Logo Universitat Bremen
Seitenpfad:

Logbuch METEOR M146

Kalte Quellen an einem kalten Unterwasservulkan

Das Forschungsschiff METEOR bricht am 17. März 2018 von Recife (Brasilien) zu einer neuen Expedition nahe der westlichen Kanarischen Inseln auf. Ein Team von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern um den Fahrtleiter Dr. Andreas Klügel vom Fachbereich Geowissenschaften der Universität Bremen wird Fluidaustritte an einem alten untermeerischen Vulkan (Seamount) erforschen.

Ziel der Expedition M146 HESSE (HEnry Seamount Seepage Exploration) ist der Henry Seamount, ein 126 Millionen Jahre alter, erloschener Vulkan südöstlich der Kanareninsel El Hierro in 3.600 Meter Wassertiefe. Hier wurden bei einer früheren METEOR-Ausfahrt Proben von Muschelschalen und Gesteinen gewonnen, die auf kalte Quellen hindeuten. Diese entstehen durch Zirkulation von Meerwasser, ein global wichtiger Prozess für die Abkühlung und chemische Veränderung der Ozeankruste sowie für marine Ökosysteme. Eine solche Zirkulation, auch "hydrothermales Siphon" genannt, gibt es vermutlich an Tausenden von Seamounts auf dem Boden der Weltmeere, doch sind bislang nur wenige Fälle bekannt.

Zirkulation von Meerwasser am Henry Seamount (Grafik aus Klügel et al., 2011, Geology)
Vermutete hydrothermale Zirkulation am Henry Seamount. Kaltes Meerwasser sickert am Sockel der Nachbarinsel El Hierro in den Untergrund, fließt langsam durch die alte Ozeankruste, wird dabei etwas erwärmt, und steigt durch den Auftrieb bei Henry Seamount wieder empor. Die Ozeankruste wirkt dabei wie ein Grundwasserleiter. Undurchlässige Sedimente werden bei diesem Transportweg umgangen. (Grafik aus Klügel et al., 2011, Geology)

Die vermuteten Quellen am Henry Seamount wollen die Forscherinnen und Forscher mit Hilfe von detaillierten Kartierungen und seismischen Untersuchungen des Meeresbodens sowie mit Wärmestrom-Messungen entdecken und anschließend beproben. Bei der Kartierung kommt das autonome Unterwasserfahrzeug (AUV) MARUM SEAL-5000 zum Einsatz. Einzelne Bereiche des Seamounts werden mit einem TV-Schlitten untersucht, der Bilder online auf das Schiff überträgt.

Die Expedition endet am 16. April im Hafen von Las Palmas de Gran Canaria. Neben dem Fachbereich Geowissenschaften und dem MARUM an der Universität Bremen sind das Institut für Geowissenschaften der Universität Kiel sowie ein Kollege des Spanischen Ozeanographischen Institutes aus Teneriffa an der Ausfahrt beteiligt. Eine Studentin der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle wird die Ausfahrt mit einem künstlerischen Projekt begleiten.

Hier berichten die Forscherinnen und Forscher in einem Logbuch vom Leben und Arbeiten an Bord.

16. April: Das Ende einer langen Reise

Nach 30 Tagen Fahrt zuerst quer durch den Atlantik und danach in der Nähe von El Hierro endete die Expedition M146 am 16. April in Las Palmas de Gran Canaria.

Schon einen Tag vor dem Einlaufen kündigt sich das Ende der Expedition durch emsiges Treiben an: es werden die wissenschaftlichen Geräte und Computer abgebaut und eingepackt, Proben verstaut, Kisten auf Paletten gestapelt, die Container teilweise beladen, und die Labore geputzt und kontrolliert. Das Deck wird für die Beladungen und Entladungen im Hafen vorbereitet. Ein letztes Treffen aller wissenschaftlichen Fahrtteilnehmer und -innen im Konferenzraum, dabei ein herzliches Dankeschön des Fahrtleiters für den großartigen Einsatz sowie eine Zusammenfassung der gewonnen Ergebnisse: aufgezeichnete Bathymetrie auf insgesamt 2.850 km Länge, hochauflösende Kartierung von 31 km2 Meeresboden mit dem AUV (autonomes Unterwasserfahrzeug), 650 km reflexionsseismische Profile, 59 Wärmefluss-Messungen am Meeresboden, 13 Backengreifer-Proben, 5 Sedimentkerne mit insgesamt 12 m Länge, rund 70 Stunden Beobachtung des Meeresbodens mit dem TV-Schlitten, und etliche Terabyte an Daten. Diese nüchternen Zahlen können natürlich weder die wissenschaftlichen Erkenntnisse noch die tolle Arbeitsatmosphäre an Bord beschreiben. Aber sie zeigen, dass die Ausfahrt erfolgreich war.

