsere Aufgaben in der Übung erfolgreich erledigt. Natürlich fehlte nicht wirklich jemand, alles war Teil der Übung, die vermisste Person war allerdings die einzige darin eingeweihte. Und was nützt eine Übung, wenn sie nicht auch ein wenig authentisch ist? Nicht so viel. Daher fanden wir auf dem Rückweg zu unseren Kammern tatsächlich einen Korridor mit Rauch vor und mussten erst einmal eine Weile abwarten, bis sich der Rauch verzogen hatte, bevor wir unsere Schwimmwesten wieder sicher verstauen konnten. Es hatte etwas Gespenstisches, sich in den dunklen Korridoren des Schiffes herumzutreiben. Für die Übung wurden auf dem Arbeitsdeck, wo fast alle von uns schlafen, die Lichter auf Notbeleuchtung gedimmt und zusammen mit den Rauchschwaden fühlte man sich wie auf einem Geisterschiff.

Das Multinetz wird zu Wasser gelassen, um in verschiedenen Tiefen Wasserproben zu nehmen.

26.07. – Auch heute gab es ein paar Wochenendaufregungen. Zuerst fanden wir morgens eine Leiche draußen an Deck, festgekettet an einen Holzklotz. Ein Gruß von Neptun, der uns bereits seitdem wir den Polarkreis überfahren haben nicht sehr freundliche Nachrichten hinterlässt, da dies ungetauften Seeleuten nicht gestattet ist. Nun schickte er uns also eines seiner Opfer, die seine Warnungen ignoriert haben… Wir ließen uns aber nicht einschüchtern und setzten unsere Reise weiter fort, allerdings darauf vorbereitet, dass uns die Polartaufe noch bevor steht, bevor diese Reise zu Ende geht.
Für den Augenblick setzten wir unsere Arbeit allerdings erst einmal unbeeindruckt fort, heute sogar mit einem Praktikanten im Geologie-Team. Wenn man schon die Möglichkeit hat, in die Bereiche anderer so leicht hinein zu schnuppern, wie auf dem Schiff, wo alle Labore direkt nebeneinander sind und man sowieso jeden kennt, muss man die Gelegenheit natürlich auch nutzen. So gab es bereits Geologen, die in der Hydroakustik, also Bathymetrie, ausgeholfen haben, sowie Leute aus dem Bathymetrie-Team, die dem Geologie-Team beim Kerneziehen an Deck geholfen haben. Desweiteren saßen Mitglieder des Bathymetrie-Teams bereits mit auf der Brücke, um von da aus zu arbeiten und die Kommunikation mit der Brücke zu vereinfachen, wenn die Route zum Beispiel leicht geändert oder eine Messung wiederholt werden musste. Heute war es nun also unser Ein-Mann-Kernmess-Team, das einen Tag im Geologie-Team „hospitierte“, da für ihn keine Kerne zum Messen vorlagen. Er bekam also einen „Azubi“-Aufkleber und bekam ganz genau gezeigt, wie man Sedimentkerne beprobt, und wir müssen im Nachhinein wirklich zugeben, er hat sich sehr gut gemacht.
Zur Kaffeepause gab es dann Torte für alle, denn wir hatten ja ein Geburtstagskind, für das am Vortag bereits fleißig gebastelt worden war, ein sehr schnieker Hut aus Kernrohr. Dieser wurde nach einem spontan einstudierten Ständchen überreicht und mit Freuden entgegen genommen. Abends gab es dann ein gemütliches Sit-In, um den Geburtstag ausklingen zu lassen. Dies war bereits die zweite Geburtstagsfeier dieser Reise, am Anfang hat bereits ein anderes Crewmitglied sein Partyhütchen aufbekommen, um ein neues Lebensjahr zu begrüßen.

Letzte Kernbeprobungen im Geologie-Labor im Hangar, das ganze Team hat viel zu tun.

Von jedem Kern werden zwei verschiedene Proben genommen, eine in Spritzen für die Analyse von Foraminiferen und eine in Glasgefäße für die geochemische Analyse.

