Logo Universitat Bremen
Seitenpfad:

Logbuch METEOR 84/1

Vom 9. bis zum 22. Februar 2011 findet der erste Fahrtabschnitt der 84. Expedition des deutschen Forschungsschiffs METEOR statt. Von La Valetta/Malta aus führt die Reise zunächst durch das östliche Mittelmeer. Dann passiert die METEOR den Bosporus und arbeitet für einige Tage im Schwarzen Meer. Die Fahrt endet in Istanbul.

Neben spannenden wissenschaftlichen Arbeiten zu Fragen des mikrobiologischen Lebens tief im Meeresgrund ist die Fahrt durch ein Projekt an der Schnittstelle Wissenschaft und Kunst gekennzeichnet.

Im Rahmen einer Kooperation zwischen dem MARUM, dem Hanse-Wissenschaftskolleg Delmenhorst und der Hamburger Zeitschrift "mare - Die Zeitschrift der Meere" nimmt der Düsseldorfer Maler (und Fotograf) Andreas Schön, Schüler und früherer Assistent von Gerhard Richter, an der Expedition teil. Gemeinsam mit dem Expeditionsleiter Dr. Matthias Zabel führt Andreas Schön ein Expeditionstagebuch, das Sie hier verfolgen können.


Haben Sie Fragen an Andreas Schön oder den Expeditionsleiter Dr. Matthias Zabel? Schreiben Sie uns:

Expeditionslogbuch 7: Zurück nach Istanbul

Montag, 21. Februar 2011, 15:00 Uhr

Dr. Matthias Zabel:
Wir liegen seit drei Stunden vor der Einmündung des Bosporus in das Schwarze Meer und warten auf den Lotsen, der das Schiff nach Istanbul dirigieren wird. Die letzten Tage waren für alle noch einmal ziemlich anstrengend, da bis zu unserer Rückkehr nach Istanbul sehr wenig Zeit bleibt, um alle Proben zu messen und zu verpacken. Zudem mussten diverse Berichte geschrieben, Rücktransporte organisiert, Abschlussbesprechungen gehalten, alle Gerätschaften verpackt und die Labore von vielen Schlammschlachten gesäubert werden. Heute Abend endet dann diese, aus wissenschaftlicher Sicht äußerst erfolgreiche Reise. Die meisten Rückflüge sind für morgen, Dienstag, geplant. Uns als Berichterstatter bleibt nur noch, Lebewohl zu sagen.

Andreas Schön:
Heute wird nur noch abgebaut, zusammengepackt, aufgeräumt und sauber gemacht. Die METEOR liegt vor der Einfahrt in den Bosporus. Noch einmal warten wir auf den Lotsen. Morgen früh werden wir das Schiff endgültig verlassen. Manche reisen heim, andere bleiben noch einige Tage in Istanbul.

Und während wir hier liegen, rollen noch einige müde Wogen gegen die Bordwand.

Sonntag, 20. Februar 2011

Andreas Schön:

Als ich um 3.00 Uhr morgens in die Koje klettere, sind die Gefährten noch mit Löffeln und Spachteln beschäftigt. Sie präparieren und markieren ihre Proben, die sie nach Bremen mitnehmen wollen. Zum Frühstück um kurz nach 7.00 bin ich jedoch erstmals alleine in der Messe. Alle anderen müssen sich offenbar erholen. Die Pumpen hängen an einem Stahlseil außenbords in 300 Meter Tiefe und filtern Kleinstlebewesen und ihre Hinterlassenschaften aus dem Meerwasser. Dies werden sie den ganzen Tag über durchhalten, um gegen 24.00 Uhr endgültig in den Feierabend zu gehen und eingepackt zu werden. Überhaupt beginnt jetzt das große Packen. Schweres Gerät wird zerlegt und unterm Kran festgekettet.

Entlang der Bordwand läuft lange, weiche Dünung; am niedrigen Himmel hängen Wolken, rosa und violettgrau; das Schwarze Meer glänzt speckig grüngrau. Regen, mittlerer, ziemlich kühler Wind.

Gebt mir einen kleinen schwarzen Kaffee in Konstantinopel! Ich male ein Aquarell "Venusarchaea" für das Gästebuch der Meteor.

