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Eisvolumen an Land beeinflusst Methanaustritte am Meeresboden

07.08.2019
Neue Veröffentlichung in Fachzeitschrift Science Advances
Mit dem Meeresbodenbohrgerät MARUM-MeBo70 konnte das Team Seep-Karbonate in tiefen Schichten erbohren. Foto: MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften, Universität Bremen; G. Bohrmann
Mit dem Meeresbodenbohrgerät MARUM-MeBo70 konnte das Team Seep-Karbonate in tiefen Schichten erbohren. Foto: MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften, Universität Bremen; G. Bohrmann

Die wechselnde Eismenge in der Arktis steht in direkter Beziehung zu Methanemissionen aus dem Meeresboden westlich von Spitzbergen (Norwegen). Das bedeutet, die Dicke der Eisdecke an Land steuert, wann Methan aus dem Ozeanboden austritt. Dazu ist jetzt eine Studie in Science Advances erschienen, an der auch Forschende des MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften der Universität Bremen beteiligt sind.

Das Forschungsschiff MARIA S. MERIAN im Kohlehafen von Longyearbyen auf Spitzbergen. Foto: MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften, Universität Bremen; T. Klein
Das Forschungsschiff MARIA S. MERIAN im Kohlehafen von Longyearbyen auf Spitzbergen. Foto: MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften, Universität Bremen; T. Klein

Große Eisbewegungen aktivieren Verwerfungen der Erdkruste und tragen so zu Methanleckagen am Meeresboden entlang des Kontinentalrandes westlich von Spitzbergen bei. „Unsere Ergebnisse zeigen einen Zusammenhang zwischen sich ändernden kontinentalen Eismengen und Tiefsee-Methanemissionen in der Arktis“, sagt Erstautor Dr. Tobias Himmler vom Norwegischen Geologischen Dienst (NGU).

Forschende des NGU und des Zentrums für arktische Gashydrate, Umwelt und Klima (CAGE) an der Arctic University von Tromsø (Norwegen) haben auf einer Expedition 2016 mehrere Kalksteinproben – sogenannte Seep-Karbonate am Meeresboden – an aktiven Methanaustritten auf dem Vestnesa-Rücken in 1.200 Metern Wassertiefe beprobt. Seep-Karbonate entstehen durch einen mikrobiellen Prozess, bei dem Methan im Meeresboden mit Sulfat reagiert. So geben diese Karbonate einen eindeutigen Hinweis auf Methan, das von unten durch das Sediment aufgestiegen ist. Eine detaillierte Analyse der Seep-Karbonate hat jetzt gezeigt, dass es wiederholt Methanaustritte in den vergangenen 23.000 Jahren seit der letzten Eiszeit gegeben hat.

In Kooperation mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des MARUM haben die norwegischen Forschenden dann während einer Folgeexpedition an Bord des Forschungsschiffs MARIA S. MERIAN mit dem Meeresbodenbohrgerät MARUM-MeBo70 Seep-Karbonate in tiefen Schichten erbohren können. Anhand von Datierungen der erbohrten Seep-Karbonate mittels der natürlichen radioaktiven Isotope Uran und Thorium konnte das Team zwei weitere Episoden von Methanleckagen nachweisen, und zwar zwischen 160.000 und 133.000 Jahren sowie 50.000 und 40.000 Jahren. In diesen Zeiträumen gab es aktive Methanaustritte am Vestnesa-Rücken, die in den gewonnenen Bohrkernen aufgezeichnet sind. Diese beiden Zeitabschnitte sind durch Kaltzeiten gekennzeichnet, in denen in der Barentssee und auf Spitzbergen das Eisvolumen deutlich zugenommen hatte. Durch die Eisauflast wurde die vom Eis bedeckte Erdkruste eingedrückt. Zum Ausgleich hebt sich außerhalb der Eisbedeckung der Meeresboden – in diesem Fall der Vestnesa-Rücken. Das führte zu Bewegungen entlang von bereits existierenden Störungen in der Erdkruste und ermöglicht den Aufstieg von Methan aus größeren Tiefen.

Während der vergangenen 23.000 Jahre ist das Eis abgeschmolzen – und die darunterliegende Landmasse wieder gestiegen. Das wiederum führte durch einen iso-statischen Ausgleich zum Absenken des Vestnesa-Rückens. Die Resultate des Teams deuten nun darauf hin, dass Methan vor allem dann ausgetreten ist, wenn Eisschildbewegungen die Störungszonen aktiviert haben.