27.07. – Heute war zwar kein Wochenende mehr, doch durchaus kein langweiliger Tag! Früh morgens begannen bereits die letzten Stationen für die CTD, das Schwerelot und den Großkastengreifer, ein Ereignis, das wohl jeder von uns mit einem lachenden und einem weinenden Auge verlebt hat. Das Multinetz-Team hatte seine letzte Station bereits vorgestern erfolgreich hinter sich gebracht und auch für das Bathymetrie-Team ging der letzte Survey heute zu Ende. Von nun an geht es wieder Richtung Nuuk und damit nach Hause. Nach vier aufregenden Wochen wird es jetzt langsam Zeit dafür. Das Ende einer Reise ist jedoch immer auch etwas Trauriges. Wie gut, dass die Fahrt noch eine Weile dauert. Zeit, in der wir nun alles wieder aufräumen, abbauen und in Container verstauen müssen. Doch das erst ab morgen. Für heute gab es nach der frühen Arbeit für die meisten von uns erst mal eine kleine Mittagspause mit dem einen oder anderen Mittagsschlaf. Jedenfalls war das der Plan, doch wie so oft, kam es anders… Gerade eingedöst, ertönte plötzlich ein markerschütterndes Schreien durch die Lautsprecherboxen des Schiffes und kurz darauf ertönte Neptuns Stimme, der uns mitteilte, wir hätten uns alle in einer Stunde im Hangar einzufinden, da wir seine Warnungen nicht ernst genommen hatten. Nun war es also tatsächlich so weit: Neptun kam, um sich zu rächen, da wir unerlaubter Weise und vor allem ungetauft seine Gewässer durchschipperten. Eine Weile versuchten wir, uns allesamt in einer Kabine zu verstecken, doch uns war klar, dass wir keine Chance hatten, also machten wir uns leicht verspätet nach unten auf den Weg in den Hangar. Davon waren Neptuns Gehilfen natürlich überhaupt nicht begeistert, sie drängten uns mit Peitschen und fiesen Gesten nach draußen an Deck, wo wir niederknien und Neptun persönlich samt seiner geliebten Gattin Thetis begrüßen mussten. Dieser war tatsächlich ganz und gar nicht erfreut über unser Zuspätkommen, geschweige denn von unserer Ignoranz seinen Warnungen gegenüber. Er verlangte vom Kapitän die Erlaubnis uns von unseren Sünden reinzuwaschen und in seinem Namen zu taufen. So wurden wir alle zusammen in den Hangar gesperrt und einer nach dem anderen wieder an Deck gezerrt, um genau dies geschehen zu lassen. Aus unserem daraus gewonnenen Respekt vor Neptun können wir hier wohl keine Einzelheiten dieser Prozedur verraten, soviel sei jedoch gesagt: sie war sehr nass und schlammig und stank nach Fisch! Zum Glück haben aber alle von uns Neptuns Prüfung bestanden und damit nun seine offizielle Erlaubnis in seinen Gewässern zu fahren. Neptun war dadurch sogar so besänftigt, dass er kurzerhand zum Abendessen blieb. Auf unserer Rückreise nach Nuuk haben wir nun also wohl nichts mehr von seiner Seite zu befürchten.

„Kernzähler“

Gesamtlänge Sediment:287 m
Schwerelote:39
Großkastengreifer:17
Multicorer:5
CTD:19
Multinetze:48