In der Begegnung und den vielen freundlichen Gesprächen mit den Forschern glaube ich, so viel verstanden zu haben, dass Archaeen-Forscher gerade beim Gedanken an Räume richtig lebendig werden, in denen das uns vertraute Leben komplett erloschen ist. Darum ist gerade das Schwarze Meer ihr Garten der Lüste: ab 150 Meter Wassertiefe fehlt jeder Sauerstoff. Das hierdurch entstandene besondere Sediment lässt ihren Puls hochgehen. Das ist das Goldene Vlies dieser Fahrt. Für diese neue Sorte Argonauten wäre die Fahrt nach Kolchis Zeitverschwendung, deshalb stoppen wir so kurz davor im offenen Meer auf, ziehen einige Proben des kostbaren Schlamms und kehren wieder um. Denn der Gewinn eines goldenen Widderfells hat für sie keinen Reiz. Widder atmen Luft.

Der Archaeen-Forscher wird auf andere Art und Weise glücklich: In den Sedimentkernen, die geborgen und geöffnet wurden, finden sich feinlaminierte Schichten von Ablagerungen, die sich wie Baumringe lesen lassen, und darin Hinweise auf das, was sie zu sehen hofften; Leben ohne Sauerstoff. Alles Rote, Gelbe oder Ockerfarbene missfällt, da es auf Sauerstoff hindeutet. Ihre besondere Neigung gilt dem Grau und Schwarz; das verbindet sie mit den großen spanischen Malern Zurbaran, Velazquez, Goya - und deren etwas spezielles Verhältnis zum Tod.

Haben wir denn nun bereits Archaeen gefunden? Ich würde gerne eine streicheln. Doch dafür ist es noch zu früh. Hinweise haben sich vielfach feststellen lassen; durch Gasanalysen, Laseruntersuchungen und was das Arsenal der Forschungsgeräte sonst noch so hergibt. Aber sichtbar, geschweige denn tastbar, sind die Lebewesen nicht. Man kann begreifen, doch nicht anfassen.

In einigen Wochen, zurück in ihren Labors, werden die Wissenschaftler einiges mehr erkennen und vielleicht sichtbar machen können. Streicheln wird schwierig bleiben. Sie lieben ihre Tierchen aus der Todeszone dennoch.

Aquarelle für das Gästebuch der METEOR.

Schiffsposition:
41° 16’ nördliche Breite, 29°04' östliche Länge
südliches Schwarzes Meer
Wetter:
Luft 6° C, Wasser 9° C, geschlossene Wolkendecke bei nordöstlichem Wind um 5 Beaufort, Seegang 1,5 bis 2 Meter

Die Verfasser des Bordtagebuchs: Andreas Schön (li) und Matthias Zabel (re).

Das Ende der Reise naht: Die Geräte werden an Deck und in Containern verstaut.

Das grüne Schwarze Meer.

Kurs Istanbul.

Expeditionslogbuch 6: Bosporus

Samstag, 19. Februar 2011, 15:00 Uhr

Dr. Matthias Zabel:
Nachdem gestern Morgen, als wir vor Istanbul auf Reede lagen, zwei türkische Beobachterinnen ewas verspätet zugestiegen waren, konnte das wissenschaftliche Programm an einer Station im Marmarameer fortgesetzt werden. Wir haben uns sofort mit großem Enthusiasmus auf die drei Sedimentkerne gestürzt. Viel Schlaf haben wir in der Nacht zu heute nicht bekommen. Zum einen wegen der Arbeit; zum anderen, weil wir Istanbul mit der illuminierten Hagia Sophia passierten, um dann in den Bosporus einzufahren.

Inzwischen sind wir im kalten, stürmischen, regnerischen und grauen Schwarzen Meer angekommen. Der etwas höhere Seegang fordert vereinzelt Opfer, doch so richtig seekrank ist noch keiner an Bord.

Andreas Schön:
Während die Forscher noch die Ergebnisse aus dem Marmarameer sichten, wird die METEOR bereits durch den Bosporus gelotst, vorbei am leuchtenden Konstantinopel-Byzanz-Istanbul. Erst gegen sechs Uhr morgens verschwinden die vorher nicht enden wollenden Vororte der großen Stadt im morgendlichen Dunst. Und schon schwappen wir auf dem Schwarzen Meer. Es ist markant frischer geworden, ein Windchen pfeift aus Nordost, und nach einer langen Fahrt wie auf Gleisen beginnt das Schiff, in der Dünung munter zu schaukeln. Der Bug nimmt wieder und wieder eine Prise Gischt, die Wogen rollen unten durch und lassen das Heck wie eine bergige Landstraße hügelaufwärts ziehen. Die Wellen werden langsam höher und das Schiff scheinbar kleiner.

Am Abend werden trotz der Taumelbewegungen neue Proben vom Grund geholt und wie am Vorabend bearbeitet. Das ist Produktion unter verschärften Bedingungen. Doch die Leute hier lassen sich davon keineswegs beeindrucken. Und die Crew nimmt's ohnehin gelassen.