Pico de Teide auf Teneriffa
Im Morgengrauen an unserem Arbeitsgebiet: der über 3700 m hohe Pico de Teide auf Teneriffa grüßt aus 150 km Entfernung.

Am Morgen des 16. April dann eine ungewohnte Atmosphäre: die METEOR schaukelt kaum noch, zahlreiche Lichter vor uns, zahlreiche Schiffe um uns herum, zunehmende Betriebsamkeit auf Deck und Brücke. Die meisten von uns stehen auf dem Peildeck und verfolgen das Anlegemanöver. Es herrscht wieder die übliche Sicherheitsstufe im Hafen, die Außentüren sind verriegelt, und die Kabinen müssen wieder verschlossen werden. Schwere Fahrzeuge rollen an, ungewohnter Lärm, Container schweben durch die Gegend. Am Nachmittag können wir von Bord und merken, was wir in den letzten 30 Tagen nicht vermisst haben: den hektischen Autoverkehr. Aber es tut gut, wieder Büsche und Bäume zu sehen, Vögel zu hören, und das Meer vom Sandstrand von Las Palmas und nicht vom Schiff herab zu betrachten. Am nächsten Tag dann herzliche Verabschiedung von der Besatzung und Fahrt zum Flughafen. Wir freuen uns, Freunde und Familie bald wiedersehen zu können, und manche freuen sich auf ein paar Tage wohlverdienten Urlaub auf den Kanaren. Aber die spezielle Stimmung einer Ausfahrt und die Weite des Meeres werden wir bald wieder vermissen – und die nächste Ausfahrt kommt bestimmt.

Andreas Klügel

13. April: Freizeit und Wärmestrom

Allmählich geht die wunderschöne Zeit auf der METEOR vorüber und man kommt zurück von einer Reise, die sich durch die lange Anreise von über einer Woche sehr gezogen hatte, aber dann gespickt war von kurzen Transitfahrten, unerwarteten Entdeckungen und Faszinationen am Henry Seamount.

Ich habe vergessen mich vorzustellen! Ich bin Jan-Niklas, Bachelorstudent der Universität Bremen im Fachbereich Geowissenschaften mit dem Schwerpunkt Geophysik. An Ausfahrten fasziniert mich vor allem die grenzenlose Weite des Ozeans in allen Dimensionen, auf dem man ohne GPS nahezu aufgeschmissen wäre. Am nächsten Tag schaut man daher nur auf die Online-Karte und sieht… einen Wollknäul aus Schiffstracks. Ähmm? Okay wo sind wir jetzt langgefahren? Und was wird heute gemacht? Jeden Tag wird entschieden, was an den folgenden Tagen untersucht werden soll. Das macht die Planung zu einer Herausforderung, da alle Arbeitsgruppen einen vergleichbar großen Forschungsanteil haben möchten. Alles in allem führt dies zu abwechslungsreichen Arbeiten und 24/7 Schichtbetrieben an Bord.

Doch vor lauter Arbeit sollte auch eines nicht fehlen: Freizeit. Die Freizeit kann sich an Bord trotz des begrenzten Raumes als sehr vielseitig erweisen. So findet der ein oder andere Filmabend, das Grillfest oder ein selbstorganisiertes Tischtennisturnier statt. Dazu gibt es die Möglichkeit, in den Fitnessraum oder in die Sauna zu gehen, auf dem Peildeck die Sonne auf den Körper brutzeln zu lassen, oder in die Bar zu gehen und 6er-Mensch-ärgere-dich-nicht-Spezial oder anderes zu spielen.