Logbuch 3

13.07. – Dieser Tag begann mit einem ungewohnten Bild. Die Sonne war weg! Wo war sie? Was war da los? Alle anderen Tage der Reise bis zu diesem trüben Morgen fingen mit einem strahlenden Sonnenschein an und hörten auch genauso wieder auf, denn es wird ja nie dunkel und wir haben uns schon glücklich geschätzt, mit der grenzenlosen Sonneneinstrahlung verwöhnt zu werden. Plötzlich im grauen, braunen, dunstigen Schnee-regnerischen Wetter das Arbeiten anzufangen war somit praktisch ein Unding. Das Geologie-Team hatte an diesem unschönen Tag Kerne zu schlachten und quasi dem normalen Geologie-Team-Alltag nachzugehen, wenn keine Station gefahren wird. Alle anderen Teams taten das für ihre Arbeit vorgesehene und um halb fünf am Abend trafen wir uns alle zu einem gemeinsamen Meeting. Boris, unser Fahrtleiter, wollte allen gemeinsam erzählen, zu welchen Erfolgen das Bathymetrie-Team bisher gekommen war, daraufhin haben die anderen Teamleiter dasselbe zu ihren bisherigen Arbeiten und Plänen beigetragen. Solche Meetings sind durchaus wichtig, damit jeder weiß, wie die weiteren Pläne der verschiedenen Teams aussehen, besonders nachdem wir aufgrund der Eisbedingungen einige Planänderungen, was die vorgesehene Route betrifft, vornehmen mussten.
 
14.07. – Erneut handelte es sich um einen trüben und grauen Tag, doch ein Erfolgserlebnis hat dem schlechten Wetter die Show gestohlen. Wir haben ein 18 m Schwerelot mit mehr als 13 m Kern aus dem Boden gestampft! Bis dahin war der längste Kern aber immerhin auch knapp 12 m lang.
 
15.07. – Bergfest! Die erste Hälfte der Expedition MSM 44 ist um und das muss gefeiert werden! Idealerweise fiel dieser Tag mit einer der langen Vermessungsfahrten zusammen, so dass für die meisten an Bord auch die Gelegenheit zum Feiern ausgesprochen günstig war. Nachdem alle Kerne geschlachtet waren, hat das Geologie-Team fleißig den Arbeitstisch und Fußboden im Hangar geschrubbt und die Crew hat ihn mit ein paar Tischen und Bänken bestückt und daraus einen Essenssaal gezaubert. Der Grill wurde aufgebaut, der Koch machte sich daran fleißig zu grillen und kurz darauf verwöhnte die Stewardess uns mit einigen Leckereien – Steaks, Würste, Thunfisch, Salate, alles was das Grillherz begehrt. Alle Crew-Mitglieder und Wissenschaftler, die nicht arbeiten mussten, kamen zusammen, um gemeinsam diesen Etappensieg zu feiern. Es war ein schöner und sehr amüsanter Abend, den wahrscheinlich keiner so schnell vergisst.

Der Boden des Hangars wird ordentlich geschrubbt für das später stattfindende Bergfest.

Unser fabelhaftes Griffbuffet für’s Bergfest. Ein großes Danke an unser fleißiges Küchenteam, das dies für uns gezaubert hat.

16.07. – Heute kam die Sonne zurück! Nach drei Tagen ohne haben wir sie tatsächlich sehr vermisst, denn dadurch wird es draußen an Deck wirklich kalt und die Aussicht verwandelt sich in ein einziges grau-in-grau Bild, doch jetzt glitzert wieder alles tiefblau um uns herum. Alle drei Tage öffnet hier der bordeigene Shop, in dem man sich bei der Stewardess mit Getränken, Snacks oder Drogerieartikeln versorgen kann. Heute war wieder einer dieser Shop-Tage. Alle stellen sich im schmalen Gang des Schiffes vor dem kleinen Shop mit dem noch kleineren Tresen an, manche bringen sogar einen Einkaufsbeutel mit und geben ihre Bestellungen auf. Das ist wirklich eine super Sache und der Weg vom Einkauf nach Hause ist so wunderbar kurz ;)
Zusätzlich wird nach Absprache auch ein Souvenirshop aufgemacht, in dem man Fleece-Jacken, Pullis, Karten usw. mit dem MERIAN-Aufdruck bekommen kann, es fehlt also an nichts in unserer eigenen kleinen Welt auf der MARIA S. MERIAN.
 
