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Algen als Rohstoff für marine Mikroben

08.07.2019
Forschungsteam entschlüsselt enzymatischen Abbau eines marinen Algenzuckers
Die Alge Ulva produziert den Mehrfachzucker Ulvan, dessen kompletter Abbauweg durch Biokatalysatoren eines marinen Bakteriums entschlüsselt wurde. Foto: Thomas Wilfried
Die Alge Ulva produziert den Mehrfachzucker Ulvan, dessen kompletter Abbauweg durch Biokatalysatoren eines marinen Bakteriums entschlüsselt wurde. Foto: Thomas Wilfried

Enzyme sind von entscheidender Bedeutung beim Abbau von Algen-Biomasse im Meer. Ein internationales Team von 19 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern hat jetzt erstmals den kompletten Abbauweg des Polysaccharides Ulvan durch Biokatalysatoren eines marinen Bakteriums entschlüsselt. Die Ergebnisse ihrer Studie haben die Forschenden in der Fachzeitschrift Nature Chemical Biology veröffentlicht. Vom MARUM ist Jan-Hendrik Hehemann an der Studie beteiligt. Er leitet die Emmy Noether- und Brückennachwuchsgruppe „Marine Glycobiologie“ am MARUM und Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie Bremen.

Die Studie wurde unter Federführung der Universität Greifswald, des Max-Planck-Instituts für Marine Mikrobiologie in Bremen sowie des MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften der Universität Bremen, der Technischen Universität Wien und der Biologischen Station in Roscoff (Frankreich) durchgeführt.

Die Algen der Weltmeere speichern jedes Jahr ungefähr die gleiche Menge Kohlenstoff wie die gesamte Landvegetation. Sie produzieren dabei große Mengen Kohlenhydrate. Diese können von marinen Bakterien abgebaut werden und stellen eine wichtige Energiequelle für das gesamte Nahrungsnetz im Meer dar. Das Forschungsteam hat jetzt den komplexen Abbauweg des Polysaccharides Ulvan aufgeklärt.

Ulvan ist ein Mehrfachzucker, der von der Alge Ulva produziert und vom marinen Bakterium Formosa agariphila abgebaut wird. Die umfangreiche Studie deckt die biochemische Funktion von zwölf Enzymen auf. Die Erkenntnisse sind nicht nur für die Grundlagenforschung von erheblicher Bedeutung. Sie erlauben erstmalig, die bislang ungenutzte Ressource der Algen als Rohstoffquelle für Fermentationen und zur Isolierung wertvoller Zucker zu erschließen.

„In unserer Studie können wir erstmals zeigen, wie marine Bakterien das hochkomplexe Polymer Ulvan aus marinen Algen komplett in seine Bausteine zerlegen. Damit verstehen wir nicht nur, wie Mikroorganismen Zugang zu ihrer Nahrungsquelle erhalten. Mittels der neu entschlüsselten Biokatalysatoren kann das komplexe marine Polysaccharid gezielt als Rohstoffquelle für Fermentationen verwendet oder hochwertige Zuckerbausteine wie Iduronsäure oder auch Rhamnosesulfat aus der bislang nicht zugänglichen Ressource mariner Algen erschlossen werden“, erläutert Prof. Dr. Uwe Bornscheuer vom Institut für Biochemie der Universität Greifswald. 

Dr. Jan-Hendrik Hehemann ergänzt: „Polysaccharide aus marinen Algen unterscheiden sich chemisch von denen terrestrischer Pflanzen. Wie Algenpolysaccharide von marinen Bakterien abgebaut werden, ist bisher weitestgehend unbekannt. Die detaillierte Aufklärung der beteiligten Enzyme am Ulvan-Abbau ist nicht nur von großem Wert für zukünftige biotechnologische Anwendungen, sondern auch für zentrale ökologische Fragen zum marinen Kohlenstoffkreislauf.“ In seiner Arbeitsgruppe untersuchen Hehemann und sein Team die funktionelle Evolution der bakteriellen enzymatischen Maschinen und wie sie Algenpolysaccharide im Meer verarbeiten.

Die Untersuchung mariner Schlüsselbakterien und Enzyme kann neue Perspektiven eröffnen, um das vielversprechende Potenzial von Zuckerverbindungen aus marinen Algen gezielt biotechnologisch zu nutzen.

 

Kontakt:
Dr. Jan-Hendrik Hehemann
Brückennachwuchsgruppe „Marine Glykobiologie“
Leobener Straße, 28359 Bremen
Telefon: 0421 218 65775
E-Mail: [Bitte aktivieren Sie Javascript]

Beteiligte Institute:
Universität Greifswald
Max-Planck-Instituts für Marine Mikrobiologie in Bremen
MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften der Universität Bremen
Technische Universität Wien (Österreich)
Biologische Station Roscoff (Frankreich)

 

Das MARUM gewinnt grundlegende wissenschaftliche Erkenntnisse über die Rolle des Ozeans und des Meeresbodens im gesamten Erdsystem. Die Dynamik des Ozeans und des Meeresbodens prägen durch Wechselwirkungen von geologischen, physikalischen, biologischen und chemischen Prozessen maßgeblich das gesamte Erdsystem. Dadurch werden das Klima sowie der globale Kohlenstoffkreislauf beeinflusst und es entstehen einzigartige biologische Systeme. Das MARUM steht für grundlagenorientierte und ergebnisoffene Forschung in Verantwortung vor der Gesellschaft, zum Wohl der Meeresumwelt und im Sinne der Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen. Es veröffentlicht seine qualitätsgeprüften, wissenschaftlichen Daten und macht diese frei zugänglich. Das MARUM informiert die Öffentlichkeit über neue Erkenntnisse der Meeresumwelt, und stellt im Dialog mit der Gesellschaft Handlungswissen bereit. Kooperationen des MARUM mit Unternehmen und Industriepartnern erfolgen unter Wahrung seines Ziels zum Schutz der Meeresumwelt.

Originalveröffentlichung:
Reisky et al. (2019): A marine bacterial enzymatic cascade degrades the algal polysaccharide ulvan, in: Nature Chemical Biology. DOI: 10.1038/s41589-019-0311-9