Tischtennisturnier (Foto: Daria Nazarenko)
Foto: Daria Nazarenko

Bei meiner ersten Ausfahrt wurde ich gefragt, ob ich nicht das, was ich in der Uni in einer Prüfung abgelegt habe, nicht auch auf dem Schiff machen wollte. Meine Augen leuchteten, als ich davon erfuhr. Nur wenige Monate später ging dann meine erste Ausfahrt los. Das war im Herbst 2017 von Mindelo, Kapverden, zum Mittelatlantischen Rücken auf Äquatorhöhe. Ein unbeschreibliches Gefühl. Vor allem, weil man neue Leute kennengelernt hat, die einen sehr stark geprägt haben.

Es ist mittlerweile meine zweite große Ausfahrt und ich muss sagen, dass jede Expedition anders ist. Natürlich sind andere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an Bord, es werden unterschiedliche Disziplinen ausgeübt und auf jeder Fahrt lernt man immer mehr dazu. Als Input liefert man immer seine eigenen Erfahrungen zu seinem speziellen Fachgebiet, aber nur zusammen wird ein Schuh draus.

Wärmestromlanze (Foto: Daria Nazarenko)
Foto: Daria Nazarenko

Meine Aufgabe ist es, zusammen mit meiner Arbeitsgruppe den Wärmestrom bzw. Wärmefluss zu bestimmen. Hierfür benutzen wir eine 8 Meter lange und 1,8 t schwere Stahllanze, an der Thermistoren (Temperaturfühler) in einer Eisenröhre befestigt sind. Ähnlich wie beim Fiebermessen handelt es sich um ein überdimensionales Thermometer, dass in fast 4000 Meter Wassertiefe im Sediment versenkt wird. Gemessen wird die Temperatur mit der Zeit. Beim Fiebermessen bedarf es, wie auch in der Meeresforschung, einer Angleichzeit, bis die richtige Temperatur vom Sensor gemessen wird. Durch kleinste Temperaturunterschiede zwischen den einzelnen Sensoren können so aufsteigende Fluide und vulkanische Aktivitäten gefunden werden. Bevor wir jedoch mit der Lanze in den Untergrund pieksen, muss geklärt sein, um was für ein Sediment es sich handelt. So liefert die marine Geophysik Methoden, mit denen man in der Lage ist, in den Untergrund zu blicken, um uns eine Penetration zu ermöglichen und eine Interpretation zu fördern.

Am Ende einer Fahrt kommen so große Datenmengen von über 1 Terabyte auf das Festland zurück. Eine große Menge an Daten, die sicher auf Festplatten verstaut werden möchten. Datensicherung ist alles, daher wird alles doppelt und dreifach abgespeichert. Ich hoffe, dass alles, was an Daten gesammelt wird, auch ankommt. So wie wir.

In dem Sinne, bis bald!

Jan-Niklas Schmidt

08. April: Raum-Zeitgefüge auf dem Forschungsschiff

Letztens benutzte ich das Bordtelefon und versuchte dem Festland klarzumachen, was hier auf der METEOR passiert. Vorher gehörte ich auch zu denen, die keine Vorstellung vom Leben auf Forschungsschiffen hatten, denn ich bin als Künstlerin an Bord gekommen. Ich studiere an der Kunsthochschule Burg Giebichenstein in Halle und bekam nur durch Zufall Wind von deutschen Forschergruppen, die monatelang auf See ihren Beobachtungen nachgingen.

Ich begann das Telefonat mit der Gebrauchsanweisung, wie Wellenrichtungen bestimmt werden, oder bei der Sichtweite, die manchmal wegen des Saharasandes in der Luft ganz neblig wird. Es gibt da draußen kein Grün, nur Abstufungen von Blautönen in unbestimmter Entfernung. Dazu kommt der Wind, er zerklüftet den Ozean in kleine wallende Berglandschaften. Irgendwann legte ich auf und war mir sicher nicht alles wiedergegeben zu haben.