Ivana zeigt mir Diatomeen, sehr hübsch, wie ein Brausekopf von unten; und Matthias vergoldet mir den schwankenden Tag, indem er mir die "Sintflut" zeigt: tatsächlich, da ist sie, klar erkennbar zwischen einer dünnen, braun getönten Sedimentschicht und grau marmoriertem Schlamm. Na also. Belegt mit Matsch, der riecht wie die Pforten der Hölle. Ich leg mich hin und lese Dante.

Freitag, 18. Februar 2011

Andreas Schön:
Abends habe ich noch nach Gallipoli geblickt, die Halbinsel, auf der zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts Eisenschlachten gekämpft wurden, ohne Rücksicht und verbissen. Peter Weir erzählt in einem Film davon. Es gibt, wie auch die Termopylen, immer wieder diese schmalen Stellen zwischen Europa und Asien, die eine Seite nicht preisgeben und die andere bedingungslos erzwingen will.

Morgens gehe ich an Deck. Draußen, im Nebel, stehen grau Dutzende dunkler Stahl-Schatten auf dem stillen Wasser, bewegungslos. Es wirkt wie ein Friedhof der abgetretenen Riesen, die hier gelassen wurden, um sich, langsam rostend in der See aufzulösen. Allerdings liegen sie hier wohl nur auf Reede oder erwarten ihre Freigabe zur Durchfahrt in den Bosporus.

Bald verfliegt der Dunst, und wir erreichen Istanbul. Türkis und fliederfarben strecken sich Himmel und Meer um die rosa getupft leuchtenden Gebäude fern von uns.
Ein herzerwärmender Anblick: so eben noch lässt sich die theodosianische Landmauer mit dem Goldenen Tor ausmachen. Es ist wunderbar, ein bisschen innezuhalten. Jedenfalls für mich. Die Forscher warten ungeduldig auf zwei türkische Beobachterinnen, die uns auf dem letzten Teil der Expedition im Marmarameer und im Schwarzen Meer begleiten sollen. Sobald sie an Bord sind, geht es weiter zur nächsten Station. Es ist sieben Uhr abends und schon dunkel. Schwerelot und Multicorer werden ein weiteres Mal über Bord gehoben, schweben an Stahlseilen bis auf den dunklen Meeresgrund und werden dann wieder nach oben gehievt - gefüllt mit weiteren Proben, die Auskunft darüber geben sollen, welche Art von Leben dort welche Spuren aus welcher Zeit lange vor uns im Sediment hinterlassen hat. Danach wieder das übliche Schlachten der schlammgefüllten Rohre und die anschließende Untersuchung, Zuordnung nach Schichten, Bewertung und Lagerung der erzielten Beute.

Istanbul: Hagia Sophia

Schiffsposition:
41° 29’ nördliche Breite, 30°35' östliche Länge
südliches Schwarzes Meer
Wetter:
Luft 8° C, Wasser 8° C, geschlossene Wolkendecke bei nordöstlichem Wind um 5-6 Beaufort, Seegang zwei bis drei Meter

Fahrtleiter Dr. Matthias Zabel im Geolabor der METEOR.

Schiffe auf Reede vor der Einfahrt zum Bosporus.

Istanbul

Steife Brise im Schwarzen Meer.

Expeditionslogbuch 5: Kurs Dardanellen

Donnerstag, 17. Februar 2011, 18:30 Uhr

Dr. Matthias Zabel:
Am Dienstag um 17 Uhr Bordzeit brachen wir von der dritten Station gen Westen auf. In der Hafeneinfahrt von Heraklion auf Kreta wurde am späten Mittwochvormittag unsere griechische Kollegin und Beobachterin Aleka Gogou sowie ein norwegischer Ingenieur, der an Bord eine der Echolotanlagen überprüft hat, vom Lotsenbooten abgeholt. Gleichzeitig stieg ein Mitarbeiter der Reederei Laeisz zu.

Unser nächstes Ziel ist Istanbul. Dort werden morgen, also am Freitagvormittag, zwei türkische Beobachter, ebenfalls Wissenschaftler, zusteigen, bevor wir am Nachmittag in den türkischen Hoheitsgewässern unsere Beprobungen fortsetzen. Die nächste und vorletzte Station liegt dann im Marmara-Meer, etwa 60 Seemeilen südwestlich von Istanbul.