„Seep-Karbonate sind geologische Archive für Methanemissionen am Meeresboden. Wir sind sehr froh, dass wir mit dem Meeresbodenbohrgerät MARUM-MeBo diese Archive auf dem Vestnesa-Rücken erstmals erbohren konnten“, berichtet Gerhard Bohrmann, Fahrtleiter der Expedition. „Methanemissionen sind dabei sowohl während Zeiten der Festlandeiszunahme als auch während der Eisabnahme dokumentiert.“

Die MeBo-Bohrungen wurden mit finanzieller Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) in Kooperation mit CAGE realisiert. Die weiteren Untersuchungen wurden im Projekt „Norwegian margin fluid systems and methane-derived carbonate crusts“ (NORCRUST) vom norwegischen Forschungsrat finanziert.

 

Kontakt:

Prof. Dr. Gerhard Bohrmann
Allgemeine Geologie – Marine Geologie
Telefon: 0421 218 65050
E-Mail: [Bitte aktivieren Sie Javascript]

 

Das MARUM gewinnt grundlegende wissenschaftliche Erkenntnisse über die Rolle des Ozeans und des Meeresbodens im gesamten Erdsystem. Die Dynamik des Ozeans und des Meeresbodens prägen durch Wechselwirkungen von geologischen, physikalischen, biologischen und chemischen Prozessen maßgeblich das gesamte Erdsystem. Dadurch werden das Klima sowie der globale Kohlenstoffkreislauf beeinflusst und es entstehen einzigartige biologische Systeme. Das MARUM steht für grundlagenorientierte und ergebnisoffene Forschung in Verantwortung vor der Gesellschaft, zum Wohl der Meeresumwelt und im Sinne der Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen. Es veröffentlicht seine qualitätsgeprüften, wissenschaftlichen Daten und macht diese frei zugänglich. Das MARUM informiert die Öffentlichkeit über neue Erkenntnisse der Meeresumwelt, und stellt im Dialog mit der Gesellschaft Handlungswissen bereit. Kooperationen des MARUM mit Unternehmen und Industriepartnern erfolgen unter Wahrung seines Ziels zum Schutz der Meeresumwelt.

Die östlichen Ausläufer der Eiskappe auf Grönland vom Flugzeug aus gesehen. Foto: Hannes Grobe, Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung
Die östlichen Ausläufer der Eiskappe auf Grönland vom Flugzeug aus gesehen. Foto: Hannes Grobe, Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung

 

Originalveröffentlichung

Tobias Himmler, Diana Sahy, Tõnu Martma, Gerhard Bohrmann, Andreia Plaza-Faverola, Stefan Bünz, Daniel J. Condon, Jochen Knies, and Aivo Lepland: A 160,000-year-old history of tectonically controlled methane seepage in the Arctic. Science Advances 2019
DOI: 10.1126/sciadv.aaw1450

 

Mehr Informationen zur Expedition MSM 57 

Mehr Informationen zum Meeresbodenbohrgerät MARUM-MeBo 70

 

In einem der Bohrkerne ist das Karbonat gut sichtbar. Foto: MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften, Universität Bremen
In einem der Bohrkerne ist das Karbonat gut sichtbar. Foto: MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften, Universität Bremen
Mit Hilfe des ferngesteuerten Tauchfahrzeuges Ægir 6000 sammeln Geologen Seep-Karbonat-Proben vom Meeresboden ein, in 1200 m Wassertiefe auf dem Vestnesa-Rücken westlich von Svalbard. Foto: NORCRUST
Mit Hilfe des ferngesteuerten Tauchfahrzeuges Ægir 6000 sammeln Geologen Seep-Karbonat-Proben vom Meeresboden ein, in 1200 m Wassertiefe auf dem Vestnesa-Rücken westlich von Svalbard. Foto: NORCRUST

 

Beteiligte Institute: 

Geological Survey of Norway, Trondheim (Norwegen)

MARUM - Zentrum für Marine Umweltwissenschaften, Universität Bremen

British Geological Survey, Nottingham (Großbritannien)

Department of Geology, Tallinn University of Technology (Estland)

Centre for Arctic Gas Hydrate, Environment and Climate, Department of Geosciences, UiT–The Arctic University of Norway, Tromsø (Norwegen)