Doppellicht (Fotos: Daria Nazarenko)

Meine künstlerische Arbeit beschäftigt sich mit unserem Lebensraum und dessen Veränderung. Wie werden wir von unserer Umgebung geprägt? In meinem Projektantrag formulierte ich die Frage nach dem Kontrast zwischen dem extrem offenen Raum des Ozeans und dem äußerst begrenzten Raum des Forschungsschiffes. Ausgerüstet mit Mikrophonen und Kamera, mit Zeichensachen und Stativ, steige ich täglich in die Beobachtungen mit ein. Natürlich funktioniert eine künstlerische Forschung anders, als die wissenschaftliche. Dazu gibt es viele Ansätze der Beobachtung.

Daria Nazarenko

Vor Jahrtausenden dokumentierten Küstenstämme in Piktogrammen ihr Jagd- und Wanderverhalten in Booten. Später im 17. Jhd. in Holland entstanden Panoramagemälde, die den Handel und die Welterkundung dokumentierten. Die holländischen Maler kämpften mit dem Format, in das der maritime Raum gefasst werden musste. Noch heute widersetzt sich die See den terrestrischen Grenzen. Wir sind bereits seit über drei Wochen unterwegs. Ich schaue raus und kann die Größenverhältnisse von unserem Schiff nur mäßig fassen. Eigentlich ist es geräumig, perfekt angepasst an die Lebens- und Arbeitsstrukturen der Insassen. Einmal fahren wir mit dem Schlauchboot hinaus und sehen die METEOR von außen, sie scheint plötzlich zerbrechlich. Genauso ist es mit der Bestimmung von Entfernungen. Wenn ich vom obersten Deck in die Wellen schaue, weiß ich, es müssten an die 11 km Sichtweite sein. Dennoch kann ich die Fläche nicht in Abstände unterteilen. Es gibt keinerlei Referenzen, an die ich mich halten kann. So kann man meinen, dass es nicht einen Horizont, sondern unendlich viele davon geben muss. Am Land herrschen klare Bezüge zur Stadt und Gesellschaft, es ist den einstudierten Alltagsabläufen zu verschulden. An See muss die Zeit und das Beisammensein neu strukturiert werden. Die Arbeiten gehen 24 Stunden lang und stapeln sich in Schichten. Es ist eine allgegenwärtige Zeitlichkeit mit verlaufenen Übergängen. Man weiß: sonntags gibt’s Eis, freitags Fisch, die Zeit ist auf einen Monat begrenzt und hat ein Ende. Wir denken daran, wenn wir Sicht auf die kanarischen Inselgruppen erhalten – Festland.

Peildeck (Foto: Daria Nazarenko)

Sobald ich über die wissenschaftlichen Datensammlungen schaue, mit welcher akribischen Liebe fürs Detail sie hochgehievt werden aus knapp 4500 m Tiefe, suche ich nach einer geeigneten Übersetzung dieser Vorgänge. Die Allgemeinforschung ist für mich gar nicht so weit weg von der Kunst. Beide haben ihren Eigenzweck, fassen komplexe Abläufe in überschaubare Strukturen, beide wollen den Erfahrungshorizont der Spezies Mensch ausweiten. Der Blick für Einzelheiten, öffnet eine leise Vorstellung vom Nichtgesehenen.

Wie viele Details braucht man, um an ein Ganzes ranzukommen?

Ich wähle Soundaufnahmen von verschiedenen Räumen auf dem Schiff, die ich zu einem Soundscape zusammenfüge, einer Tonkarte sozusagen. Parallel zeichne ich die Datenauswertungen von Seismik-Ausgaben. Das sind grafische Darstellungen gesendeter Soundimpulse und deren Reflexion vom Ozeangrund. Auf diese Weise schauen Wissenschaftler in die Sedimentschichten am Ozeanboden hinein, bis zu 600 m in die Materie. Und dann interviewe ich den Ozean. Die Details der Aufnahmen sind entscheidend. Es braucht einige Baustellen, um an die Essenz ranzukommen.

Manchmal wünsche ich mir einen Abstand von den vielen Sammlungen – drei Schritte zurückgehen, sind Maximum auf dem Schiff. Deshalb freue ich mich auf das Atelier in Halle. Nach der Reise werde ich alles Material sichten, werde ihm eine andere Reihenfolge zuordnen, weil die Erzählstränge sich mit der Rückkehr in den Landalltag verändern.