Der heutige letzte, halbwegs ruhige Tag vor dem sicherlich sehr stressigen Finale dieser Expeditionen wird genutzt, um den obligatorischen Fahrtbericht vorzubereiten und die Nase ein wenig in den Wind zu halten. Für den Abend ist ein Kicker-tunier angesetzt. Ein wenig Entspannung also, bevor es mit der wissenschaftlichen Arbeit noch einmal so richtig los geht.

Andreas Schön:
Es ist etwa 10 Grad kälter als gestern; auch deutlich diesiger, und der Himmel ist zugehängt. An Steuerbord lassen wir als letzte große Insel Lesbos zurück. Nur vage hebt sie sich aus dem Dunst. So geraten wir gemächlich immer näher an die Meerenge der Dardanellen. Man kann nach und nach immer mehr Schiffe erkennen, die dort auf Reede liegen.

Die Wissenschaftler beraten sich. In den nächsten Tagen kommt einiges an Arbeit auf sie zu. Die Arbeitsschuhe verschnaufen noch. Doch nicht mehr lange. Bald müssen die nächsten Proben genommen werden.

Mittwoch, 16. Februar 2011

Andreas Schön:
Wir laufen weiter durch die blaue See. Ringsum ruhiges Meer, am Himmel die Sonne mit nur wenigen hingestreuten Wolken. Es ist angenehm warm, und ich sitze an meinem Arbeitstisch über der Brücke im höchsten Raum der METEOR und schaue dem Horizont zu, wie er leise von links nach rechts kippt. Hier oben, so hoch über der Wasserlinie, schaukelt es am stärksten, obgleich das Meer ziemlich ruhig ist. Während wir uns langsam Kreta nähern, bastle ich mal wieder an meinem Reisebericht und sitze mit verzogener Schulter am Rechner. Es geht heute zwar alles viel schneller, aber kostet trotzdem eben Zeit.

Schließlich liegt Kreta direkt vor uns mit dem Hafen von Heraklion. Als unserer Beobachterin Aleka von Bord gegangen ist, nehmen wir sofort wieder Kurs auf die offene Ägäis. Im Schwenk blicken wir auf eine Insel vis à vis von Kreta, von hier kam Zeus, hatte Aleka gesagt.. Wir fahren mit zehn Knoten daran vorbei.

Während es langsam dämmert, ziehen immer wieder Inseln vorbei, eine lange Kette, links die Kykladen, rechts Dodekanos. Dort haben immer die Götter gewohnt. Jetzt gibt es Strom. Drüben, in den Städtchen und Dörfern, zittern winzige Lichter – oben in den Bergen und gleich unten am Wasser.

Die Nacht macht sich breit. Spätabends schaue ich noch lange den Lichtern nach. Sie sind nun alles, was man noch von den Inseln erkennen kann.

Arbeitsschuh hat Ruh!

Schiffsposition:
40° 13’ nördliche Breite, 26°28' östliche Länge
Meerenge der Dardanellen
Wetter:
Luft 7° C, Wasser 9° C, leichte Bewölkung bei nordwestlichem Wind um 3 - 4 Beaufort, Seegang ein Meter

Heraklion

Arbeitsplatz von Andreas Schön im Ausguck.

Die Grenzen des Horizonts.

Expeditionslogbuch 4: Farbenlehre

Dienstag, 15. Februar 2011, 18:30 Uhr

Andreas Schön:
Nachdem Schwerelot und Multicorer geborgen sind, hat das Schiff sofort Kurs auf Kreta genommen, um Aleka, die griechiche Beobachterin, in Heraklion abzusetzen. Wir laufen also mit voller Fahrt wieder nach Westen. Die Wissenschaftler nutzen die Zeit, um erste Proben zu analysieren. Sie sitzen wie meist bei Neonlicht und wenig Sonne in ihren Labors. Auch vom nächtlichen Deck schaue ich noch in ein glühendes Labor…

Montag, 14. Februar 2011

Andreas Schön:
So ein Schiff bedarf ständiger Hautpflege. Das Salz der See lässt es immer wieder rosten. Aus diesem Grund wird an Bord unablässig geschmirgelt, gebürstet und lackiert. Auf den Decks, auf den Treppen, an den Borden und Geländern, in allen Winkeln. In einer Kammer sind sorgfältig die Mengen von Grundierung, Mennige, Lack und Lösungsmittel verstaut, die dabei verbraucht werden, wenn der Schiffskörper mit ewig neuen Schichten überzogen wird.

