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Logbuch METEOR 165 (GPF 18-1_81)

Die Forschungsfahrt M 165 (GPF 18-1_81) findet vom 3. August bis 6. September 2020 statt und führt vor die Westküste Afrikas, in das Auftriebsgebiet am Cap Blanc.

Während dieser Fahrt wird der erste Teil der Forschungsaktivitäten des wissenschaftlichen Programms "PASTOSI" (PArticles from Source TO SInk off northwest Africa) durchgeführt. An Bord des Forschungsschiff METEOR sind insgesamt 15 Forschende des MARUM, des Fachbereichs Geowissenschaften der Universität Bremen, des Alfred-Wegener-Instituts, des ICBM und des Deutschen Wetterdienstes.

Gemeinsam werden sie untersuchen, was den vertikalen Partikelfluss von organischem Material und (Bio-) Mineralien in der Wassersäule und dem Oberflächensediment beeinflusst. Bisher ist noch sehr wenig darüber bekannt, was die Produktion, den vertikalen und lateralen Transport von Partikeln und deren Veränderung prägt, sowie welchen Einfluss dies auf Umweltproxysignale in Meeresarchiven haben.

Hier berichten Karin Zonneveld, Elinor Tessin und Sarah Schlagenhauff in einem Logbuch vom Leben und Arbeiten an Bord.

Geplante Fahrtroute und Arbeitsgebiet am Kap Blanc. Grafik: NOAA, State of the Ocean; https://podaac-tools.jpl.nasa.gov/soto
Geplante Fahrtroute und Arbeitsgebiet am Kap Blanc. Grafik: NOAA, State of the Ocean; https://podaac-tools.jpl.nasa.gov/soto
Logo der Expedition M165
Das Forschungsschiff METEOR. Foto: MARUM − Zentrum für Marine Umweltwissenschaften, Universität Bremen; V. Diekamp
Das Forschungsschiff METEOR. Foto: MARUM − Zentrum für Marine Umweltwissenschaften, Universität Bremen; V. Diekamp

Donnerstag, 30. Juli 2020: Eine Expedition in Corona Zeiten

Expedition M165. Endlich geht es los,

Nach zwei Wochen „Hausquarantäne“ sind wir nun auf dem Ostfriesenhof in Leer angekommen, wo wir die kommenden vier Tage unser Zimmer nicht verlassen werden. Wir, das sind 15 Studierende, Doktoranden, Postdocs, Techniker_innen und Fahrtleiterin vom MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften der Universität Bremen, dem Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven und der Universität Oldenburg. Wir alle werden erst auf Corona getestet, um sicherzustellen, dass wir das Virus nicht in unserem Gepäck an Bord der Forschungsschiff METEOR mitführen.

Ausblick auf die Ems
Ausblick auf die Ems
 

Quarantäne – mein Zimmer ist geräumig und angenehm eingerichtet, hat einen Balkon, Blick auf die Ems. Ich bin gut mit Getränken versorgt, das Essen ist köstlich, und es gibt Internet mit großer Bandbreite :-)

Die Expedition M165 sollte im April stattfinden, aber der weltweite Ausbruch des Corona-Virus kam dazwischen. Durch die hervorragende Zusammenarbeit und Flexibilität der Mitarbeiter_innen der Geschäftsstelle des Gutachterpanels Forschungsschiffe (Deutsche Forschungsgemeinschaft DFG), die Leitstelle Deutsche Forschungsschiffe an der Universität Hamburg und Briese Research Forschungsschiffahrt wurde die Möglichkeit geschaffen, unsere Meeresforschung auf See doch fortzusetzen.

Während der Expedition wird ein langfristiges Forschungsprojekt des MARUM und der Universität Bremen fortgeführt. In diesem Projekt wird seit 1988 untersucht, wie der Ozean vor Nordwest-Afrika auf den heutigen Klima- und Umweltwandel reagiert. Weitere Einzelheiten dazu folgen demnächst, sind aber auch zu finden unter https://www.marum.de/Karin-Zonneveld/R.V.-meteor-reise-m165-pastosi-part-1.html.