Zeichnungen von Daria Nazarenko

Für mich persönlich ist diese Fahrt eine wichtige Erfahrung und ich kann nicht anders, als mich bei allen Teilnehmenden für die Mitarbeit zu bedanken. Es ist manchmal gar nicht so einfach, die unterschiedlichen Denkstrukturen des Gegenübers anzunehmen. Umso froher bin ich, dass sowohl Seeleute, als auch Wissenschaftler täglich meine Fragen über sich ergehen lassen und sogar ziemlich tiefgründige Antworten finden. Diese Zusammenarbeit schweißt zusammen und trägt beiderseits Früchte – also besten Dank!

Daria Nazarenko

04. April

Moin, mein Name ist Anni und ich bin eine der wissenschaftlichen Fahrtteilnehmerinnen der METEOR-Ausfahrt M146 zu den Kanarischen Inseln, genauer gesagt dem Henry Seamount bei der Insel El Hierro. Vor ziemlich genau 3 Jahren war ich das erste Mal auf einem Forschungsschiff, ebenfalls die METEOR, und damals ging es bei ebenso warmen Temperaturen wie jetzt in eine ganz andere Richtung, in den Golf von Mexico. Zu diesem Zeitpunkt war ich noch Bachelorstudentin an der Universität Bremen und hatte nur wenig Ahnung von Geochemie. Auf der METEOR habe ich das erste Mal gelernt, wie es ist, bei schaukelndem Seegang Proben zu nehmen und präzise zu arbeiten, was man sonst an Land ohne schaukeln mit links macht. Die Begegnung mit der Seekrankheit damals war eine der vielen Erfahrungen, die ich gemacht habe, und im Wesentlichen hat sich daran bis heute nichts geändert. Die ersten paar Tage muss ich mich einschaukeln, und hin und wieder werde ich auch mal etwas grün um die Nase. Für solche Fälle gibt es aber Reisetabletten, die super helfen!

Jetzt bin ich wieder auf der METEOR und durfte den Atlantik samt Äquator überqueren. Dabei wurde nach altem Brauch Neptun ein bisschen Schnaps gehuldigt. Während der etwas über einer Woche dauernden Anfahrt zum Arbeitsgebiet richtete ich mein erstes eigenes kleines Labor ein. Mittlerweile bin ich Master-Studentin, nach wie vor an der Universität Bremen, und auf dieser Ausfahrt die einzige Geochemikerin an Bord. In den letzten 3 Jahren habe ich viel Erfahrung bei der Arbeit an Land und auf See gewonnen. Dass Pipettieren und Arbeiten am Abzug bei Seegang zur Tortur werden können oder dass eine Waage auf einem schaukelnden Schiff nutzlos ist, zählt dazu. Aber auch schöne Momente, wie die vielen Sonnenuntergänge mit dem weiten Horizont und gemeinsame Spieleabende nach der Arbeit, gehören zu den tollen Erfahrungen, die ich machen durfte.

Nun bin ich glücklich, hier an Bord zu sein und mich um die geochemischen Beprobungen kümmern zu dürfen. Natürlich half hier jeder jedem beim Aufbau, und somit war nach wenigen Tagen alles fertig eingerichtet. Mein Ziel auf dieser Fahrt ist es zum einen, Sedimentkerne zu beproben, aber auch die Sedimentkerne mit der Hilfe der anderen FahrtteilnehmerInnen zu beschreiben und mit Fotos zu dokumentieren. Dazu werden Schwerelote benutzt, das sind Rohre, die sich mit hohem Gewicht in den Meeresboden rammen und so je nach Sedimentbeschaffenheit bis zu etwa 12 Meter lange Kerne ausstanzen. Die Kerne werden, nachdem sie wieder an Bord kommen, in 1 Meter Segmente geteilt und aufgesägt.

