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Winzige Partikel mit großem Einfluss

05.03.2017
Küstenrutschung von 1979 auf der Nordinsel von Neuseeland, die von Max Kluger und seinen Kolleginnen untersucht wurde. Die Ergebnisse können dabei helfen, unter anderem präventiv Hangbebauung zu planen. Foto: Lloyd Homer, GNS Science
Forscher veröffentlichen Artikel über neue Partikel, die dazu beitragen könnten, Erdrutsche besser zu verstehen
Welche Rolle spielen Tonminerale und deren Beschaffenheit in Gegenden, wo es öfter Hangrutschungen gibt? Max Oke Kluger, Doktorand in der Graduiertenschule INTERCOAST vom MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften der Universität Bremen, hat mit Kolleginnen und Kollegen einen Erdrutsch in abgelagerten Vulkanaschen in Neuseeland untersucht und deren Bestandteile im Labor analysiert. Dabei haben sie eine neuartige Struktur der so genannten Halloysit-Tonpartikel entdeckt. Diese ist wahrscheinlich dafür verantwortlich, dass sich die Erdmassen während eines Hangrutsches wie eine Flüssigkeit verhalten. Die Ergebnisse hat das Team jetzt in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift Geology veröffentlicht.

In vielen Regionen der Welt bedecken Lagen aus Vulkanasche weite Teile der Landschaft. Diese Ascheschichten weisen auf vergangene Vulkanausbrüche hin. Der Hauptbestandteil der Asche, das Vulkanglas, verwittert schnell, und innerhalb einiger 1000 Jahre können Tonminerale aus dem Vulkanglas entstehen. In der Vergangenheit sind Forschende davon ausgegangen, dass das Tonmineral Halloysit eine wichtige Rolle bei Erdrutschen spielt. Welche Rolle genau, war allerdings nicht bekannt.

Das Team um Max Kluger hat zum ersten Mal die verschiedenen Halloysit-Strukturen aus Nanopartikeln genauer untersucht. Diese Art der Sedimente ist in Neuseeland weit verbreitet, und so rutschen häufig ganze Hänge einfach ab. Basis für die Studie war ein Sedimentkern von der neuseeländischen Küste.

Folgende Prozesse haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler untersucht: Wie groß ist die Abrutschung, wie wirkt sie sich auf die Umwelt aus, und wie verhalten sich dabei die Halloysit-Partikel im Boden? „Tonminerale haben bestimmte Eigenschaften“, sagt der Erstautor, „je nach Art des Minerals ist der Boden mobil, das heißt die Erde sackt schneller und in größerem Ausmaß ab.“

Bei ihren Untersuchungen hat das Team festgestellt, dass in den Böden, die besonders anfällig für Rutschungen sind, eine Teilchenform des Halloysits auftaucht, die so bislang nicht bekannt war. Die Partikel sind rund, haben aber an einer Seite eine Öffnung und ähneln unter dem Mikroskop Pilzköpfen. Die Ladung der Teilchen bestimmt, wie stabil sie in Verbindung mit anderen Halloysiten sind. In langen Ketten sind sie stabil, aufgebrochen und einzeln ordnen sie sich willkürlich an – das Material wird weich und schwach. Daraus folgt, dass das Material einer Abrutschung nicht einfach am Fuße des Hanges liegenbleibt, sondern wie eine Flüssigkeit weiterfließt und dabei ganze Landstriche verwüsten kann.

„Ursache für die Hangrutschungen ist unserer Meinung nach also ein Versagen von elektrostatisch angezogenen Partikeln auf nanoskopischer Ebene. Dieser Prozess war vorher so nicht bekannt“, sagt Max Kluger. Wenn also der Boden nach einer Abrutschung nicht mehr fest ist, kann zum Beispiel Regen die Erde weiter aufweichen, was wiederum ein erneutes Abrutschen des Bodens begünstigt.

Für ihre Studie haben die Forschenden die Schicht genauer untersucht, in der es zu Hangrutschungen kommt. Die Studie, für die das Team insgesamt drei Mal nach Neuseeland gereist ist, ist eine Modellstudie. Das bedeutet: Wenn das Tonmineral auch an anderen Stellen nachgewiesen wird, können die Studienergebnisse helfen, Verluste durch absackende Hänge zu vermindern oder sogar zu vermeiden.

Wichtig seien die Ergebnisse vor allem für Gegenden, in denen es Inselvulkane gibt. „Dort kann das Tonmineral entstehen. Die von uns untersuchte Schicht besteht aus vulkanischer Asche, die mit der Eruption ausgestoßen wird und sich später ablagert“, erklärt Kluger. Das siliziumreiche Material mit hohem Halloysitanteil kommt zum Beispiel in regnerischen Gegenden wie Neuseeland und Japan vor, weniger jedoch in trockenen Gebieten wie in Italien. Parallel wurden ähnliche Sedimente in Japan untersucht. „Interessant wäre es, wenn unsere Kolleginnen und Kollegen in Japan zum gleichen Schluss kommen würden“, sagt Kluger. Inwieweit es Parallelen zu Italien gibt, könnten künftige Forschungsarbeiten zeigen.

Weil die Abrutschungen bis ins Landesinnere wirken, hat auch die Bevölkerung Interesse an den Ergebnissen von Kluger und seinen Kolleginnen und Kollegen. Eine Folge könnte zum Beispiel sein, dass Hänge nicht mehr so stark wie bisher bebaut werden. Gerade für diese Regionen sind Klugers Ergebnisse bedeutsam. „Wenn das Material im Erdreich nachgewiesen werden kann, wirkt sich das auch positiv auf die Prävention von Abrutschungen aus.“


Kontakt:
Max Oke Kluger
Telefon: 0421-21865841
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Originalveröffentlichung:
Max O. Kluger, Vicki G. Moon, Stefan Kreiter, David J. Lowe, G.J. Churchman, Daniel A. Hepp, David Seibel, M. Ehsan Jorat and Tobias Mörz (2017)
A new attraction-detachment model for explaining flow sliding in clay-rich tephras.
Geology, 42(2), 131-134, doi:10.1130/G38560.1
Die neue Tonmorphologie wurde zum ersten Mal entdeckt und erinnert an Pilzköpfe. Ihre Form ist wahrscheinlich der Grund für die starke Verflüssigung während des Gleitens. Foto: Geological Society of America (GSA)

Die neue Tonmorphologie wurde zum ersten Mal entdeckt und erinnert an Pilzköpfe. Ihre Form ist wahrscheinlich der Grund für die starke Verflüssigung während des Gleitens. Foto: Geological Society of America (GSA)