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Stage 1. Stralsund – Schwerin

Karte der 1. Etappe
Die erste Etappe ist eine Fahrt durch das norddeutsche Tiefland ohne wesentliche Erhebungen. Die Landschaft wurde in den letzten 20.000 Jahren hauptsächlich von Eis und Wasser geformt. Quelle: Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe & Staatliche Geologische Dienste Deutschlands

Die Deutsch­land Tour 2021 star­tet in Meck­len­burg-Vor­pom­mern. Die ers­te Etap­pe führt durch eine Land­schaft, die von gro­ßen Eis­kap­pen und Glet­schern gestaltet wur­de. Während der letz­ten paar Mil­lio­nen Jah­re haben sich abwechselnde Eis- und Warmzeiten das Kli­ma der Erde dominiert,  Eiskappen und Gletscher dehn­ten sich dabei über die Land­schaft aus und zo­gen sich wie­der zu­rück. Man kann sich das Ganze als ein Kli­ma-Me­tro­nom mit ei­nen Takt von ein paar Zehn­tau­send Jah­ren vorstellen. Die jüngs­te Kalt­zeit wird als Weich­sel-Gla­zi­al be­zeich­net und fand vor etwa 20.000 Jah­ren statt. Zu die­ser Zeit wa­ren gro­ße Tei­le Meck­len­burg-Vor­pommerns, Schles­wig-Hol­steins, Ber­lins und Bran­den­burgs mit Eis be­deckt. Aber es ging nicht nur um Eis allein: Das Eis führte auch gro­ße Men­gen an Ge­stein und fei­nkörnige Ablagerungen mit. Die­se Ge­stei­ne und Se­di­men­te prä­gen heu­te die Land­schaft Meck­len­burg-Vor­pom­merns.

Die ersten 100 Kilometer der Etappe führen die Fahrer über die sogenannten Grundmoränen der Weichsel-Eiszeit. Dies sind flache Sedimentrücken, die sich unter dem Gletscher gebildet haben. Sie bestehen hauptsächlich aus Ton, Schluff und Sand und bedecken den größten Teil des nordöstlichen Mecklenburg-Vorpommerns.

Nach 100 Kilometern treffen die Fahrer auf erste bescheidene Erhebungen. Sie müssen einen 200 Kilometer langgestreckten Hügelkamm in der Landschaft überwinden, der aber nur etwa 150 Meter über dem Meeresspiegel herausragt. Dieser Hügelrücken verläuft in Nordwest-Südost-Richtung durch Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern und besteht aus Gesteinsschutt in einer Sedimentmatrix, der sich vor der Gletscherspitze ablagerte. Diese sogenannte Endmoräne markiert die Stelle in der Landschaft, an der der maximale Vorstoß des Gletschers vor etwa 20.000 Jahren stoppte.

Altentreptow
Dieser Felsbrocken in Altentreptow ist ein glazialer Findling: Er wurde während der letzten Eiszeit vom Eis transportiert und schließlich in Mecklenburg-Vorpommern abgelagert (Bild: Erell; Copyright: Wikimedia Commons CC BY-SA 3.0).
Glacier
Wenn Eis auf Fels trifft, können erhebliche Mengen an Sedimenten erodiert, transportiert und abgelagert werden. Dieses moderne Beispiel stammt vom Gepatschgletscher in Österreich (Bild: Dan Le Heron)

Nach diesem kleinen Hindernis durchqueren die Fahrer die Mecklenburgische Seenplatte, das Land der tausend Seen. Einige dieser Seen sind sogenannte Toteisseen. Toteisseen entstehen, wenn Eisblöcke von sich zurückziehenden Gletschern zurückgelassen werden. Das Eis wird unter Sediment begraben, das vom Schmelzwasser eingebracht wird. Wenn das Eis schließlich schmilzt, bleibt eine Senke zurück. Jetzt sind diese Vertiefungen mit Wasser gefüllt, und wir nennen sie Toteisseen. Andere Seen in der Mecklenburgischen Seenplatte entstanden durch Erosion, als Schmelzwasser des sich zurückziehenden Gletschers auf die umliegenden Felsen einwirkte und diese mit brutaler Energie aushöhlte.

Wie heute in den Alpen, so fand auch das Schmelzwasser der Weichsel-Kaltzeit seinen Weg durch das Gletschertal. Zu dieser Zeit gelangte das Schmelzwasser in einen Fluss, der von Süden kam und parallel zur Eiskante floss. Auf diesem Weg durch das Gletschertal, verlor das Schmelzwasser an Geschwindigkeit und damit an Energie. Wenn Radfahrer Energie verlieren, füllen sie den Zucker schnell wieder auf, um wieder in Schwung zu kommen. Das Schmelzwasser hingegen reagiert auf den Energieverlust, indem es die schwersten und größten Sedimentkörner nicht länger mitführt. Sand ist im Vergleich zu Ton- und Schluffkörnern relativ schwer und wird daher von Schmelzwasser zuerst abgelagert. Das ist der Grund, warum wir im Untergrund der Mecklenburgischen Seenplatte und südlich von Schwerin hauptsächlich Sand finden. Hier, auf der eisfreien Seite der Weichsel-Endmoräne, wurde das Schmelzwasser zu langsam, um noch Sand zu transportieren, und es bildeten sich ausgewaschene sandige Schotterflächen. Das ist die geologische Kulisse für die Sprinter, die im Gegensatz zum Schmelzwasser noch etwas Energie übrighaben, um auf den Sieg zu gehen. Mein Geheimtipp für diese Etappe: André Greipel.

Moraine landscape
Sedimentologischer Aufbau der typischen Moränenlandschaft in Norddeutschland. Bearbeitet nach Janetzko und Schmidt (1995): Norddeutsche Jungmoränenlandschaften. In: Blume (1995) Handbuch der Bodenkunde. Landsberg
Kölpinsee
Die Mecklenburgische Seenplatte ist eine Jungmoränenlandschaft, die das Eis der letzten Eiszeit hinterlassen hat. Das Eis hat nicht nur Moränen aufgeschüttet, sondern auch Kesselseen entstehen lassen. Darüber hinaus erodierte das abfließende Schmelzwasser Rinnen unter und vor dem Eis, auf denen heute viele der Seen liegen (Bild: Niklas Tschöpe; Copyright: Wikimedia Commons CC BY-SA 4.0).