 

Vorräte für die 14 Tage Heim-Quarantäne, an die sich die Hotel-Quarantäne angeschlossen hat. Erst dann durften die Forschenden auf die METEOR.
Vorräte für die 14 Tage Heim-Quarantäne, an die sich die Hotel-Quarantäne angeschlossen hat. Erst dann durften die Forschenden auf die METEOR.
Im Hotelzimmer stehen ausreichend Getränke parat - das Zimmer darf nicht verlassen werden.
Im Hotelzimmer stehen ausreichend Getränke parat - das Zimmer darf nicht verlassen werden.

Bericht und Fotos von Karin Zonneveld

Dienstag, 4. August: Los geht´s!

Aussicht auf die weißen Kalkklippen von Dover
Aussicht auf die weißen Kalkklippen von Dover

Wir sind auf dem Weg nach Süden :-).

Vor zwei Tagen wurden wir aus unseren Quarantäne-Hotelzimmern entlassen und mit einem Bus Covid19-sicher zum Forschungsschiff METEOR gebracht.

Nach der herzlichen Begrüßung durch den Kapitän und die Schiffsbesatzung fingen wir sofort an, unsere Forschungsausrüstung auszupacken. Diese Ausrüstung, die für die wissenschaftliche Probennahme und Analyse der Proben und der marinen Umwelt benötigt wird, wurde in den Wochen vor der Reise in Kisten verpackt und in 20-Fuß-Containern zum Schiff transportiert. Wir brachten diese Kisten nun zu den Laboren, packten die Ausrüstung so weit wie möglich aus und installierten sie. Der Grund für unsere Eile war, dass es viel sicherer ist, die Ausrüstung zu bewegen, wenn das Schiff ruhig im Hafen liegt, als wenn es fährt und in den Wellen schwankt... und wir wollten voraussichtlich bereits am frühen Morgen des nächsten Tages den Hafen von Emden verlassen.

Die Container werden ausgepackt.
Die Container werden ausgepackt.

Einmal ausgepackt und in den Labors installiert, mussten alle Geräte wie Computer, Mikroskope und Analysegeräte mit Spanngurten am Schiff befestigt werden, damit sie nicht umkippen, herunterfallen oder sich bewegen können. Kleine Gegenstände wie Laptops werden auf rutschfestem Untergrund platziert, um zu verhindern, dass sie bei rauem Wetter von den Tischen rutschen.

 

Ein Schlepper zieht die FS METEOR zur Schleuse. Das Forschungsschiff Sonne liegt am Kai in Emden.
Ein Schlepper zieht die FS METEOR zur Schleuse. Das Forschungsschiff Sonne liegt am Kai in Emden.
Das FS METEOR fährt in die Schleuse hinein.
Das FS METEOR fährt in die Schleuse hinein.

Gestern Morgen um 9 Uhr wurden die Schiffstaue gelöst, und ein Schlepper zog uns aus dem Hafen in die Schleuse, die den Hafen von Emden mit dem Wattenmeer verbindet. Nach der Einfahrt in die Nordsee war der Tag gefüllt mit weiterem Auspacken und Installieren von Ausrüstung, Kennenlernen des Schiffs, den ersten Sicherheitsübung, technischen und wissenschaftlichen Briefings.

 

Heute haben wir den Ärmelkanal bei herrlichem Wetter, blauer See, blauem Himmel und den weißen Klippen von Dover durchquert und uns von der Nordsee verabschiedet. In den nächsten Tagen werden wir uns stetig in Richtung Süden bewegen, indem wir den Golf von Biscaya, den Nordatlantik vor Spanien überqueren, an den Kanarischen Inseln vorbei in das "Auftriebsgebiet" vor Kap Blanc gelangen.

Bericht und Fotos von Karin Zonneveld

Donnerstag, 6. August: Hallo Hochsee!

Nachdem wir gestern und vorgestern ganz gemächlich durch den Ärmelkanal getuckert sind, befinden wir uns seit heute Morgen auf dem offenen Atlantik. Hier ist das Wasser nicht mehr knapp hundert, sondern mehr als 4.000 Meter tief, zwischen uns und Nordamerika liegen nur noch die Azoren, und Wind und Wellen bewegen sich fast ungebremst übers Meer.

Den Unterschied sieht und spürt man deutlich – keine Windparks mehr in der Ferne, kaum noch andere Schiffe, alles schwankt und knarzt, und beim Frühstück, Mittag- und Abendessen ist die Messe ein bisschen leerer als sonst. Wo bis vorgestern noch geplant, studiert, vorbereitet und auch abends Ping Pong gespielt wurde, geht es mittlerweile bei der wissenschaftlichen Besatzung ruhiger zu. Die Crew dagegen macht einfach genauso weiter wie vorher.