Für mich gibt es auch ein wenig Farbe. Nachdem die Beute der vergangenen Tage fertig ausgemessen und alle erforderlichen Proben genommen sind, darf ich mir mit einem Spachtel etwas vom verbliebenen Schlamm frisch aus dem offenen Rohr in kleine Creme-Döschen abfüllen. Das tue ich und stelle fest, wie unglaublich zäh die Masse ist. Ich schlage die Dosen heftig auf die Tischplatte auf, um das Zeug einigermaßen zusammen zu stauchen. Um die Dosen mit nach Hause zu nehmen, stecke ich sie in die Original-"Meteor-Muggen", den Kaffeebechern, die ich im Store, dem Bordladen, von Andreas, unserem immer charmanten Steward, erworben habe. Sie passen perfekt. Daheim werde ich versuchen, den Schlamm als Pigment zu verwenden.

Die "Meteor" erreicht ihren nächsten Zielpunkt, ziemlich genau in der Mitte zwischen dem Nil-Delta in Ägypten und der Insel Zypern im offenen Meer. Hier ist es deutlich flacher als zuvor,; statt 3.600 nur etwa 1.450 Meter Wassertiefe. Daher werden hier sehr viel schneller als zuvor mehrere Proben vom Grund genommen und vorbearbeitet. Das wird der Sedimentkern „geschlachtet“. Markus arbeitet dabei mit der „Garotte“ und durchschneidet dem Schlamm der Länge nach mit einer Nylonschnur.

Die Probenbehälter aus dem Multicorer werden wie zuvor schon mit seltsamen Mützchen ausstaffiert. Goya hat das in seinen finsteren Bildern dargestellt: Die Delinquenten der Inquisition mit Spott-Hüten auf, und ihr Ende durch die Garotte. Und auch die samtenen Grautöne der Sedimentschichten schimmern, wie von Goya gemalt.

Glühendes Nachtlabor.

Schiffsposition:
34° 48’ nördliche Breite, 28° östliche Länge,
südliches zentrales Mittelmeer
Wetter:
Luft 15° C, Wasser 16° C, leichte Bewölkung bei nordwestlichem Wind um 3-4 Beaufort, Seegang um 1,5 Meter

An Bord der METEOR gibt es immer etwas zu malen.

Pigment aus Schlamm.

Goyagrau

Expeditionslogbuch 3: Schwarze (Ge-)Schichten

Dienstag, 15. Februar 2011, 18:30 Uhr

Fahrtleiter Dr. Matthias Zabel:
Mehr als die Hälfte der Zeit an Bord der METEOR ist schon wieder vorüber. An drei der insgesamt fünf Stationen konnten genau die Proben gewonnen werden, die wir auf dieser Expedition zu bekommen hofften. Nach den überaus exotischen Salzseen am Meeresboden östlich der Insel Kreta bilden die Ablagerungen zwischen Zypern und Ägypten eher "Hausmannskost". In diesem relativ nährstoffarmen Gebiet lagern sich im Vergleich zu nährstoffreichen Meeresregionen in einem bestimmten Zeitraum weniger Sedimente ab. Entsprechend tiefer dringen die von uns benutzten Probenahmegeräte in die Erdgeschichte vor. Aber genau aus diesem Grund wurde diese Station ausgewählt. Uns interessiert, welche Unterschiede sich in den Mikrobenwelten der Sedimente feststellen lassen.

Von großem wissenschaftlichen Interesse ist ferner der Wechsel zwischen geringen und hohen Anteilen von organischem Kohlenstoff in den Ablagerungen am Meeresboden. Letztere ergeben sehr dunkle Sedimentlagen, die als sogenannte Sapropelschichten im Mittelmeer weit verbreitet sind. Über die Ursache ihrer Entstehung gibt es verschiedene Theorien. Bislang konnten wir in unseren Proben schon mehrere dieser Lagen identifizieren.
Wie sind jetzt auf dem Weg nach Heraklion. Dort wird uns morgen früh unsere griechische Expeditions-Beobachterin verlassen und ein Vertreter der Reederei zusteigen. Danach geht es quer durch die Ägäis, durch die Meerenge der Dardanellen nach Istanbul, wo uns am Freitag zwei türkische Beobachter erwarten.

Sonntag, 13. Februar 2011

Andreas Schön:
Das Schiff läuft weiter gen Osten. Nachts um 3.00 Uhr sehe ich links ferne kleine Lichter - Kreta. Es wäre schön, sich dort umzusehen. Wir lassen es links liegen. Und Alexandria werden wir rechts liegen lassen. Morgens ist Mubarak zurückgetreten, nach Allem; Westerwelle ist angerührt von der Aufbruchstimmung in Tunis. Letzte Nacht flogen Fledermäuse ums Schiff. Später sitzen einige der Crewmitglieder auf ihrer kleinen Terrasse, und Klaus der Koch verteilt schräge Witze; ringsum Wasser, Wasser und Wasser, Sonne über ein paar sanften Wolkentupfern und mitten drin ein Eckkneipen-Idyll.