Arbeit an Kernsegmenten im Labor (Foto: P. Wintersteller).
Die 1 Meter Segmente werden von den Fahrtteilnehmern und Fahrtteilnehmerinnen mit Sägen halbiert und für die Kernbeschreibung und Beprobung gesäubert (Foto: P. Wintersteller).

Die Arbeitshälfte wird direkt in den Kühlraum bei 4 °C gebracht, und dort stehe ich zusammen mit einer Kollegin bereit, um direkt die Beprobung zu beginnen. Dazu stecken wir kleine Rhizone mit 0,2 Mikrometern großen Filtern (das ist weniger als ein Hundertstel eines Haardurchmessers!) in die Kerne und saugen mit einer Spritze das Porenwasser heraus. Davon brauchen wir ein paar Milliliter, die dann in kleine Glasfläschchen gefüllt und kühl gelagert werden. Ziel ist es herauszufinden, welche verschiedenen Elemente und Stoffe im Sediment gelöst vorhanden sind, um Rückschlüsse daraus zu ziehen, ob Fluide aus der Tiefe durch das Sediment in das Meer gelangen.

Die Studentinnen Anne-Christin Melcher und Laura Kramer im Kühlraum beim Vorbereiten der Kerne (Foto: P. Wintersteller).
Die Studentinnen Anne-Christin Melcher und Laura Kramer im Kühlraum beim Vorbereiten der Kerne für die geochemische Beprobung (Foto: P. Wintersteller).

Die andere Hälfte ist die Archivhälfte, diese wird fotografiert und detailliert beschrieben. Dazu gehören Farbe, Strukturen und andere Merkmale. Da wir so nahe an Vulkanen sind, hoffe ich, dass wir ein paar Aschelagen und andere interessante Details finden können. Wenn wir uns diese detailliert ansehen wollen, fertigen wir sogenannte Smear Slides (Schmierproben) an. Unter einem Mikroskop können wir uns dann ansehen, was in dem Sediment zu finden ist und woraus es besteht. Das können kleine Mikroorganismen, Ascheteilchen oder Minerale sein, die uns helfen herauszufinden, was am Henry Seamount passiert ist.

Das Spannendste an dieser Reise ist, dass dieser Seamount noch quasi unerforscht ist und wir hoffentlich die Entdecker von neuen Strukturen und Erscheinungen sein werden. Man fühlt sich ein bisschen wie Kolumbus und die anderen großen Entdecker der Welt, nur ein bisschen komfortabler mit drei warmen Mahlzeiten am Tag und etwas mehr technischem Know-how. In diesem Sinne, immer eine Handbreit Wasser unterm Kiel!

Anne-Christin Melcher

28. März: Ein Osterei im subtropischen Atlantik

Nach 11 Tagen Fahrt quer durch den Atlantik hat die Expedition M146 endlich das Haupt-Arbeitsgebiet erreicht: den Henry Seamount, rund 40 Kilometer südöstlich der Kanareninsel El Hierro gelegen. Zuvor wurde ein anderer, auf dem Weg gelegener kleiner Seamount (Seeberg) kurz erforscht.

Das Etappenziel ist auf bathymetrischen Karten – also topographischen Karten des Meeresbodens – nur als winzige Beule zu erkennen, so zum Beispiel auf GoogleEarth. Da sich der kleine Berg in der Nähe des sehr viel größeren Tropic Seamounts befindet, haben wir ihn kurzerhand Tropiquito Seamount getauft. Unser Ziel war es, eine genauere Karte von Tropiquito und ein seismisches Profil quer über den Berg zu erstellen, um Mächtigkeit und Struktur seiner Sedimentbedeckung zu erfassen. Dem schlossen sich Messungen des Wärmestroms an. Über die Reflexionsseismik und die Wärmestrom-Messungen werden wir später berichten.