Text und Fotos von Elinor Tessin

Blick aus dem Labor.
Blick aus dem Labor
Blick vom Peildeck
Blick vom Peildeck

Montag, 10. August: Ballons und Delfine

Weite Aussicht vom Deck des FS METEOR
Weite Aussicht vom Deck des FS METEOR

Seit Donnerstag hat sich das Wetter deutlich beruhigt, wir können mehr Zeit an Deck verbringen, und wie sich herausstellt, ist hier draußen einiges los. Im tiefblauen Golf von Biskaya wurde der erste Delfin gesichtet, seitdem wimmelt es nur so von Meerestieren. Die meisten bestehen aus Wellenkämmen und unserer lebhaften Fantasie, aber es waren definitiv auch zwei echte Wale dabei. Deren Gegenwart kann man leider nur an den gelegentlich ausgestoßenen Blaswolken erahnen. Davon gibt es zwar Bilder, aber die sind es nicht unbedingt wert, über die Satellitenverbindung nach Deutschland geschickt zu werden: Stellt euch einfach viel blau mit einem kleinen weißen Fleck in der Ferne vor.

Ein Delfin begleitet das Forschungsschiff für eine Weile.

Gestern hatten wir Glück und haben einen Delfin beobachtet, der sich unser Schiff aus der Nähe untersuchen wollte.

Der Ballon wird durch die Luke freigelassen, unten hängt der Sensor.

Unsere eigenen wissenschaftlichen Probenamen müssen noch bis Mittwoch warten, wenn wir voraussichtlich Kap Blanc erreichen. Aber Bordmeteorologe Frank kann schon Messwerte sammeln. Zum Beispiel durch Wetterballons, die steigen gelassen werden. Die werden mit Helium gefüllt, dann wird der Luftdruck- und Temperatur-Sensor befestigt, und anschließend werden sie durch eine Luke Richtung Himmel geschickt. Obwohl die Ballons schnell steigen, tausende Meter in wenigen Minuten, kann man sie noch lange beobachten: Sobald sie dünnere Luft erreichen, breitet sich das Helium im Ballon aus und er schwillt von circa einem Meter Durchmesser zu bis zu sieben Metern an.

Während des Aufstiegs werden die Daten ständig an Bord gesendet. Nach ca. eine Stunde wird darüber eine internationale Meldung verbreitet. Die Ergebnisse sind zum Beispiel wichtig für die Luftfahrt.

 

Wenige Momente später ist er schon hunderte Meter gestiegen.

Text und Videos von Elinor Tessin, Fotos von Karin Zonneveld.

Mittwoch, 12. August: Sedimentfallen

Wir sind da.

Gestern um halb eins lokale Zeit sind wir endlich am Ziel angekommen; Station GeoB 24101. Auf dieser Position sammeln wir schon seit 1988 Partikel, die durch die Wassersäule nach unten rieseln.

 

Erfolgreiche Bergung der ersten Sedimentfalle.
Erfolgreiche Bergung der ersten Sedimentfalle.

 

Wie? Das machen wir mit Sedimentfallen.

In diesem Fall sind das zwei große Trichter, die über einander an einem Draht befestigt sind. Unter den Trichtern hängen Sammelbecher, die computergesteuert alle zwei Wochen gewechselt werden. Sie haben von November 2018 bis März 2020 Material gesammelt. Eigentlich hätten sie schon im März dieses Jahres geborgen werden sollen, aber leider kam Corona dazwischen… jetzt aber!

Der Draht, an dem die Trichter befestigt sind, ist mit einem Anker gesichert, der auf knapp 4.200 Metern Tiefe am Meeresboden liegt. Der Draht wird durch Treibkörper in horizontaler Position gehalten, die am anderen Ende befestigt sind. Zwische" Draht und Anker sitzt ein sogenannter "Auslöser”; eine Befestigung die sich lockert, wenn man sie mit einer bestimmten Schallfrequenz anpeilt.

Ausschau halten von der Brücke aus: Wie lange dauert es, bis die Treibkörper auftauchen?
Ausschau halten von der Brücke aus: Wie lange dauert es, bis die Treibkörper auftauchen?
Erleichterung, wenn die Treibkörper an die Wasseroberflache erscheinen.
Erleichterung, wenn die Treibkörper an die Wasseroberflache erscheinen.