Der Diesel wummert verlässlich dahin unter Mond und Venus. Stecke mir Stöpsel aufs Ohr und höre Andreas Scholl mit Purcell's "Rise of the Genius of the Cold". Dürfen wir die Tierchen tief da unten überhaupt wecken, nach Jahrmillionen?

Samstag, 12. Februar 2011

Andreas Schön:
1.45 Uhr nachts: Immer noch sind einige Argonauten zugange, sortieren was oder sinnieren vor Skalen (" …wie kann der Sauerstoffgehalt 3,5 km unter der Meeresoberfläche bei nur 2 Meter Differenz so springen ?"). Ich rauche, nehme noch einen Schluck Stolichnaya-Wodka und halte an Deck nach Delphinen Ausschau: ohne Erfolg. Dennoch ist es eine Lust, auf dem Wasser zu sein, ich könnte meine Freude herausschreien… Gerade in griechischen Gewässern, wo der Meeresgott Poseidon regiert und Nymphen schweifen. Wenn Poseidon seinen Wellen-Bauch bläht, wird das Wasser noch kobalttuscheblauer.

Nach ein paar Stunden Schlaf bin ich wieder bei den Wissenschaftlern; die Dinge laufen jetzt deutlich runder. Jeder ist begeistert, als der Multicorer richtig herum und intakt auftaucht, mit jeder Menge Schlamm da, wo er rein soll: in der Batterie von Kunststoffröhren, statt außen drauf. Über dem Schlamm liegt wieder eine schwarz-ölige Brühe. Wie hier mit gelbem Helm und blauem Overall geschuftet wird, um fäkal riechenden Schlamm zu bergen, erinnert an Kanalarbeiten. Dass sich alle darauf stürzen und schwer gefüllte Röhren wie Monstranzen umhertragen, deren oberes Ende mit Gummihandschuhen dekoriert wird, wirkt auf mich leicht exaltiert…die wunderbaren Tränen des San Gennaro in Neapel können kaum bewegender sein.

Nachmittags wird mit dem Schwerelot etwas hochgeholt, das mich an Ocker-Fundstellen in der Provence erinnert. Man muss sich das so vorstellen: ein etwa 15
Meter langes, graues Plastikrohr wird tief unten in den Meeresgrund gestoßen. Es stanzt eine senkrechte Säule aus den Sediment-Schichten. An Deck bzw. im Geolabor der METEOR kann bald darauf, wenn der Sedimentkern baguetteartig längs aufgeschnitten ist, eine Farbpalette betrachtet werden, die von oben mit pech-pech-schwarz beginnend ins Olive geht. Es folgen Ockertöne von fast englischrot bis lichtocker, gefolgt von dunklem Kaltgrau bis zu warmem, hellerem Elefantengrau. Gleich darauf wieder reiche Ockertöne und so fort.

Stillleben

Schiffsposition:
34° 48’ nördliche Breite, 28° östliche Länge,
südliches zentrales Mittelmeer
Wetter:
Luft 15° C, Wasser 16° C, leichte Bewölkung bei nordwestlichem Wind um 3-4 Beaufort, Seegang um 1,5 Meter

Kurz nach Mitternacht im Geolabor: Some sleep...

... some don`t.

Schutzhandschuhe

Sedimentproben, die mit dem Schwerelot gewonnen wurden.

Expeditionslogbuch 2: Vertrackte Probennahmen

Samstag, 12. Februar 2011, 10:30 Uhr

Fahrtleiter Dr. Matthias Zabel:
Mittlerweile haben wir die recht umfangreichen Arbeiten an der ersten Station abgeschlossen und sind zum lediglich 12 Seemeilen entfernten Discovery Becken weitergefahren. In mehrfacher Weise sind die Bedingungen an diesen ersten beiden Standorten extrem. Nicht nur der schon angesprochene sehr hohe Salzgehalt des Wassers, sondern auch die sehr feinen Partikel, die in der Wassersäule schweben, machen es unmöglich, den Meeresboden mit dem Schiffsecholot zu „durchleuchten“.

Das erschwert den Einsatz unserer Beprobungsgeräte. So lag die von Bord aus messbare Wassertiefe bei 3.600 Meter, eine Konsistenz ähnlich der, die viele sicherlich vom Nordseewatt kennen, wurde aber erst in etwa 3.740 Meter Wassertiefe festgestellt. Somit hatte der erste von uns aufgesuchte untermeerische Salzsee mindestens eine Tiefe von 280 Metern: 140 Meter davon relativ klare Salzlauge und weitere 140 Meter, warmer, salziger, flüssiger Schlamm. Entsprechend groß ist die Euphorie unter den Wissenschaftlern. Keiner von uns hat jemals solche Proben gesehen, geschweige denn mit und an ihnen gearbeitet. Absolut fantastisch!