17.07. – Freitag der 17. scheint ein schwarzer Tag für die IT zu sein, die Software einiger PCs wollte nicht kooperieren und somit konnten vorerst nur Bathymetrie-Surveys fahren. Allerdings hielt dieser Zustand nicht sehr lange an. Die Männer hier an Bord wissen, wie sie sich helfen können, und hatten die Probleme nach vier Stunden behoben. Inzwischen sind wir auf Station und das Multinetz und die CTD werden gefahren. Im Anschluss daran folgt irgendwann in der Nacht eine Geostation. Das ist zeitlich gut getimed, da das Multinetz-Team dann ins Bett gehen und das Geologie-Team direkt aufstehen kann. Die einzigen, die wieder keine Pause hatten, waren die Teammitglieder des Bathymetrie/Parasound-Teams, die unerbittlich ihren Survey fahren, um weiter nach geeigneten Stationen zu suchen.
Das Multinetz hat inzwischen einige Tiefen abgearbeitet und gerade eben ist ein Fisch und eine kleine Qualle ins Netz gegangen. Unsere Vermutung ist, dass der kleine lilafarbene Fisch die rote Qualle retten wollte und dann selbst gefangen war, aber das ist natürlich alles nur Spekulation. Die Qualle musste ihr Leben für die Wissenschaft lassen, doch der Fisch sollte gerettet werden. Leider mussten zwischen seiner Freiheit und unserem Chemielabor einige Fotos gemacht werden und viele Augen ihn bestaunen, so dass er am Ende doch nur eine Seebestattung erhalten hat. Wir hoffen, er hat dafür einen anderen hungrigen Magen gefüllt und seine Seele ruht in Frieden.

Nachdem das Multinetz wieder an Deck ist, werden die vollen Probengefäße abgeschraubt und sofort ins Labor gebracht.

18.07. – Da die Geologiestation bereits mitten in der Nacht durchgeführt worden ist, hieß es heute alles nachzuarbeiten, was nicht sofort bearbeitet werden muss, wie zum Beispiel sämtliches Sediment im Großkastengreifer, das nicht zur Probenahme verwendet worden war, wieder auszuleeren und dem Meeresboden zurück zu geben. Desweiteren wurde heute eine zusätzliche CTD gefahren, da das Bathymetrie-Team die gemessenen Wasserschallgeschwindigkeiten zur Korrektur ihrer Tiefenwerte benötigte.

"Kernzähler"

Gesamtlänge Sediment:231,79 m
Schwerelote:33
Großkastengreifer:14
Multicorer:5
CTD:14
Multinetze:43

Logbuch 2

Von Weihnachtsgrüßen, Bootstouren und Bananen

07.07. - Heute fuhren wir geradewegs auf die Eiskante zu. Eine schmale, weiße, immer näher kommende Linie am Horizont. Nachdem wir dort ankamen, wurde ein Profil abgefahren bei dem dann in bestimmten Abständen Planktonproben mit dem Multinetz genommen wurden, um die ökologische Verteilung der polaren Foraminifere N. pachyderma zu ergründen.

"Muddi" und ihre Kernschlachter auf dem Hauptdeck der MARIA S. MERIAN, dabei die Kerne im Kühlcontainer kalt zu machen

08.07. - Wenn das Geologie-Team keine Station hat, ist es üblich die Kerne zu „schlachten“ und alle Beprobungen, Messungen und ähnliches abzuarbeiten. Bevor dies geschehen kann, müssen die Kerne allerdings erst geloggt werden. Das heißt sie müssen als geschlossener Kern auf den MSCL Kernlogger gelegt werden. Das Gerät misst die physikalischen Eigenschaften des Sediments. Die Dicke, die P-Wellengeschwindigkeit im Sediment, die Suszeptibilität sowie die Durchlässigkeit von Gamma-Strahlung. Mit Hilfe dieser Daten kann die Dichte und die Schallgeschwindigkeit im Sediment bestimmt werden. Die Suszeptibilität gibt Angaben über die magnetischen Eigenschaften des Sediments. Nachdem all das gemessen ist, bekommen wir die Kerne wieder in den Hangar und können mit dem „Schlachten“ anfangen. Neben diesen uns bekannten Abläufen wurde unser Tag heute mit einer Führung durch den Maschinenraum erfrischt. Der leitende Schiffsingenieur hat uns in das Herz des Schiffes geführt und ganz genau erklärt, wie das gesamte Schiff von dort gesteuert und mit Strom, sauberem Wasser und Wärme versorgt wird. Die MARIA S. MERIAN hat sogar eine eigene Kläranlage an Bord. Das gereinigte Wasser wird schließlich als Kühlwasser wiederverwertet.