Warum muss der Berg überhaupt kartiert werden? Das Problem ist die niedrige Auflösung der globalen bathymetrischen Karten, denn die meisten Bereiche der Ozeane wurden immer noch nicht mit hydroakustischen Methoden kartiert. Der bei Meereswissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern bekannte Ausspruch "Wir kennen die Oberfläche des Mars besser als den Boden der Ozeane" hat durchaus seine Richtigkeit. Die globalen Karten wurden mit Hilfe von Satelliten erstellt, die den Abstand zur Oberfläche des Meeres erfassen. Was hat das mit der Tiefe des Meeresbodens zu tun? Ein Seamount stellt auf dem Meeresboden eine positive "Massenanomalie" dar, da seine Dichte höher als die des umgebenden Wassers ist. Damit wird aufgrund der Gravitationskraft an dieser Stelle etwas mehr Wasser angezogen, so dass sich eine Aufwölbung an der Oberfläche ergibt. Diese beträgt nur wenige Zentimeter, also viel weniger als die Höhe der Wellen, doch die Satelliten sind in der Lage, diese winzigen Unterschiede zu messen. Die durch den Wellengang verursachten Unregelmäßigkeit werden anschließend mathematisch herausgefiltert – das funktioniert erstaunlich gut. Über Tälern im Meeresboden ist die Oberfläche des Meeres entsprechend eingedellt. Wenn man die Satellitendaten für die Weltmeere entsprechend erfasst und auswertet, entstehen Karten der globalen Bathymetrie, die überraschend gut sind und die wesentlichen Großstrukturen abbilden.

Trotzdem sind die Karten im Detail fehlerhaft, und die Auflösung ist für genauere Untersuchungen absolut nicht ausreichend. Hier muss eine Kartierung mit einem Fächerecholot vom Schiff aus durchgeführt werden. Am Beispiel des Tropiquito Seamount lassen sich die Unterschiede sehr gut verdeutlichen. Auf der bisherigen Karte zeigt sich der Seamount als Kegel mit kreisrunden "Höhenlinien" – eigentlich Tiefenlinien, von uns als Isobathen bezeichnet. Alleine deren perfekter kreisförmiger Verlauf zeigt schon, dass es sich um eine berechnete Geometrie handelt. Der Berg ragt bis auf rund 3.900 Meter Wassertiefe empor und hat eine Höhe von rund 500 Metern. In der Abbildung sind die verschiedenen Tiefenbereiche farbig dargestellt, so dass wir unweigerlich an ein Osterei denken mussten, schließlich war ja Beginn der Osterwoche.

Karte von Tropiquito Seamount vor der METEOR Kartierung (links) und nachher (rechts). Zusammenstellung von P. Wintersteller.
Abbildung: Karte von Tropiquito Seamount vor der METEOR Kartierung (links) und nachher (rechts). Die Linien mit Zahlen stellen Tiefenlinien (Isobathen) in Metern dar. Tropiquito hat einen maximalen Durchmesser von rund 15 Kilometern und ragt mehr als 2.200 Meter über dem Meeresboden empor. Zusammenstellung von P. Wintersteller.

Und dann die Überraschung bei der Kartierung mit dem Fächerecholot der METEOR. Hierbei wird ein ganzer Fächer von Schallimpulsen ausgesendet und aus deren Echo der Verlauf des Meeresbodens rekonstruiert. Dass nun zahlreiche Täler und andere Strukturen zu erkennen sind, hatten wir erwartet – nicht aber die Höhe des Berges. Der höchste Punkt liegt tatsächlich bei etwas über 2.000 Meter Wassertiefe, also viel höher als aus der globalen bathymetrischen Karte ersichtlich! Bei der kleinen Beule handelt es sich also um einen veritablen Berg mit über 2.200 Metern Höhe, der sogar in den Alpen auffallen würde. Vermutlich stellt Tropiquito einen sehr alten und längst erloschenen Unterwasservulkan dar, wie auch der viel größere Tropic Seamount in der Nähe. Dieser wurde 1999 von Kolleginnen und Kollegen des Kieler Forschungszentrum GEOMAR beprobt und eine Probe mit 119 Millionen Jahren datiert. Zu dieser Zeit war der Atlantik sehr viel schmäler als heute, und die Erde war noch von Dinosauriern bevölkert...

Das Meer begleitet uns weiterhin mit verschiedenen Farben und Stimmungen. An manchen Tagen war der Himmel durch feinen Sahara-Staub sehr dunstig, so dass im flachen Morgenlicht die Meeresoberfläche an geschmolzenes Blei erinnert.