Die Arbeiten an den ersten beiden Stationen dauern nun schon fast 40 Stunden an und werden sich vermutlich noch 4 bis 5 Stunden hinziehen. Trotz des entsprechend großen Schlafmangels tragen die bislang schon erzielten Ergebnisse zu immer noch hervorragend guter Stimmung an Bord bei. Nach Beendigung der Stationsarbeiten werden wir zu unserer dritten Station aufbrechen. Sie liegt etwa auf halber Strecke zwischen Zypern und der ägyptischen Küste. Die Fahrt dorthin wird etwa 2 Tage dauern.

Freitag, 11. Februar 2011

Andreas Schön:
Beim Aufwachen wiegt sich das Schiff leicht in der Dünung, es liegt jetzt bereits seit gestern Nachmittag sehr genau auf einer Stelle. Das muss es auch, damit die Geräte exakt am angepeilten Ort auf dem Meeresboden auftreffen. Anscheinend auf zwei, drei Meter genau, trotz Wind, Strömung oder was sonst. Filigransteuerung. Dauereinparken.

Das erste Gerät ist wieder oben, sie können nur nacheinander hinabgelassen werden, sie würden sich sonst verheddern. Aber nochmals scheint etwas schief gegangen zu sein. Nun läuft der nächste Versuch. Warten. Der Weg nach unten dauert eine Stunde bei 3.600 Metern Tiefe und zurück ebenso. Ob der Versuch geglückt ist, sehen wir erst, wenn die Instrumente wieder aus dem Wasser kommen.

Dann taucht der "Multi-Corer" auf und es erfüllt uns mit Kummer, zu sehen, wie es an seinem verdrehten Beinchen hängt. Als es dann auf Deck steht, fallen Schlamm-Placken von ihm wie Kuhfladen. Es riecht entsprechend.

Auch der Einsatz des Schwere-Lots scheint vertrackt, immerhin kommen über den Tag wohl einige Proben zusammen, die irgendwie zu gebrauchen sind . Ich hätte nicht gedacht, dass es so vertrackt ist. Und das "Multi-Corer"-Tierchen kriegt vom Schmied einen Gips.

Donnerstag , 10. Februar 2011

Andreas Schön:
Das Schiff fährt ruhig vor sich hin. Das erste Ziel im Urania-Becken nicht allzu fern. Es soll gegen 15.00 Uhr erreicht werden. Wir haben also Afrika rechts und Europa links. Von beiden ist allerdings nichts zu sehen. Nur ganz gerader Horizont, leichte Wellen und ab und zu einige zarte Wolken.

Es fühlt sich an wie eine gelassene Kreuzfahrt, ich irre nach wie vor durch die Gänge und lande immer wieder bei jungen ernsthaften Menschen, die ihre „Waffen“ laden und ihnen zärtliche Namen geben: Ginger, Fred, Norbert. Bei aller Sachlichkeit steckt darin ein Hauch von Animismus, Voodoo. Verständlich, es werden Geräte ausgeschickt in ziemlich dunkle Zonen unter dem Wasser, die kein Mensch genau kennen kann.

Und die Arbeit erweist sich als vertrackt, als wir den Zielpunkt erreichen. Die Suchgeräte zur Aufnahme von Sedimenten verhalten sich merkwürdig und bringen zwar grauen stinkenden Schlamm mit hoch, jedoch fast mehr außen am Apparat als in den dafür mit Sorgfalt vorbereiteten Behältern. Unerwartet scheint sich in der Mulde am Meeresboden noch eine Art Schacht zu befinden. Erklären könnten sich die Wissenschaftler das mit einem Schlamm-Vulkan.

Ein Tau erinnert mich an die Farben von Fensterläden in Neapel oder der Provence - mediterranes Türkis und Orange von deutschem Hanfgrau umschlungen, eine Farbe wie der November über Düsseldorf. Spätabends werfe ich einen Blick durch ein leuchtendes Bullauge und erkenne eine Schmiede, passend zum Vulkan-Thema, das hier in den Zusammenkünften erörtert wird.
Schiffsposition:
35° 16’ nördliche Breite, 21° 42’ östliche Länge,
südliches Ionisches Meer
Wetter:
Luft 15° C, Wasser 16° C, leichte Bewölkung bei nordwestlichem Wind um 3 Beaufort,
Seegang um ein bis 2 Meter

Ginger without Fred.