„Kernzähler“

Gesamtlänge Sediment:124,03 m
Schwerelote:22
Großkastengreifer:8
Multicorer:5
CTD:10
Multinetze:29

Eisberg in Nordgrönland, Nahe der Eiskante

09.07. - Die Aussicht vom Schiff war bisher schon immer atemberaubend, aber am nördlichsten Punkt unserer Reise, den wir bei 76° N erreicht haben, konnten wir alle unsere Augen nicht mehr vom Wasser und dem vor uns liegenden Grönland nehmen! Eisschollen, Eisberge, Berge, Gletscher und Meereis! In so einer Umgebung arbeitet man dann noch viel lieber auf und an Deck! Es wurden an jeder neuen Station wieder Kerne gezogen, ein Schwerelot war diesmal sogar für 18 m ausgestattet worden, daneben gab es eine CTD und auch einen Großkastengreifer zu bearbeiten.

Nachdem die Arbeit am Abend dann beendet war, gab es ein kleines „Juhu-wir-sind-hoch-im-Norden-Fest“, denn schließlich ist das für uns keine Alltäglichkeit! So viel Eis und Kälte, trotz der immer scheinenden Sonne haben bei manchen von uns eine leicht weihnachtliche Stimmung ausgelöst, denn wann hat man in Norddeutschland an Weihnachten schon Eisberge und eine riesige Eismasse vor der Nase? Niemals! Daher haben wir den Juli schlichtweg ignoriert und spontan ein kleines bisschen das Winterwonderland mit Weihnachtsliedern und einem Glühwein nachgespielt. Durch unsere immerwährende gute Laune und den Spaß bei der Arbeit ist es schwer zu realisieren, wie schnell die Zeit vergeht, daher ist es verrückt sich vorzustellen, dass es bald schon wieder Richtung Süden geht!

Nordgrönland, ein paar Geräte an Bord unter der grönländischen Sonne, Multicorer, Großkastengreifer und Schwerelot (von links)

10.07. - Der nächste Tag barg die eine oder andere Überraschung. Der Meeresboden an unserer heutigen Station war doch härter als gedacht, und das 6 m lange Schwerelot brachte uns nur 1,25 m Kern mit an Deck. Was soll man da sagen? Weiter auf zur nächsten Station und Plan-B verwirklichen. Alle, die in dieser Zeit ein kleines bisschen Leerlauf hatten, weil die vorherige Transitzeit beispielweise im Geologie-Team dafür gesorgt hat, dass alle Kerne schon bearbeitet wurden, hatten Zeit sich ein wenig in der Sonne zu entspannen. Also ab in den Polaranzug und auf geht’s in die Sonne. Dieser Polaranzug ist die wahrlich praktischste Ausrüstung, mit der uns das AWI ausstatten konnte. Man fühlt sich als hätte man seine Bettdecke an. Nachdem eine neue Station gefunden worden war, ging es weiter mit der Arbeit. Solange das Geologie-Team Pause hatte, hat das Bathymetrie-Team auf Hochtouren gearbeitet, um den Meeresboden weiter zu vermessen und nebenbei auch geeignete Stellen für Beprobungsstationen ausfindig zu machen.
 
11.07. - Ein ganz besonderes Highlight für alle kam dann am nächsten Morgen, nachdem eine Station aufgrund von Eis verlegt werden musste. Wir durften das Schiff verlassen und auf ein kleines Boot umsiedeln! Immer vier von uns und zwei von der Crew sind los gerast, einmal um die MARIA S. MERIAN herum, um sie in ihrer vollen Größe und Schönheit zu betrachten und dann so nah wie möglich an die Eisberge und das Meereis heran, um es aus der Nähe zu bestaunen. Leider durften wir nicht so nah ran, wie wir alle es uns gewünscht hatten. Es war dennoch super spaßig und abenteuerlich! Die Crew brachte von ihrer Testfahrt, bevor sie uns alle mitnahm, sogar ein kleines Stück Gletschereis mit. Wir sind gerade in einem Fjord unterwegs, wo wir mit der MARIA S. MERIAN recht nah an den Bergen sind, die Bilder sprechen vermutlich Bände.

