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Leckage am Kontinentalrand

27.03.2017
Das Forschungschiff HEINCKE am Anleger von Ny-Ålesund.
Das Forschungschiff HEINCKE am Anleger von Ny-Ålesund. Foto: G. Bohrmann/MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften der Universität Bremen

Gasblasen treten vor norwegischer Küste über hunderte Kilometer aus

Als Basis für die Untersuchungen von Susan Mau und ihren Kolleginnen und Kollegen dienten Daten von zwei Forschungsfahrten im Sommer 2015. „Hydroakustisch wurden die Gasblasenaustritte, sogenannte Flares, nachgewiesen. Wir wussten also vorher, dass vor dem Prinz-Karl-Vorland Gas austritt, denn die Stelle dort ist sehr gut untersucht“, erklärt Susan Mau. Ihre Daten zeigen aber, dass es mehr Austrittsstellen vor der gesamten Küste gibt. Diese Austritte folgen einer Bruchzone am oberen Kontinentalrand, die möglicherweise den Aufstieg von Methan aus größeren Tiefen entlang der Nahtstelle ermöglicht. Wie aus einem löchrigen Fahrradschlauch, der in Wasser getaucht wird, kann das aufsteigende Gas entlang der so genannten Störungszonen austreten und im Meerwasser aufsteigen. Am gesamten Hang vor der Küste Svalbards haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Methankonzentration gemessen, sie ist laut Mau überall hoch gewesen. „Stark erhöht war sie aber an den Stellen, an denen viele dieser Flares sind.“ Zudem sei auffällig gewesen, dass das Gas eher an höher gelegenen Stellen austritt und nicht in den Senken dazwischen. Als Grund dafür vermutet Susan Mau feinkörnige Ablagerungen, die die Löcher verstopfen, an denen das Gas austreten könnte.

Warum gibt es so viele nachgewiesene Austrittsstellen vor dem Prinz-Karl-Vorland? Gibt es noch andere Austrittstellen vor der Küste Svalbards? Dies waren die Ausgangsüberlegungen für die von Susan Mau und Gerhard Bohrmann geleiteten Fahrten. Hinzu kommt, dass durch Gesteinsproben und seismische Untersuchungen nachgewiesen ist, dass die gesamte Küste eine ähnliche tektonische Beschaffenheit und eiszeitliche Geschichte hat. Die nachgewiesenen Gasaustritte vor der Küste Svalbards sind vor allem darum interessant, weil Forschende vermuten, hier steige Methan aus, das sich wiederum aus Methanhydraten löst. Methanhydrate haben eine feste eisähnliche Struktur, die nur unter bestimmten Druckverhältnissen in definierten Tiefen und bei niedrigen Temperaturen stabil sind. Erwärmt sich das Meerwasser, sind Methanhydrate nicht mehr stabil, als Folge tritt Methangas aus.

Wird also das Wasser wärmer – zum Beispiel durch den Klimawandel –, kommen Methanhydrate nur in Sedimenten tieferen Meeresbodens vor. Die Zone, in der Gashydrate stabil sind, verlagert sich also. Die von Mau und ihren Kolleginnen und Kollegen aufgezeichneten Gasblasenemissionen treten aber auch oberhalb dieser Grenze aus und sind somit keine anthropogen ausgelösten Gasfreisetzungen aus Methanhydraten. Diese Methangasaustritte zeigen eher, daß große Mengen des Gases aus der Tiefe entlang der Hornesund-Störungszone, einer weitreichenden Bruchzone in der Erdkruste austreten; ein natürlicher geologischer Prozess. Das führt zu einer hohen Gaskonzentration, die das Team über eine Länge von hunderten von Kilometern entlang der Küste gefunden hat. Die Daten vom Sommer 2015 zeigen weiter, dass das gelöste Methan durch Mikroben in der Wassersäule oxidiert wurde und nur ein kleinerer Teil in die Atmosphäre übergegangen ist. Mikroben bewahren sozusagen vor einer erhöhten Treibhausgaskonzentration in der Atmosphäre.

Fahrten nach Svalbard auch in zu andren Jahreszeiten

Aus den aktuellen Ergebnissen ergeben sich nun zahlreiche weitere Ansätze für die Geologen Susan Mau und Gerhard Bohrmann: Wie genau verläuft die tatsächliche Störungszone? Wie ist der Untergrund beschaffen? Wo liegen die Reservoirs der Gasvorkommen? Und: Wie alt ist das austretende Gas? Dass die zahlenmäßig häufigen Gasblasenaustritte mit von Menschen verursachter Erwärmung der Ozeane zusammenhängen, hat sich indes nicht bestätigt.

Weil Mau mit ihren Kolleginnen und Kollegen vor allem im Sommer vor der Küste unterwegs war, ist unklar, was genau in anderen, kälteren und stürmischeren Jahreszeiten passiert. „Unsere Ergebnisse schreien förmlich danach, die Austritte über längere Zeiträume zu untersuchen“, betont Mau. „Wir müssen hinterfragen, was der Grund für die hohe Methangaskonzentration war, die immer wieder in der Erdgeschichte auftreten. Ziel ist es, die Austrittstellen zu beobachten um herauszufinden, was genau über das Jahr passiert. Erst dann ist es möglich, genauere Schlüsse zu ziehen – zum Beispiel auch dazu, ob die Gasaustritte in diesen Tiefen und in dieser Klimazone klimarelevant sind.“

 

Kontakt: 
Dr. Susan Mau
Telefon:0421-21865059
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Originalveröffentlichung:
Susan Mau, Miriam Römer, Martha E. Torres, Ingeburg Bussmann, Thomas Pape, Ellen Damm, Patrizia Geprägs, Paul Wintersteller, Chieh-Wei Hsu, Markus Loher und Gerhard Bohrmann: Widespread methane seepage along the continental margin off Svalbard - from Bjørnøya to Kongsfjorden. Sci. Rep. 7, 42997; doi: 10.1038/srep42997 (2017)

Weitere Informationen / Bildmaterial: 
Ulrike Prange
MARUM-Öffentlichkeitsarbeit
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Teammitglieder füllen Wasserproben ab, um sie auf Methan zu untersuchen.
Teammitglieder füllen Wasserproben ab, um sie auf Methan zu untersuchen. Foto: Gerhard Bohrmann/ MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften der Universität Bremen
Lokationen der Gasaustritte vor Spitzbergen (a). Die Lokationen in weiß waren schon bekannt, die Lokationen in grau wurden während der Heinckeausfahrten im Sommer 2015 gefunden. (b) Flares, hydroakustisch detektierte Gasblasen, die vom Sediment bis teilweise an die Meeresoberfläche steigen.
Lokationen der Gasaustritte vor Spitzbergen (a). Die Lokationen in weiß waren schon bekannt, die Lokationen in grau wurden während der Heinckeausfahrten im Sommer 2015 gefunden. (b) Flares, hydroakustisch detektierte Gasblasen, die vom Sediment bis teilweise an die Meeresoberfläche steigen.