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Jährlich aufgelöste Rekonstruktion der Meeresoberflächentemperatur des letzten Interglazials

21.09.2022
Ein Beispiel für die Massenspektrometrie-Bildgebung von Sedimenten. Ein fünf Zentimeter langer Sedimentabschnitt umfasst hier den Zeitraum von etwa 175 Jahren Sedimentablagerung. Die Wärmekarte zeigt die räumliche Verteilung eines Proxys für die Rekonstru
Ein Beispiel für die Massenspektrometrie-Bildgebung von Sedimenten. Ein fünf Zentimeter langer Sedimentabschnitt umfasst hier den Zeitraum von etwa 175 Jahren Sedimentablagerung. Die Wärmekarte zeigt die räumliche Verteilung eines Proxys für die Rekonstruktion der Meeresoberflächentemperatur auf der Sedimentoberfläche. Dabei sind wärmere Temperaturen durch rote und kältere Temperaturen durch blaue Farben gekennzeichnet. Bild: MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften, Universität Bremen, I. Obreht

Wie reagieren Ozeane auf eine sich erwärmende Welt? Aus den auf dem Ozeanboden abgelagerten Sedimenten können Forscher:innen die Oberflächentemperatur der Ozeane der Vergangenheit entschlüsseln. Solche Daten helfen ihnen, Schlüsse für eine sich erwärmende Welt zu ziehen.

Für eine neue Studie, veröffentlicht in Nature Geoscience, haben Forschende einen Sedimentkern aus dem östlichen Mittelmeer untersucht, in dem die Temperatur aus dem letzten Interglazial (vor etwa 129.000 bis 116.000 Jahren) aufgezeichnet ist. „Dieses Zeitintervall ist für Mensch und Gesellschaft relevant, weil es damals wärmer war als heute – und das ohne menschliche Einflüsse wie CO2“, erklärt Erstautor Dr. Igor Obreht vom MARUM. Die Temperaturen waren höher, weil sich die Neigung der Erdachse und die Form der Erdumlaufbahn um die Sonne auf das Klima ausgewirkt haben, sagt er.

Bislang basierte das Verständnis der Klimavariabilität aus dieser Zeit auf paläoklimatischen Proxy-Aufzeichnungen, deren Auflösung keinen direkten Vergleich mit den aktuellen und prognostizierten Klimatrends im 21. Jahrhundert bieten. Neu an dieser Studie ist, dass die Autor:innen Aufzeichnungen der Meeresoberflächentemperatur mit einer Auflösung von einem bis vier Jahren erstellt haben. Diese können direkt mit instrumentellen Temperaturaufzeichnungen und künftigen Modellprojektionen verglichen werden. Auf diese Weise, so Obreht, sei es möglich, die aktuellen anthropogenen Klimaveränderungen in einen geologischen Kontext zu stellen. „So können wir die aktuellen Prozesse bewerten, einordnen und Schlussfolgerungen für die Zukunft ziehen.“

Das Mittelmeer ist heute wie in der Vergangenheit eine der Regionen, die empfindlich auf den Klimawandel reagieren. Für diese Studie nutzten die Forschenden eine kürzlich entwickelte Methode der Massenspektrometrie-Abbildung von Sedimenten, die es ihnen ermöglichte, die hochauflösenden molekularen Daten der Sedimentoberfläche zu erhalten. Diese wiederum lässt sich in jährliche Temperaturkurven übersetzen, um so eine Temperaturrekonstruktion über einen Zeitraum von 4.800 Jahren zu erstellen.

Das Team stellte fest, dass die Variabilität der Meeresoberflächentemperaturen in der früheren Welt, in der es wärmer war als heute, im Bereich der Variabilität der instrumentell gemessenen Meeresoberflächentemperaturen der vergangenen 160 Jahre lag. Der für das 21. Jahrhundert prognostizierte Anstieg der Meeresoberflächentemperatur im Mittelmeerraum wird jedoch wahrscheinlich höher sein als die natürliche Klimavariabilität des letzten Interglazials. Insbesondere die Szenarien mit hohen CO2-Emissionen deuten darauf hin, dass der künftige Anstieg der Meeresoberflächentemperatur im Mittelmeerraum innerhalb der kommenden Jahrzehnte höher sein wird als der Anstieg während des letzten Interglazials. Andererseits liegt der prognostizierte Anstieg der Meeresoberfläche im Mittelmeerraum beim Szenario mit mittleren bis geringen Emissionen viel näher an der natürlichen Klimavariabilität des letzten Interglazials.

Diese Studie deutet also darauf hin, dass eine Begrenzung der künftigen Treibhausgasemissionen auf das Szenario mit mittleren bis geringen Emissionen und darunter die Temperaturschwankungen im Mittelmeerraum im 21. Jahrhundert in einer Größenordnung halten könnte, die mit den natürlichen Schwankungen des letzten Interglazials vergleichbar ist, und somit das Risiko größerer Störungen der marinen Ökosysteme im Mittelmeerraum verringern könnte.

Originalveröffentlichung:

Igor Obreht, David De Vleeschouwer, Lars Wörmer, Michal Kucera, Devika Varma, Matthias Prange, Thomas Laepple, Jenny Wendt, Sri D. Nandini-Weiss, Hartmut Schulz, Kai-Uwe Hinrichs: Last Interglacial decadal sea surface temperature variability in the eastern Mediterranean. Nature Geosciences 2022. DOI: https://doi.org/10.1038/s41561-022-01016-y

 

Kontakt:

Dr. Igor Obreht
Organische Geochemie
MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften
Universität Bremen
Telefon: 0421 218 65730            
E-Mail: [Bitte aktivieren Sie Javascript]

 

Beteiligte Institute:

MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften, Universität Bremen

Institut für Geologie und Paläontologie, Universität Münster, Münster

Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung, Potsdam

Fachbereich Geowissenschaften, Eberhard-Karls-Universität, Tübingen