Andreas Klügel

20. März: Expeditionsvorbereitungen am Äquator

Die Expedition M146 begann am Morgen des 17. März mit dem Ablegen der METEOR im Hafen von Recife an der Ostspitze Brasiliens. Bei strahlendem Sonnenschein und leichter Dünung ging es an einem großen Kreuzfahrtschiff vorbei auf das offene Meer: ein perfekter Fahrtbeginn.

Wir wissenschaftlichen Fahrtteilnehmer und -teilnehmerinnen standen auf dem Peildeck der METEOR und verfolgten das Ablegemanöver. Der angenehm erfrischende Wind milderte die tropische Hitze. Nachdem wir bereits am Vortage mit den örtlichen Gegebenheiten des Schiffes und dem täglichen Schiffsablauf vertraut gemacht worden sind und uns auch der Sicherheitseinweisung unterziehen mussten, erfolgte schon kurz nach dem Auslaufen eine Sicherheitsübung. Danach wurde mit dem Einrichten der Labore und wissenschaftlichen Geräte begonnen. Hierfür haben wir ausreichend Zeit, da die Anfahrt zu unserer ersten Arbeitsstation zwischen den Kapverdischen und Kanarischen Inseln mehr als eine Woche dauert.

Die Vorbereitungen während der Anfahrt sind so vielfältig wie die Arbeiten und Gerätschaften an Bord. Zahlreiche Computer und andere Geräte werden in den verschiedenen Labors aufgestellt, gegen Verrutschen gesichert und verkabelt. Einweisungen in die hydroakustischen Systeme (Echolote) der METEOR finden statt. Kabel werden an Deck verlegt. Das autonome Unterwasserfahrzeug (AUV) wird aus dem Container an Deck gebracht, für die Einsätze vorbereitet und umfangreichen Systemtests unterzogen. Kameras und Lampen des TV-Schlittens werden getestet. Schallquellen und Streamer (ein treibender "Schlauch" mit Unterwasser-Mikrofonen) für reflexionsseismische Messungen werden angeschlossen und getestet. Anpassungen der Hard- oder Software werden vorgenommen. Für all diese Arbeiten erfahren wir eine großartige Unterstützung der jederzeit hilfsbereiten und freundlichen Crew der METEOR, von der Decksmannschaft über den wissenschaftlich-technischen Dienst bis zu den Offizieren.

MARUM-Wissenschaftler bereiten den Einsatz des AUV SEAL-5000 vor. (Foto: A. Klügel)
MARUM-Wissenschaftler bereiten den Einsatz des AUV SEAL-5000 vor. (Foto: A. Klügel)
Ein Wissenschaftler überprüft die Beleuchtung und die Kameras des TV-Schlittens. (Foto: A. Klügel)
Ein Wissenschaftler überprüft die Beleuchtung und die Kameras des TV-Schlittens. (Foto: A. Klügel)

Zwei Tage nach dem Auslaufen überquerten wir zur Mittagszeit den Äquator bei 031° 39' West, für uns alle ein besonderer Augenblick. Eine Äquatortaufe findet beim Durchqueren von Süd nach Nord nicht statt, aber es wurde auf das Wohl von Poseidon angestoßen, von Kapitän Hammacher unterschriebene Passierscheine verteilt und ein Gruppenfoto gemacht. Trotz der langen Überfahrt entsteht keine Langeweile an Bord, denn immer gibt es etwas zu tun und zu entdecken. In Küstennähe konnten wir Tölpel bei der Jagd auf fliegende Fische beobachten. Und wer freie Zeit hat, genießt den Blick in die unendlich scheinende Weite, den Rhythmus des Schiffes auf hoher See und den Gang der Wellen.

Andreas Klügel

Die wissenschaftlichen Fahrtteilnehmer und -teilnehmerinnen (Foto: A. Klügel)
Die wissenschaftlichen Fahrtteilnehmer und -teilnehmerinnen mit Passierscheinen am Äquator. (Foto: A. Klügel)

Als wir den Äquator am 19. März um 12:16 Bordzeit überquerten, also fast zum Frühlingsanfang, stand die Sonne fast exakt senkrecht über uns.