Mittags viertel vor eins war es so weit. Das Schiff war auf Position gebracht, und die Schallfrequenz wurde unter Wasser abgegeben. Jetzt fängt das spannende Warten an. Wenn der Auslöser die Verankerung frei gegeben hat, dauert es 15 bis 20 Minuten, bis die ersten hellen gelb- und orangefarbenen Treibkörper an die Wasseroberfläche kommen. Auf der Brücke herrscht angespannte Stille… kommen die orangen und gelben Treibkörper an die Oberfläche…

Um kurz nach 13 Uhr hörte man die erlösenden Worte: “Ich sehe sie!”

Dann folgt das Einfangen der Treibkörper, das Einholen des Drahtes und das Bergen der Treibfallen.

Um 16 Uhr waren dann beide Fallen sicher befestigt an Deck und wir konnten angefangen, das gesammelte Material zu untersuchen.

Die Treibkörper werden geborgen.
Die Treibkörper werden geborgen.
 Eine Falle kommt sicher an Bord.
Eine Falle kommt sicher an Bord.

Bericht und Fotos von Karin Zonneveld

Montag, 24. August: Treibfallen

Mit solchen Treibfallen werden Mikroalgen in der Wassersäule beprobt.
Mit solchen Treibfallen werden Mikroalgen in der Wassersäule beprobt. Foto: Karin Zonnefeld

 

Hier, vor der Küste Marokkos, ist das Meer besonders lebendig: weil konstante Strömungen Wasser von der Küste wegdrücken, fließt nährstoffreiches Wasser aus der Tiefe nach. Das nennt man Auftrieb. Dort, wo dieses Tiefenwasser mit Sonnenlicht in Berührung kommt, entstehen ideale Lebensräume für Mikroalgen. Damit beginnt ein wüstes mikroskopisches Gelage. Die Mikroalgen pflanzen sich rasant fort, werden von anderen Mikroorganismen gefressen, die wiederum größere Lebewesen ernähren. Währenddessen werden ständig tote und inaktive Zellen, Exkremente, und andere Abfallprodukte freigesetzt und sinken in die Tiefe.

Vor ein paar Tagen haben wir eine Treibfalle ausgesetzt, um eine solche Auftriebszelle auf ihren Weg durchs Meer zu verfolgen. Diese Falle besteht aus langen Röhren, die an einem Seil befestigt sind. Dieses Seil wird mit Treibkörpern aufrecht gehalten. Bevor wir die Falle ins Meer setzen, füllen wir die Röhren mit besonders salzigem, und daher schweren Wasser. Dadurch wird alles, was in diese Röhren absinkt, darin festgehalten, bis wir es wieder einsammeln können. Die Röhren sind in unterschiedlichen Tiefen zwischen 100 und 450 Metern befestigt. So können wir vergleichen, welche Partikel wie weit absinken. Ein Sender teilt uns dann die Position der Treibfalle mit, die sich mit der Auftriebszelle weiterbewegt, während wir dem Rest unseres Forschungsprogramms nachgehen können. Jeden Morgen fahren wir der Treibfalle hinterher, leeren die Röhren und füllen sie mit neuem Salzwasser auf, und setzen die Falle erneut aus.

Jeden Morgen kurz nach dem Sonnenaufgang spüren wir unsere Treibfalle auf und holen sie aus dem Wasser. Hier tauchen die ersten vier Röhren auf.
Jeden Morgen kurz nach dem Sonnenaufgang spüren wir unsere Treibfalle auf und holen sie aus dem Wasser. Hier tauchen die ersten vier Röhren auf.
Hier sieht man die letzten vier Röhren, die die letzten 24 Stunden 450 Meter tief am Seil befestigt waren. Dort haben sie sinkende Partikel eingesammelt. Unterhalb sieht man das Gewicht, dass unter Wasser zusammen mit den Treibkörpern das Seil und die Röhren aufrecht hält.
Hier sieht man die letzten vier Röhren, die die letzten 24 Stunden 450 Meter tief am Seil befestigt waren. Dort haben sie sinkende Partikel eingesammelt. Unterhalb sieht man das Gewicht, dass unter Wasser zusammen mit den Treibkörpern das Seil und die Röhren aufrecht hält. Foto: Karin Zonnefeld

In den Röhren findet man alle möglichen Lebewesen und Partikel. Um zum Beispiel Mikroalgen zu untersuchen, filtern wir unsere Proben, bis nur noch Partikel zwischen 20 und 100 Mikrometern übrigbleiben. Die kann man eigentlich mit bloßem Auge nicht erkennen, aber an der Farbe des Wassers erkennt man sie doch: vor dem Filtern ist das Wasser leicht grün, danach ist es fast glasklar. 