Seil.

Schmiede.

Der malade Multicorer.

Expeditionslogbuch 1: Erste Eindrücke

Mittwoch, 9. Februar 2011, 19:30 Uhr

Fahrtleiter Dr. Matthias Zabel:
Bei schönstem Sonnenschein startete heute Morgen um 9 Uhr von Valletta auf Malta die Meteor-Expedition M84/1. Ziel dieser Reise sind Untersuchungen der Wassersäule und der Ablagerungen am Meeresboden an fünf ausgesuchten Standorten, die sich durch ganz besondere Bedingungen auszeichnen. Hierzu zählen zum Beispiel sogenannte Brine Pools; dass sind Salzseen, die sich in Vertiefungen am Meeresboden befinden. Ihr Wasser ist im Vergleich zum normalen Meerwasser bis zu 19-fach salziger. Es handelt sich um das salzigste bekannte Wasser im gesamten Ozean. Uns interessiert, ob und welche mikrobiellen Lebensformen an diesen Standorten vorkommen und wie deren Stoffwechsel funktioniert. Hierzu in den kommenden Tagen etwas mehr.

Zurzeit befindet sich die METEOR im südlichen Ionischen Meer auf der Anfahrt zur ersten Untersuchungsstation, dem Urania Becken. Es befindet sich westlich von Kreta. Vermutlich werden wir dort morgen am frühen Nachmittag eintreffen und mit den wissenschaftlichen Arbeiten beginnen.

Andreas Schön:
Bei der Ausfahrt passieren wir das Fort St. Angelo in all seiner Wucht. Dort hätte Pasolini ebenfalls seine Medea inszenieren können. Ganz Malta besteht anscheinend aus solchen Festungen, die über die Jahrhunderte aus gelbem Stein übereinander gestapelt wurden, um jeden mit ihren gewaltigen Unterkiefern zu bedrohen…man wird sich hier gefürchtet haben.

Unser Schiff schiebt sich ins offene, ziemlich blaue Wasser, und Malta ist bald hinter dem Horizont verschwunden. Jetzt werden wir erstmal eine Weile kein Land mehr sehen. Damit ich nicht in Trübsinn verfalle, werden wir zu verschiedenen Instruktions-Treffen versammelt. Die Schwimmweste wird schon mal anprobiert. Sie verfügt über eine hübsche Pfeife und ein kleines Lämpchen.

Dienstag, 8. Februar 2011

Andreas Schön:
Was sucht ein Maler auf einem Forschungsschiff? Keine Ahnung, doch vielleicht finde ich es heraus, und so habe ich mich auf den Weg gemacht… Zunächst meine Flughafen-Paranoia zur Seite gestellt und in Frankfurt die jungen "Meteor"-Wissenschaftler anhand ihrer Jeans und Laptops identifiziert. Vom Flieger aus Sizilien gesehen, Palermo mit dem Monte Pellegrino erkannt und mich dorthin gesehnt.

Dann taucht unten Malta auf, sehr deutlich, besonders Valletta mit seinem Hafen. Schließlich komme ich mit unserer Argonauten-Gruppe bei der METEOR an, die uns von Malta zum Bosporus nehmen wird. Leider nicht auf der Jagd nach dem Goldenen Vlies, sondern nach "Archaeen", kleinen sehr, sehr alten Organismen, die sich vorzugsweise sehr weit unten im Meer, im Schlamm und im Dunkeln aufhalten

Kaum an Bord, wird klar: unsere ARGO wird offenkundig mit Handschuhen gerudert. Die Gänge und Treppen drinnen und draußen fügen sich zu einem bizarren Labyrinth, ich scheitere immer wieder an diesem Ratten-Experiment und lasse mich einfach davon überraschen, wo ich ankomme. Alles Gerät und Zubehör an Bord ist sehr adrett und kompakt einsortiert. Wir auch.

Ein längerer Gang durch den Hafen ist die letzte Chance in den nächsten zwei Wochen, noch ein bisschen zu laufen und so treffe ich auf die Original-Argo im Tete a Tete mit einem U-Boot.

Das Fort St. Angelo

Schiffsposition:
35° 41’ nördliche Breite,
16° 53’ östliche Länge,
südliches Ionisches Meer
Wetter:
14°Celsius, nordwestlicher Wind um 3 Beaufort,
Seegang um 1m

Das Forschungsschiff METEOR im Hafen von La Valetta.

Argonauten an Bord?

Die ARGO in La Valetta?