Auf geht´s zur Eisbergtour!

An der Bildschiefe erkennt man den Seegang im kleinen Boot ;)

Eisberge so nah und so schön! Ein absolutes Highlight

12.07. - Heute gab es Obst und das nicht nur zum Eis nach dem Mittagessen. Bisher sind an unseren Stationen nicht sonderlich viele Dinge schief gelaufen, zwei nicht ausgelöste Multicorer waren bis dahin das erwähnenswerteste. Doch heute förderten wir unsere erste „Banane“ an die Wasseroberfläche – der Untergrund schien an unserer ausgewählten Stelle leider doch zu hart zu sein und hat unser Schwerelot komplett verbogen, eine Banane eben. Unsere heutige Aufgabe bestand darin, an neun verschiedenen Stationen innerhalb eines Fjordes drei Meter lange Schwerelotkerne zu ziehen, um Rückschlüsse auf die hier stattgefundenen Gletscherbewegungen zu ziehen. Das Bathymetrie – Team hat in seinen aufgezeichneten Daten End- bzw. Rückzugsmoränen feststellen können. An diesen Rückzugsmoränen sollen nun kurze Sedimentkerne gezogen werden, damit ihr Alter bestimmt, datiert, werden kann.

Ein Gletscher bahnt sich seinen Weg in den Fjord. Nordgrönland, nahe der Eiskante

Das Schwerelot auf dem Weg in die Ungewissheit!

Logbuch 1

Guten Morgen! Die 44. Reise der MARIA S. MERIAN dauert nun schon eine Woche und in der ist viel passiert. Am 27. Juni ging es für uns alle von Hamburg aus nach Kopenhagen. Nach einem geselligen Abend dort, an dem sich die Gruppe schon ein wenig kennenlernen konnte, ging es am Sonntag den 28. Juni weiter nach Nuuk, Grönland. Nach Nuuk kommt man nur in einer sehr kleinen Maschine von Kangerlussuaq aus, dafür muss man dort nicht einmal durch die Sicherheitskontrolle. In Grönland vertraut man den Umsteigenden scheinbar noch. Mit der kleinen Maschine dann weiter ein Stück Richtung Süden nach Nuuk zu fliegen, war recht abenteuerlich. Nachdem wir kurz befürchten mussten, dass gar nicht alle in die Maschine passten, weil vorne Sitze ausgebaut waren, um allerlei Zeug zu lagern, was scheinbar nirgendwo sonst Platz gefunden hat, ging es los. Man kann hier von einer gemütlichen Laderaum-Optik sprechen, die nach dem Start mit einem Blick aus dem Fenster aber schnell in Vergessenheit geraten ist. Unter uns lagen 50 Minuten lang schneebedeckte Berge, Gletscher, Tauseen, Flüsse… Man glaubt es kaum, aber hier war es tatsächlich wärmer und sonniger als noch in Dänemark. Auf der MARIA S. MERIAN angekommen, wurden als erstes die Container mit sämtlichem Arbeitsequipment ausgepackt. Danach war erst einmal Zeit, die Sonne ausführlich zu genießen, entweder bei einer Wanderung durch Nuuk oder auch einfach auf dem Peildeck des Schiffes. Es ist ein verrücktes Gefühl, Strand und Eis vereint an einem Punkt anzutreffen, wo die Einheimischen und zwei bis drei Mutige von unserer Truppe auch noch schwimmen gegangen sind! SCHWIMMEN!