Weil unsere Auftriebszelle sich schließlich Richtung Küste bewegt hat, haben wir uns heute Morgen eine neue Zelle ausgesucht. Die kann man gut in Satellitenaufnahmen der Meeresoberfläche erkennen: dort, wo die Oberfläche deutlich kälter ist als in der Umgebung, findet gerade Auftrieb statt.

 

Ein erster Einblick in die mikroskopische Welt: nachdem wir unsere Proben konzentriert haben, tragen wir eine kleine Menge auf Objektträger auf und können so unter dem Mikroskop Zellen identifizieren und zählen. Hier sieht man unterschiedliche Mikroalgen. Einige Zellen sind transparent und leer, während man in anderen noch grüne Chloroplasten erkennen kann. Diese Zellen waren also vor kurzem noch lebendig und haben Photosynthese betrieben. In dieser Probe findet man vor allem Diatomeen, Dinoflagellaten und Dinoflagellatenzysten: die verlassenen Hüllen von inaktiven Dinoflagellaten.
Ein erster Einblick in die mikroskopische Welt: nachdem wir unsere Proben konzentriert haben, tragen wir eine kleine Menge auf Objektträger auf und können so unter dem Mikroskop Zellen identifizieren und zählen. Hier sieht man unterschiedliche Mikroalgen. Einige Zellen sind transparent und leer, während man in anderen noch grüne Chloroplasten erkennen kann. Diese Zellen waren also vor kurzem noch lebendig und haben Photosynthese betrieben. In dieser Probe findet man vor allem Diatomeen, Dinoflagellaten und Dinoflagellatenzysten: die verlassenen Hüllen von inaktiven Dinoflagellaten.

Text von Elinor Tessin. Wenn nicht anders angegeben,  Fotos von Elinor Tessin.

Montag, 31. August: Nachtschicht

Partikel aus 4000 m Tiefe und Delphine.

Heute, in der Dämmerung des frühen Morgens, begrüßten uns die funkelnden Lichter auf der Insel Madeira am Horizont. Wir sind auf dem Heimweg, aber es wird noch 9 Tage dauern, bis wir in den Hafen von Emden einlaufen werden. Die letzten Tage der "Stationsarbeit", wie wir die Beprobungsperiode im Forschungsgebiet nennen, waren sehr intensiv, und wie es auf einer Meeresexpedition üblich ist, arbeiteten wir tagsüber und nachts in verschiedenen Schichten.

 

Die CTD/Rosette ist an Deck.
Die CTD/Rosette ist an Deck.

 

Tagsüber werden Geräte eingesetzt, die zum Einsatz Tageslicht benötigen. Zum Beispiel, weil die Ausrüstung schwer ist und mit Drähten auf dem fahrenden Schiff besonders stabilisiert werden muss oder weil sie zwischen den Wellen auf der blauen Meeresoberfläche gesichtet werden muss, wie etwa die Treibfallen und Verankerungen. Während der Nacht kann leichtere Ausrüstung wie z.B. die CTD/Rosette und In-situ-Pumpen eingesetzt werden.

Mit einer CTD/Rosette charakterisieren wir gleichzeitig die Wassersäule und sammeln Wasser. CTD steht für "Conductivity, Temperature, Density" (Leitfähigkeit, Temperatur, Dichte) und zusammen mit zusätzlichen Sensoren können wir die Temperatur, den Salzgehalt, den Sauerstoff, das lebende Plankton (Chlorophyll-a) und die Menge der im Wasser schwimmenden Partikel (= Trübung) messen. Dieses Gerät ist an einem Draht, mit einem Stromkabel im Inneren, angebracht, das wir langsam durch die Wassersäule nach unten führen. In unserem Fall bis zu einer Wassertiefe von maximal 4200 Meter. Auf einem Computer können wir online sehen, wie sich Temperatur, Salzgehalt, Sauerstoff, Chlor-a und Trübung verändern. Auf dem Weg nach oben können wir mit demselben Computer den Befehl geben, die Wasserflaschen der Rosette zu verschließen.