Wir dachten, auf See würde das Wetter umschlagen, doch das ist bisher noch nicht wirklich passiert. Als wir am letzten Dienstag (30.6.) um 14 Uhr in See gestochen sind, konnten wir immer noch im T-Shirt den Eisbergen beim Vorbeiziehen zuschauen und das, obwohl wir uns inzwischen nördlich des Polarkreises befinden. Sobald Schatten aufkommt wird’s jedoch frisch, denn schließlich hat die Luft doch nur knappe 1 bis 4° Celsius! Die wärmende Sonne genießen wir zwischendurch bei Kaffeepausen an Deck und bei den Stationsarbeiten, wobei wir die meiste Zeit aber in den Laboren verbringen. Bisher haben wir 6 Schwerelote, 4 Kastengreifer, 1 Backengreifer und 3 Multicorer gefahren, um Sedimentproben aus unterschiedlichen Tiefen zu erhalten. Daneben wurden viele Wasser- und Planktonproben genommen: 16 Mal mit dem Multinetz und 5 Mal mit der CTD. Währenddessen beobachten die Geophysiker kontinuierlich die Multibeam- und Parasounddaten, die die Bathymetrie des Meeresbodens aufzeichnen, nicht zuletzt um die Positionen für die nächsten Kernlokationen zu finden. Es ist faszinierend, wenn man bedenkt, dass gleichzeitig so viel hier an Bord passiert, in allen Laboren etwas anderes. Doch man bekommt nie alles mit, was nicht zuletzt daran liegt, dass nicht alle Leute zur selben Zeit arbeiten. Jeder Arbeitsschritt ist nach Stationen getaktet. Wenn das Schiff die Stationsposition erreicht, wird an Deck gearbeitet. Da kann es schon mal vorkommen, dass man morgens um 5 Uhr anfängt, das Schwerelot zu Wasser zu lassen oder die ganze Nacht durch immer wieder das Multinetz fährt. Zwischen den Stationen gibt es immer wieder lange Transitstrecken. Dennoch herrscht in den Laboren zu beinah jeder Zeit reges Treiben. Alle rennen hin und her, um ihre Arbeiten zu erledigen: Kerne öffnen, Sedimente scannen und beproben, Foraminiferen aus Wasserproben picken, aufräumen, vermessen und weitere Stationen vorbereiten...

Neben der Arbeit gibt es aber auch noch eine ganze Menge in der sich stetig ändernden und doch gleich bleibenden Gegend zu beobachten. Vorgestern kam eine Heidenaufregung auf, weil die Brücke Wale gemeldet hat, aber wir haben sie leider nicht gesehen. Die haben sich bisher allgemein mit ihrer Anwesenheit zurückgehalten. Dafür sieht man hier die eine oder andere Robbe von den Eisschollen gleiten. Die Eisschollen sind neben den Eisbergen ebenfalls ein Highlight. Die ersten zwei Tage gab es noch kaum Eis zu sehen, mittlerweile sind die Eisberge unsere ständigen Begleiter auf unserem Weg Richtung Norden. Da die Sonne nur tief steht aber nicht gänzlich untergeht und die MARIA S. MERIAN nur langsam durch die Eisschollenfelder fährt, ergeben sich idyllische Bilder. Bisher hatten wir auch fast nur Sonne und wenig bis gar keinen Wind. Man merkt kaum, dass man auf dem Wasser ist.

Alles in allem haben wir bisher eine sehr schöne Zeit hier an Bord und durchaus eine Menge zu lachen und sehr viel Spaß bei und nach der Arbeit! Sei es beim Kickern, Tischtennis spielen oder im Anschluss daran beim Entspannen in der Sauna. Am Sonntag gab es eine ganz besondere Kaffeepause – leckerer Kuchen und Espresso frisch an Deck gebrüht. Perfekt beim Eisberge gucken. Dabei stehen alle unter ständiger freudiger Erwartung: Welche Überraschungen erwarten uns wohl noch? Vielleicht – hoffentlich – endlich Wale!

Grönländische Sonne genießen – bis der Multicorer wieder an der Wasseroberfläche angekommen ist.

Erste Eisschollen in der Baffin Bay.

Der Kastengreifer kommt zurück an Bord, beladen mit Sediment aus 1000 m Wassertiefe.

Sedimentkern schlachten – aufsägen, scannen, beproben, verpacken.

Bevor das Sediment im Kastengreifer beprobt werden kann, muss das überschüssige Wasser abgesaugt werden.