In-situ-Pumpen sind eine Art "Unterwasserstaubsauger". Sie sind auch an einem Draht befestigt, der sie in jene Wassertiefen hinunterführt, in denen sich viele Partikel befinden. Diese Staubsauger saugen Wasser an und filtern gleichzeitig Partikel. Abgesehen von den, vom Plankton produzierten, Partikeln suchen wir während dieser Fahrt auch nach Mikroplastik. Hierfür haben wir ein Probenahmeverfahren entwickelt, das das Risiko einer Kontamination während der Probenahme minimiert, z.B. durch Vermeidung des Tragens von Kleidung aus Kunststoff (z.B. Fleecejacken) und Minimierung der Luftexposition (Luft enthält Plastikaerosolen) während der Probenahme.

Eine In-situ Pumpe kommt an Bord.
Eine In-situ Pumpe kommt an Bord.

Während der nächtlichen Einsätze werden große Scheinwerfer vom Schiff auf den Ort gerichtet, an dem die CTD/Rosette- und In-situ-Pumpen eingesetzt werden. Dies sorgt für eine schöne, ruhige und faszinierende Atmosphäre. Das Licht auf dem Wasser verleiht ihm eine türkisblaue Farbe. Durch das Licht werden zahlreiche Arten von Plankton angezogen, das wiederum lockt kleine Fische an, die wiederum Kalmare anlocken.

Unsere allerletzte Station war etwas ganz Besonderes. Hunderte von Kalmare kamen an die Oberfläche, um die fliegenden Fische zu fangen, die aus dem Wasser sprangen. Ihre ausgebreiteten Flossen ermöglichen es, dass die fliegenden Fische teilweise fast 10 Meter weit "fliegen", bevor sie wieder in den Ozean fallen.

Nach einer Weile tauchte plötzlich ein Hammerhai auf, dem etwas später mehr als 50 Delfine folgten. Die Delfine boten uns eine echte Show. Sie jagten gemeinsam, teilweise zehn Tiere nebeneinander. Sie sprangen aus dem Wasser und tauchten synchron ab. Als sie die andere Seite des Schiffsscheinwerfers erreichten, organisierten sie sich neu und starteten synchron den nächsten Angriff auf die zahlreichen Kalmare, die sich in der Nähe des Schiffes versammelt hatten.

Die letzte In-situ Pump Probe (Foto: Gerard Versteegh)
Die letzte In-situ Pump Probe (Foto: Gerard Versteegh)

Leider hat jede "Show" ein Ende, und als die letzte In-situ-Pumpe in den frühen Morgenstunden an Deck kam, mussten wir die Lichter ausschalten, um uns auf den langen Heimweg zu machen. Nach dem Sammeln und Verarbeiten der Proben gingen wir für ein paar Stunden ins Bett – mit einem Lächeln auf dem Gesicht und den schönen Szenen der Nacht noch vor unseren nun geschlossenen Augen.

 

Text von Karin Zonneveld. Wenn nicht anders angegeben, Fotos von Karin Zonneveld.

Freitag, 4. September: Zuhause in Sicht und letzte Experimente

Fast zu Hause,

Heute fahren wir durch den Ärmelkanal, zusammen mit zahlreichen anderen Schiffen, die schön hintereinander auf der "Schiffsautobahn" fahren. Die Schiffautobahn sind zwei getrennte Fahrspuren die den Verkehr, der in den Ärmelkanal ein- und ausausfährt, aufteilen. Obwohl der Name "Englischer Kanal" auf Englisch heißt, folgen die Schiffe nicht der charakteristischen englischen Fahrtrichtung, sondern folgen der Fahrtrichtung vom "Kontinent" auf der rechten Seite der Fahrspur.

 

Auf dem Rückweg durch den Ärmelkanal.
Auf dem Rückweg durch den Ärmelkanal.

 

Unser langer Transit nach Hause geht fast zu Ende, und wir erwarten, am Sonntagmorgen in den Hafen von Emden einzulaufen. Nach der intensiven Probenahmezeit in der vergangenen Woche blieb nicht viel Zeit zum Entspannen. Die Transitzeit wurde intensiv genutzt, um Experimente durchzuführen und unsere frisch entnommenen Proben zu analysieren.

So untersuchen wir zum Beispiel, ob und wie die kleinen Partikel, die sich in der oberen Wassersäule bilden, zusammenklumpen und so genannte Aggregate bilden.  Weiterhin wird untersucht, wie die biologische, physikalische und chemische Wechselwirkung zwischen Aggregaten und gelösten organischen Substanzen im Wasser funktioniert und wie alt die Aggregate sind, die wir direkt aus verschiedenen Wassermassen gesammelt hatten.

Rollentank zum Untersuchen der Aggregatbildung.
Rollentank zum Untersuchen der Aggregatbildung.
Die mikroskopisch kleinen Partikel verschiedener Wassermassen werden analysiert.
Die mikroskopisch kleinen Partikel verschiedener Wassermassen werden analysiert.
Die mikroskopisch kleinen Partikel verschiedener Wassermassen werden analysiert.
Die mikroskopisch kleinen Partikel verschiedener Wassermassen werden analysiert.

Wir brauchen diese Informationen, um besser verstehen zu können, wie der derzeitige enorme Anstieg des atmosphärischen CO2 (in diesem Jahr ist der Anstieg der atmosphärischen CO2-Konzentration wegen der großen Brände in Sibirien und Brasilien extrem) sowie unsere zunehmende Verschmutzung (z.B. durch Mikroplastik) unser globales Klima und unsere Umwelt beeinflussen.

Diese Partikel und Aggregate bestehen aus Resten von Meeresorganismen (Plankton, aber auch Reste von Bakterien und Archaeen), aber auch aus Schadstoffen wie Mikroplastik. Plankton enthält Kohlenstoff, der zuvor als CO2 aus der Atmosphäre in das Meerwasser diffundiert ist und von photosynthetischen Organismen in Biomasse umgewandelt würde. Sinken die Meerespartikel und -aggregate ab, können sie sich auf dem Ozeanboden absetzen und transportieren so Kohlenstoff aus der Atmosphäre zum Meeresboden. Dieser Prozess wird als "die Kohlenstoffpumpe des Ozeans" genannt und entfernt auf natürliche Weise CO2 aus der Atmosphäre, um es im Meeresboden zu speichern. Dasselbe geschieht mit Mikroplastik. Diese Partikel setzen sich ebenfalls auf dem Meeresboden ab, wo sie möglicherweise erhalten bleiben und ein schadstoffreiches "Erbe" für künftige Generationen bilden werden.

Wenn wir wissen, welche Partikel zu Aggregaten verklumpen, wie diese Aggregaten absinken, z.B. direkt nach unten oder in die Wassersäule schweben bevor sie sich absetzen, werden wir die Kohlenstoffpumpe des Ozeans besser verstehen. Wenn wir wissen, wie lange Mikroplastik in der Wassersäule verbleibt, wie sie absinkt (vertikal oder wird sie auch seitlich transportiert, bevor sie sich absetzt), wo sie sich absetzt und welche Plastiktypen durch z.B. Mikroorganismen abgebaut werden sowie welche Partikel im Ozeanboden erhalten bleiben und dauerhaft gespeichert werden, können wir den ökologischen Fußabdruck, den wir auf dem Meeresboden hinterlassen, besser abschätzen.

Letzte Messungen der untersuchten Aggregate.
Letzte Messungen der untersuchten Aggregate.

Für mich persönlich, hoffe ich sehr, dass wir einige Mikroplastik-Sorten finden werden, die auf natürliche Weise von Mikroorganismen, die in den Sedimenten des Meeresbodens leben, abgebaut werden können. Wenn wir dies finden, wäre das fantastisch, denn es könnte einen Weg eröffnen, die vielen nicht abbaubaren Kunststofftypen durch diese Materialien zu ersetzen. Dies wiederum könnte dann die weltweite Verschmutzung reduzieren.

Heute werden wir unsere letzten Experimente und Analysen an Bord der METEOR beenden, um sie in unseren Heimatlabors fortzusetzen. Wir werden unsere Ausrüstung sicher in Transportkisten verstauen, wo sie am Montag, wenn wir das Schiff verlassen, zu den Instituten zurückgebracht werden.

Text und Fotos von Karin Zonneveld.

Sonnenuntergang auf dem Forschungsschiff METEOR
Sonnenuntergang auf dem Forschungsschiff METEOR